Ralph Scheible

Starknebel auf der Autobahn


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Einwohnern überzählige Riesennation der USA wird einen Teufel tun, diese englische Minderheitensprache in Reinform zu sprechen. Also müsste man deshalb schon von Amerikanismen sprechen. Obwohl der gebildete US Amerikaner weiß, dass das Wort Rucksack eine deutsche Wortschöpfung ist und auf dem Rücken getragen wird, im Gegensatz zu den Backpacks die beim Gehen meistens in die Kniekehlen schlagen. Zur Verwunderung und Belustigung älterer Mitbürger. Auch weiß der Mensch aus der neuen Welt was kraxeln ist. Der Uralt Rucksack war ein Hafersack, auch Kraxe genannt und speziell für gebirgige Klettereien geeignet, eben das Kraxeln. Amerikanismen sind für Max ein eindeutiges Imponierdeutsch. Selbstverständlich muss sich eine Sprache stets weiter entwickeln. Es gibt aber keinen Grund dafür warum ein gutes Deutsch selbst auf Hochschulen entwertet wird. Man geht heutzutage walken, am besten mit einem Kaffee aus dem westafrikanischen Land Togo in der Hand. Oder heißt to go ganz banal zum Davonlaufen? Es geht akademisch aber noch besser wenn sogar Latein nicht einmal vor Anglizismen verschont bleibt. Von einer Dual Career ist da die Rede, oder und leider auch oft, von einer Management Diversity, im Sinne von >soziale Vielfalt konstruktiv nutzen<. Dieses hebt das Ansehen des ausgebeuteten Mitarbeiters und lässt ihn im Glauben er sei einer von besonderer Wertschätzung Betroffener. Das ist doch cool. Dabei steht aber nicht die Minderheit selbst im Augenmerk, sonder Alle in ihren Unterschieden. Die amerikanische Wörterleidenschaft hat auch Worte wie Beamer und Handy hervorgebracht, obwohl der Wortursprung des mobilen Telefons eher in der Türkei zu suchen ist. Es klingt dann schon sehr gebildet und International wenn man sich solcher Anglizismen bedient. Richtig weh tun allerdings Sätze wie, Hier Coffee To Go, jetzt auch zum Mitnehmen, oder I like your Küchenmöbel. Auch Back Factory, heute For Sale und so weiter und so fort. In Sekundenbruchteilen erkennt man Politiker und Journalisten, die sich mit dem fehlerhaften Gebrauch solchen Unsinns lächerlich machen. Solche Loser Events im Fernsehen, sieht Max besonders gerne. Anglizismus des Jahres ist leaken, hat eine Jury eines sprachwissenschaftlichen Klubs beschlossen. Gleich danach kamen App und entfrienden. Die Badische Zeitung stellt fest: Leaken, also enthüllen, verstehen ganz Sprachgewandte gleich als deutsches lecken. Das Internet als Parademedium kann dann gleich weiterhin großflächig leaken, schon wegen der germanliken Sprachstruktur. Inzwischen auch als Wikileck und Wikienthüllungen in Gebrauch. Max kommt immer mehr dahinter warum sein Mentor als so gebildet daher kommt. Ob er das alles selbst versteht, wird wohl Svens Geheimnis bleiben. Or something like that»

      So mon amis, isch muss jetzt zu mein Therapöt« unterbricht Claudine Maximilians Gedanken in bestem Franco Deutsch. Sven grinst über den Therapöt. »Ich muss auch die Location wechseln« meint der moderne Modell Germane Sven. »Wo geht es denn hin, in die neue Public Station, oder doch wieder zum Griechen mit dem intellektuellem ultradeutschem Publikum?« möchte Max wissen. »Wie, Public Station heißt das ehemalige Bahnhof Stüble jetzt? Nee, ich gehe lieber in den Kleinen Will, egal Grieche. Vielleicht gibt es dort neue Aufträge für mich« »Dort musst du aber ganz schnell fünf Ouzos kippen, um ruck zuck auf dem Niveau der Stammgäste zu sein, gell« lästert Max, der aus Prinzip schon, nie einen Fuß in diese Location setzen würde. Zu viele patriotische Events in Form von Alkohol und Wild-Zeitungslektüre.

      Max macht sich auf, seine persönliche Abhängzone im dritten Stock zu erklimmen. Auf dem Weg dorthin kommt er jedes Mal am Bahnhof vorbei, wo er sich ab und zu noch Filter für seine selbstgedrehten Zigaretten kauft. Das waren noch Zeiten, als dort noch ein Metzgerei-Imbiss installiert war. Heute betreibt das Einer aus irgendwoher und nennt sich >Butts Corner<, das muss man sich mal reinziehen, stellt Max resignierend fest. Eine Arsch-Ecke mit drei krummen Tischen auf Public-Outdoor-Biergarten und stark gesalzenen Preisen. Nix wie weg, denkt Max.

      Zuhause angekommen, wie immer vor Schmerzen krümmend und schnaufend, stellt er gleich den immer auf Standby stehenden TiVi an. Solange sein Computer hochfährt bereitet er sich eine Nudelsuppe mit Ei in der Küche vor. Aus dem Fernseher hört er Karlena Knallschuh über die sogenannten 1980er Jahre sprechen. Einfach Achtziger Jahre zu sagen, muss schon arg niveaulos klingen. Diese 19hunderter irgendwas Jahre, das hat schon etwas. Und man kommt auf keinen Fall durcheinander mit diesen Jahrtausenden. Von Frau Knallschuh erfährt Max noch etwas über »crossing leadership«. Dabei handelt es sich um eine wohlwollende Dominanz beim Hund. Ganz wichtig. Im Hintergrund fuchtelt der weltberühmte Fuchtelkoch Karmin Trotzmeier, wild in einer mitleiderregenden Pfanne kratzend, etwas Undefinierbares aus seiner fränkischen Heimat zusammen. Das kommt immer gut an, vor allem weiß man sofort wie viele Kalorien und Broteinheiten man nicht extra zu verzehren braucht und ob die Entenbrust Ovolaktovegetarisch und vor allem Gluten frei ist. Selbstverständlich erfährt man auch etwas über Aromaten und aromatisieren, kein Wort über Gewürze, dafür aber viel über regionales Gemüse und regionale Früchte der Saison, wie etwa unbehandelte Ananas. Ein alternder Schlagersänger, von Frau Knallschuh als gefeierter Rocker tituliert, kaut an einem arm wirkendem Brötchen und erzählt von seiner Glanzzeit und dem tiefen Fall und seiner Biografie, die unübersehbar auf dem gemeinsamen Frühstückstable liegt und direkt »buy me« schreit. Die geneigten Zuschauer können auch gleich anrufen und wichtige Fragen an den Rocker stellen. Vielleicht auch darüber wie er seinen Peace of Mind beim Catch and Free Angeln gefunden hat. Währenddessen stimmt Ringo Nonsinns im Backstage Bereich seine Gitarre für einen eventuellen Auftritt, zusammen mit dem alternden Schlagerstar.

      Max hat genug von diesem Unsinn und kümmert sich voller Begeisterung um sein römisches Aufbauspiel. Seit er begriffen hat wie er dort seine Leute versorgen muss, um im Spiel weiter zu kommen, ist er kaum noch davon weg zu kriegen. Es macht ihm Spaß zu sehen, dass selbst in der Simulation, Handwerker auch nur schuften wenn sie genügend zum Essen haben und die Zeit sich zu erholen. Und da geht natürlich ohne Bauern und alles was dazu gehört rein gar nichts. Klar, Rom wurde nicht an einem Tag gebaut.

      Ein seltenes Geräusch, es klingelt an der Tür. Mit einem Paket Kaffee in der Hand begrüßt Suzanna Lessa den überraschten Max. Hin und wieder schaut sie mal auf einen Kaffee vorbei, den sie meistens selbst mitbringt, um ein Schwätzchen zu halten. Das ist für Max oft eine willkommene Gelegenheit sich auch mal geradeaus und unkompliziert zu unterhalten. Obwohl Suzanna aus einer Zeit entstammt, in der an Schulen noch ein richtiges und authentisches Englisch unterrichtet wurde, nimmt sie die Amerikanisierung der sowohl englischen, als auch der deutschen Sprache als gegeben hin. Höchstens mal achselzuckend bei der Feststellung, wie die Metamorphose deutscher Provinznester fortschreitet. Dort kann man jetzt nicht einfach mal so einkaufen. Auch da wird jetzt geshoppet und es gibt viel Sale überall. Ein dorfübergreifendes Car Sharing ist voll angesagt, nachdem viele Nahverkehrslinien aus Kostengründen eingestellt wurden, weiß Suzanna zu berichten. Ist auch ganz wichtig, falls man dringend Designer Sale aus der City braucht, oder so ähnlich. Der süddeutsche Gruß »Grüß Gott« gilt inzwischen auch in den Dörfern als out. Ein hippes Hi bereichert das Landleben und die alte Old Fashioned schwäbische Hausfrau putzt jetzt nicht mehr einfach so, sie bleachet mit Power Baking Soda. Nicht zu verwechseln mit dem trendigen Dental Spa Zahn Bleaching beim Business Zahnarzt. Oder gar mit »Bleach«, der Manga Serie von Titu Kubo, die auch als Anime umgesetzt wird. Schön und immer wieder lustig sind die Talks mit Suzanna für Max, obwohl sie einiges eher etwas verbissen sieht. Neuen Medien und Elektronik gegenüber eher abgeneigt, sieht sie ihre ureigene Weltordnung im Wanken. Macht aber nichts, solange sie ihre bald zu erwartende Rente noch als gesichert sieht. Außerbörsliche Regeln, Quick Trading und andere abgespacete Sauereien haben da sowieso keinen Platz. Ein berühmt gewordener Tea Master aus dem Schwarzwald bereitet da eindeutig mehr Fun. Vor allem in Verbindung mit Drei Sterne Space Food Dosen, seines Maitre de Cuisine, der für die kostverwöhnten Astronauten der NASA, Blutwurst und Kartoffelmatsche ganz extra ordinär zubereitet. Als fleißige Leserin sämtlicher psychothrillerisch angehauchter Kriminallektüre, ähnlich ihrer Freundin Mimi Seitenzeller, bleibt ihr viel erspart an televisionärem Unsinn. Naja, bis auf diese Spezial Sendungen, wie irgendwelche irgendwas Classics, oder wo ein legendärer Abhängcontest stattfindet. Interessant ist auch, was so ein Medien Coach einem skelettierten Girl versucht alles auf dem Catwalk beizubringen. Klingt wie Cat Wok, was aber nichts mit einer asiatischen Pfanne zu tun hat. Gar nicht so einfach, jemanden eine relativ natürliche Fortbewegungsweise abzugewöhnen. Zum Glück wird dieses, Backstage gründlich geübt und nach erfolgreichem Gewackel und Gezuckel, ohne von den viel zu hohen High Heels zu kippen, kann das ambitionierte Opfer seiner selbst, dann endlich eine Aftershowparty schmeißen. Nein, Proktologen sind da selten dabei, ist sich Suzanna sicher. Sie