Ralph Scheible

Starknebel auf der Autobahn


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Pool der Stadt, dem Klärwerk, falls man sonst nichts mehr braucht. Hin und wieder bereist sie, je nach Attraktionen, sogenannte Alleinstellungsmerkmale verschiedener Cities. Natürlich gleich in Verbindung mit irgendwelchen Powerkäufen, Hauptsache es ist ein guter Deal für mindestens den halben Preis. Das ist schon so eine Art Sucht bei ihr. Auch Baumarktshopping gehört zum gelegentlichen Programm. Speziell in der Bad Shop Abteilung, was jetzt nichts mit der Abteilung eines schlechten Laden zu tun hat. Ihren letzten Kaffee ausschlürfend, verabschiedet sie sich, nicht undankbar für die Kurzweil.

      Am nächsten Morgen vernimmt Max die Meldung aus dem Klapperkasten, »150 Tote in Cambodia«. Warum und wieso und wo ist das überhaupt, erschließt sich ihm nicht. Für Nachrichtensprecher wie Peter Deppel ist es in der heutigen Zeit anscheinend nicht mehr möglich, Länder wie Kambodscha, oder auch die Philippinen, exakt in deutscher Sprache zu auszudrücken. Liegt das am Massentourismus, in der Annahme, jeder kennt die ganze Welt inklusive derer Länder, die es jetzt nur noch amerikanisch auszusprechen gilt. Oder ist es eher die allgemeine arrogante Ignoranz, alles was außerhalb der USA und Deutschland liegt, nicht mehr erwähnenswert erscheinen zu lassen. Außer Malle und Arkansas, sprich Arkonsoa. Mit dem Kaugummi R natürlich. Wenn irgendwo plötzlich und unangemeldet hundertfünfzig Menschen tot umfallen kommt das halt vor. Aber wenn ein Bagger bei Bauarbeiten im Middle of Nowhere Arkonsoa umkippt, ist es wichtig der Welt mittzuteilen, dass sich der Fahrer dieser Outdoor Monstermaschine rechtzeitig retten konnte. Nochmal Glück gehabt. Immerhin erfährt Max am Schluss noch, dass das Wetter heute regennass ist, mit Blick aus dem Fenster, wo der Himmel zwar leicht wolkenverhangen, jedoch voller Sonnenstrahlen durchflutet ist.

      Kurz mal Rom weiterbauen, entscheidet sich Max, bevor sein Lieblingssport Formel 1 in etwa einer halben Stunde live übertragen wird. Auch das Advertising ist dort live, obwohl Max bis jetzt noch nie sofort losrannte um eines dieser genialen Produkte vor allen Anderen zu ergattern. Nach einer vollen Stunde Vorstellung des neuen Racingtracks im feinen Quarzsand von Abu Dhabi und deren dazugehörigen Scheichs und anderer Wüstensöhne, ist es dann endlich soweit. Für die Formel Eins Piloten, die meistens gar keine Fluglizenz besitzen, scheint das ein Riesenspaß zu sein. Fun ist immer angesagt, auch beim Rennen durch das äußerst arme Indien. Kai Heebel, der erfahrene und Klamottenknallige Sportreporter der Liveübertragung, tobt sich wie immer in der viel zu lauten von Motorengeschrei erfüllter Boxengasse aus. Die Stimmen der Formel Eins, Haiko Masser und der erfahrene und kompetente Julian Ranner, katapultieren die Zuschauerquoten durch ihre flapsigen und wissenden Kommentare regelrecht noch oben. Wobei man die beiden Interview Genies, Micki Klauda, Weltmeister aus dem vorigen Jahrtausend und der smarte Gorian Tönig, nicht außer acht lassen darf. Die Liveschalte nach Abu Dhabi scheint perfekt gelungen, die Motoren dröhnen schon in der Startaufstellung und Haiko Masser kriegt sich kaum noch ein über ein eventuelles Grip ausgehen, schon bevor die überhaupt losgefahren sind, während sich Julian Ranner der Erfahrene, Sorgen über das Teamradio und die Vertragsmanpower macht. Die Ampel auf Grün, der Doppelweltchampion Sebastian Fehdel, wie immer auf der Pollposition, macht ein Kurzshifting und weg ist er. Es wird ein heiteres Gewinnspiel live eingeblendet, wo man sofort anrufen muss und dem anderen Ende erklärt, dass der Tony Marshall gar nicht mitfährt, um einen Ford irgendwas zu gewinnen. Wie sich das Race in dieser Zeit weiterentwickelt, wird in alten Live Bildern nachgeliefert. Ganz direkt live und ohne wenn und aber, nach einem kurzen Boxenstopp natürlich und einigen Replays, geht es dann aber zur Sache. »Ein schönes Finale ist das, Maiko Masser kurz vor dem siebzehnten Nervenzusammenbruch – Sieg, Sieg, Sieg, Deutschland winnt das Race. Unser Doppelweltchampion aus Peppelheim hat es wieder gerichtet und allen gezeigt wo der Hammer hängt. Er hat sich durch den Sand von Abu Dhabi gepflügt. Final und endgültig wird er auf dem obersten Treppchen stehen« schreit Haiko Masser nach Luft ringend. Julian Ranner der Erfahrene stellt gleichzeitig die Runden und Streckenrekorde des Doppelten Weltchampions in den Fokus, während sich Haiko Masser der Wissende dem achtzehnten Nervenzusammenbruch nähert und trotzdem über die Gemütslage und die aktuellen Gedanken des Doppelchampions aus Peppelheim parliert. Zum Glück kommt gleich anschließend eine schnelle Live Wiederholung des Rennens mit einer fachlichen Analyse des legendären Micki Klauda. Die Strecke wurde so ab der zehnten fast lap immer schneller, fabuliert Setrastian Fehdel in einem Interview mit dem knalligen Kai Heebel, und dankt seinem ganzen Team, welches diesmal keine Flügel zu verleihen hatte an den Teamkollegen und Konkurrenten Clark Vepper. Max freut sich schon auf den nächsten Grand Prix und den Moderatoren vom Fach, in zwei Wochen – ganz in live natürlich. Hoffentlich ohne vorherigem Brainstormings Kopfsalat der Moderatoren, sich bitte nur auf real bezogene Fakten des Geschehens äußernd. Obwohl, gerade das macht eine echte Liveschalte ja so funny. Was ist eigentlich aus den Sit-In und Meetings der frühen siebziger Jahre geworden? erinnert sich Max. Damals ging man plötzlich nicht mehr so einfach demonstrieren, gegen den Vietnamkrieg oder gegen die Errichtung todsicherer Atomkraftwerke. Nein, es musste ein Sit-In her. Das klang damals auch schon lächerlich, hatte aber etwas Großes und man musste nicht mehr ewig im Regen herumstehen. Da konnte man ganz bequem sitzen mit Regenplanen und konnte sich je nach Bedarf noch bequemer wegtragen lassen. Etwas ganz extraordinäres waren die sagenhaften Meetings, speziell die, der Karriereleiter erklimmende Tupperware Fachverkaufskanonen und anderen wichtigen Direct Marketing Groups. Manchmal gab es Meetings in Hochschultreppenhäusern und vor den Toren der ASTA. Das war auch ganz lustig, weil niemand so recht wusste warum man sich eigentlich traf. Ausser diejenigen, die vor der Asta Tür auf ihren Studentenausweis warteten. Demonstranten gibt es heutzutage so nicht mehr, die heißen jetzt Protester. Vermutlich macht es Journalisten wie Jens Schlurig, Ulrich Stusse und Ulla Kaijali zu viel Mühe in Deutsch zu denken. Und es macht gleich mehr her direkt vom amerikanischen Text ins Deutsche zu übersetzen. Falls da mal der Teleprompter tillt bleibt kein Raum für eigene Gedanken, es wird gnadenlos und voller Überzeugung weiter abgelesen. Schön auch zu hören, wie ausdruckstarke deutsche Wörter zu einem Minimum reduziert werden, um dann ganz arm mit einem viel, viel, ganz, ganz, und besonders sehr, sehr verstärkt werden. Mehr gibt das Englische eben nicht her. Es ist dann halt nicht nur dermaßen nass wenn es vom Himmel herunter regnet, sonder sehr, sehr, sehr regennass. Ganz, ganz wichtig, diese Aussage. Sehr, sehr hatte am einundzwanzigsten Oktober mit sagenhaften achtundzwanzig Zählern pro Stunde vorerst den Höhepunkt erreicht, nach Maximilians Aufzeichnungen. Manchmal ist ein dreifach sehr aber auch zu wenig, dann wird das triple sehr zu einem stark. Dann ist ein gewöhnlicher langweiliger Regenschauer, ein beindruckender Starkregen. Aber die Deutschen haben dann doch noch Glück. Weil das vermeintliche Denglisch eigentlich eine Deutsch Veramerikanisierung ist, bleibt einem dieser englische Katzen und Hunde Regen erspart. Man stelle sich das mal auf Bundesdeutschen Autobahnen vor. Seit dem immer wiederkehrenden Nine Eleven, nein das ist keines dieser sagenhaften Porschemodelle, macht sich neuerdings ein nerviges >Aller Zeiten< breit. Einen noch lebenden 4,6 Milliarden alten Mitmenschen hat Max bis jetzt noch nicht getroffen, aber im Fernsehen lernt er, dass der Starkregen gestern, der heftigste aller Zeiten war. Woher wissen die das? Noch besser ist der Starknebel, der sich direkt auf der Autobahn nieder lässt. Wahrscheinlich um die Autofahrer zu ärgern, die dann prompt alle ineinander fahren. Der größte Crash aller Zeiten. Das wäre in einem simplen Nebel garantiert nicht passiert und kann nur noch von einem Sandsturm, ebenfalls auf der Autobahn, in Mecklenburg-Vorpommern getoppt werden. »Wir switchen ganz schnell um, zu einer Live Schalte nach Kassel, wo unser ehemaliger Eurominister Franz Weichel wartet« sagt Maximilians Lieblingsmoderator Ulrich Stusse. »Hallo Herr Kassel, ääähm Guten Morgen Herr Weichel. Jetzt da sie gekündigt haben, können sie uns doch erzählen, ob es richtig war, Griechenland mit in die Eurozone aufzunehmen« »Herr Stusse, das haben wir doch das letzte mal schon diskutiert, haben sie denn keine neuen Fragen?« So geht das eine Weile hin und her ohne aufzuswitchen, aber Max erfährt immerhin dass es den Euro jetzt von Lappland bis runter nach Sizilien gibt. Und weiter unten auf Malta? Kein Euro? Und die Niederländischen und Französischen Karibik und Pazifikinseln? Alles klar Herr Stusse. Vielleicht hat sich es bald mit Euro und Dollar als wirtschaftlicher und globaler Umrechnungswährung, macht sich Max so seine Gedanken. Die aufstrebende Weltwirtschaftsmacht China wird es wohl nicht länger hinnehmen, alles mit dem verhassten Dollar zu rechnen und zusammen mit dem starken Japan eine gemeinsame Währung platzieren, auf längere Sicht. Hat womöglich auch etwas Gutes und die Shops in Deutschland werden wieder zu Läden wo man automatisch weiß, dass die etwas zu verkaufen haben. Wegfall des Sales. Dann kann man auch wieder Salz ohne Sale kaufen. Oh mein God, mit amerikanischem Sound natürlich, werden