Ralph Scheible

Starknebel auf der Autobahn


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dumm ist. Komisch, denkt Max, sich in solche Gespräche grundsätzlich nie einmischend, was machen die morgens um zehn Uhr schon halb besoffen, etwa arbeiten? Franzo muss dringend zum Klick, Kinderklamotten für seine Tochter auf Kuba kaufen. »Für Weihnachten, aber wahrscheinlich kommen die erst an Ostern dort an, no de nada« Noch ein paar Gläser Rotwein mehr und er spricht nur noch ein irgendwie Spanisch. Angeblich hat er lange in Havanna gelebt und war als Lehrer im dortigen Goethe Institut angestellt. Jetzt, als über siebzigjähriger möchte er dort wieder arbeiten. Ja nee, is klar. Es wird gemunkelt, er war in Mexiko und Kuba nur als Urlauber mit einer Hui Reisegruppe unterwegs. Die andere Dicke mit sächsischem Migrationsvordergrund hetzt jetzt auch gegen die Griechen, mit ihrem leeren Ouzoglas in der Hand. »Wir hoben olle georbaided in der DDR und die Kinder worn in der Gribbe« Ja genau, stellt Max für sich fest. Die kann die DDR kaum miterlebt haben, und die Kinder waren prima aufgehoben in der Krippe, das war Staatserziehung von Anfang an. »Und jetzt solln wir och noch diese Mistgrieschen verhalden, guck dir mol die Häuser von denen on« inzwischen wieder mit einem vollen Glas Ouzo in der Hand. »Die sind doch alle stinkefaul, wir haben nach dem Krieg aus Kohle Butter gemacht. Das ganze Fett rausgepresst. Da können die nur staunen« Max staunt auch über die Aussage des schwäbischen Badensers. »Selbst die sozialkommunistischen Kubaner arbeiten wie die Tiere und sind zu recht stolz drauf, aber Ola« sagt der Rotwein Lehrer aus Wiptingen. »Muy Problemo« was nach ihm, anscheinend so etwas wie »Kein Problem!« heißen soll. Gerhard, der Dürre, mit der Wild-Zeitung auf dem Tisch, erklärt die deutsche Wirtschaftslage. »Wir sind ein Exportland und arbeiten viel, was man von den Griechen nicht behaupten kann. Aber auch die Spanier, vor allem aber auch die Portugiesen und nicht zu vergessen die versoffenen Iren, treiben uns in die Eurokrise. Zum Glück sind wir da anders. Die Franzosen sind nur Trittbrettfahrer, die sich bestimmt nicht mehr halten lange können, dann müssen wir die auch noch mit unserem hart verdienten Euro retten. Bei uns malochen sogar die Arbeitslosen, da könnten die sich alle ein Beispiel nehmen.« Hurra, wir Alleskönner und Schwerarbeiter retten einen ganzen Kontinent, denkt sich Max. Da sitzt ein richtiger Wirtschaftsphilosoph mit Liebe zur Weisheit am Tisch, ohne jetzt vom akademischen Himmel gefallen zu sein. Eine zierliche, immer beschwipste junge Frau aus der Nachbarschaft gröhlt »Proscht, net schwätze, saufa, ihr Quatschköpf. Woher waisch du des alles, hä?« »Da steht es, in der Wild Zeitung, schwarz auf weiß und natürlich bei Wild-Online« überzeugt Gerhard der Dürre. »Caramba, mir reicht mein Handy, damit kann ich sogar schreiben« wirft Franzo, mit der Zunge am Rotweinglas klebend, undeutlich ein. »Hajoh, I schreib au immer uff em Handy. Oruafa brauchd mi koiner, wenn I dauernd bsoffa bin. Cheers, un noh a Runde Ouzo, gell« krakeelt die kleine Zierliche aus der Nachbarschaft. Obwohl eher aussichtslos und vergebens, schickt Max sich an, doch nachzufragen »Also wenn die Wild das alles weiß, steht da auch drin, wohin die Deutschen ihre teuren und billig hergestellten Qualitätsprodukte liefern?« »Nach China natürlich, das geht alles nach China« erwidert der Stammtischphilosoph leicht misstrauisch guckend. »Aha, aber laut DEP, der Deutschen Export Performance und dem Statistischen Bundesamt, gehen nur 4,5% nach China. Wo gehen dann die anderen Güter hin?« fragt Max. »Jaa, hauptsächlich nach Amerika« »Die USA sind doch auch bankrott, wie sollen die das bezahlen?« »Ha, das sind die größten Verbrecher mit ihren Racing Agenturen. Die machen alles kaputt« weiß der Dürre. »Wie heißen diese Agenturen, haben die etwas mit der Formel Eins zu tun?« »Racing Agenturen, noch nie gehört?. Das sind die, die unsere Banken kaputt stufen. Und extra in Amerika sind, um den Dollar zu retten« »Ach so, Rating Agenturen. Die gibt es aber auch in Europa und überhaupt weltweit. Die wollen alle den Dollar retten? Diese Agenturen gab es schon im neunzehnten Jahrhundert. Sogar Bayern hat eine Rating Agentur, die BayRate. Selbst die Bundesbank darf Ratings vornehmen. Also Staaten und Wirtschaftsunternehmen herauf oder herabstufen. Das ist so etwas wie eine internationale Schufa. Wer will schon in Pleitefirmen investieren? Selbstverständlich sind diese Agenturen gewinnorientiert, und die Märkte sind immer ademokratisch. Es liegt also an den Regierungen sich von den Wirtschaftsdiktaturen zu lösen. Und um auf den Euro zurückzukommen. Natürlich ist das eine ökonomische Währung, du hast doch aber auch Vorteile dadurch« beendet Max vorläufig seine Rede. Lange überlegend, vermutlich kaum etwas verstanden, kontert der Dürre mit »Aber die Amis haben unseren Euro kaputtgemacht, das steht da so« »Ja genau, die Amis sind schuld und die Griechen. Wir wollen die gute alte D-Mark wieder zurück« sind sich die anderen, mit einem kollektiven Prost, am Wirtschaftsstammtisch einig. »Ja genau, die war hart und stabil und überhaupt weltweit angesehen« sagt Gerhard der Dürre. »Und wer hat uns die Mark gebracht? Das waren doch die Alliierten, die mit vierzig Mark für jeden, zumindest auf dem Papier, diese Währung 1948 eingeführt haben. Da waren also auch die Amis mit dabei, und die sind jetzt plötzlich böse? Auch die D-Mark wurde damals nicht angenommen und alle fühlten sich abgezockt. Das hat eine Weile gedauert, vor allem auch bis das wunderbare Wirtschaftswunder kam« sagt Max. Vor allem aber gibt es seit 1945 keinen einzigen Krieg mehr in Europa. Das ist der längste andauernde Frieden seit der Geschichtsschreibung im kriegswütigen Europa, meist von Deutschen ausgehend. Daran hat auch der Euro seine Mitwirkung. Ist das etwa nichts?« »Hey du, bisch du vielleicht enn Professer?« meckert die immer Beschwipste. Max möchte aufgeben um sich in aller Ruhe seinem dunklen Hefeweizen zu widmen, aber der Dürre lässt dann doch nicht locker. »Was hat jetzt der Euro damit zu tun wegen Krieg?« »Nein ich bin kein Professor. Ich stelle mir nur Fragen und suche nach Antworten. Dafür schimpfe ich nicht wegen jeder blöden Schlagzeile. Solange es die Eurozone gibt, die das kleine Europa zusammenhält, wird es wohl kaum Krieg geben. Und trotz den Staatsverschuldungen inklusive Griechenland, die von Spekulanten verursacht wird, ist das immer noch billiger als ein neuer verheerender Krieg. Oder nicht?« »Krieg, Krieg, was ist das und wer will das. Keiner will das« lacht die immer Beschwipste. »Ist ja schon gut, es wollte auch nie jemand eine Mauer errichten« winkt Max ab und trinkt dann doch lieber in Ruhe sein Bier. »Aber wenn es doch in der Wild-Zeitung steht, dass Griechenland schuld ist« sagt der Dürre eher fragend. »Tratma, zahlen bitte, ich muss weiter, obwohl es bei dir immer so gut nach Pide und Lahmacun riecht« Max schleppt seinen Einkauf ein paar Häuser weiter zum Griechen. Der liegt ganz geschickt an der Bushaltestelle, um danach ganz bequem mit Stadtbus nach Hause fahren zu können. Die Halti, wie manche Dunkeldeutsche zu sagen pflegen. Johann, der echte Urgrieche aus Kühlacker, begrüßt Max mit seinem eigens angebautem und selbstgebrannten Traubenschnaps mit Mirabelle und drückt ihm gleich ein schön eingeschenktes, leider nicht kaltes Weizenbier in die Hand. Aus dem verqualmten Rauchernebenzimmer ohne Tür, winken Bombo Weltfirma und Erich der Lokomotivführer in Pension. Max setzt sich mit seinem Hefeweizen zu ihnen an den Tisch. Erich ist mitten in einer Geschichte aus seiner Dampflokzeit. Bombo, immer noch Wild-Zeitung gebildet, ist sofort am Schimpfen »Das gibt es doch gar nicht, bei uns schalten die den Strom ab und kaufen dafür den Strom im Ausland« »Wer sagt denn so etwas?« »Das stand gestern in der Wild, da kann man doch nur den Kopf schütteln« echauffiert sich Bombo. »Da würde ich auch den Kopf schütteln, klingt doch aber gut für eine der neuen Preiserhöhungen für Strom aus dem Ausland und super Gas aus Russland. Aber so kann das natürlich nicht sein. Vielleicht musst du zwischen den Zeilen lesen, obwohl, in der Wild ist dieser Platz meistens mit freiem weißem Raum ausgefüllt. Wenn die vier Atomkraftwerke abschalten, produzieren die anderen doch immer noch Strom. Es kommt noch Strom aus Windkraftanlagen, Wasserkraft, Photovoltaik und so weiter dazu.« versucht Max seine Meinung kund zu tun. »Die Wild Zeitung sagt, das ist alles Quatsch, die kaufen auch Atomstrom aus Österreich. Was meinst du mit Fotowollteig oder wie das heißt?« fragt Bombo fragend. »Österreich hat doch gar keine Kernkraftwerke. Wenn die Strom verkaufen, haben die wahrscheinlich zu viel davon bei den Tschechen gekauft, oder sie machen ein Zusatzgeschäft damit. Und das macht momentan vielleicht für die Bayern Sinn, die kaum erneuerbare Energien haben. Mit Photovoltaik meine ich Solarstrom. das sind die Dinger, auch Solarzellen genannt, auf den Dächern, aber auch auf Feldern, die Lichtenergie in elektrische Energie umwandeln. Dieser Photoelektrische Effekt wurde bereits 1839 von dem französischen Physiker Alexandre Becquerel entdeckt. Diesen Effekt richtig zu erklären gelang Albert Einstein 1905, wofür er später den Nobelpreis bekam. Wegen der Energiekrise brachte Japan 1994 das Hunderttausend Dächer Programm auf den Plan, welches inzwischen 144.000 Dächer erreicht hat, in den USA sogar eine Million Dächer. Im gleichen Zeitraum schaffte es Deutschland gerade mal auf Tausend Dächer.« »Das glaube ich nicht« kontert Bombo. »Ich habe als vierzehnjähriger Bub den ganzen Tag Kohlen geschippt, ohne etwas zu essen« erzählt Erich immer