Martin Cordemann

Shylock Holmes


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      SHYLOCK: Worauf Sie Ihren Arsch verwetten können.

      THELLO: Informationen?

      SHYLOCK: Wenn Sie so freundlich wären?

      THELLO: Man hat den Mann erschlagen.

      SHYLOCK: Ich weiß. Tatwaffe?

      THELLO: Ein fester Holzstock oder eine Eisenstange!

      SHYLOCK: „Das wären denn zweierlei Waffen; doch weiter.“

      THELLO: Häh?

      SHYLOCK: ‘Hamlet’, fünfter Akt, zweite Szene! Sie vergessen, dass wir es hier mit der Leiche eines Theatermenschen zu tun haben und da ist es wohl das Mindeste, Shakespeare zu zitieren. Ist son Klischee, wird in Krimis immer gemacht. Gut, wer hat ihn umgebracht? Ich nehme mal an, dass für die Rolle noch niemand vorgesprochen hat?!

      THELLO: Falls Sie darauf hinaus wollen, ob wir einen Verdächtigen haben: nein! Es hat sich bislang niemand gestellt und wir haben keine Ahnung, wer ein Interesse am Tod des Intendanten gehabt haben könnte.

      SHYLOCK: Autoren, Schauspieler, Regisseure, da findet sich immer was.

      THELLO: Kritiker?

      SHYLOCK: Nee, die hätte er umgebracht.

      THELLO: Das hier hat man bei dem Toten gefunden. Eine leere Brieftasche, ein seidenes Taschentuch, eine Armbanduhr und einen Schlüsselbund.

      SHYLOCK: Aha. Würden Sie deshalb auf Raubmord schließen?

      THELLO: Natürlich nicht!

      SHYLOCK: Und... warum das nicht?

      THELLO: Welcher gescheite Dieb würde seinem Opfer schon das Geld klauen, aber eine Uhr für fünftausend Euro da lassen?

      SHYLOCK: Häh? Oh. Guter Punkt, Thello. Gut aufgepasst. Teure Uhr, guter Hinweis.

      THELLO: Sie wussten es nicht, oder?

      SHYLOCK: Kein Stück. Modezeugs ist nicht so mein Gebiet. Gut, das ist doch schon mal ne ganze Menge? Machen wir Schluss für heute?

      THELLO: Ihre Arbeitseinstellung möchte ich haben.

      SHYLOCK: Unwahrscheinlich! Was sollen wir denn Ihrer Meinung nach machen? Gibt es irgendwen, den wir verhören können?

      THELLO: Den Hausmeister. Er wollte gerade den Müll raus bringen, da sah er die Leiche.

      SHYLOCK: Könnte er es gewesen sein?

      THELLO: Leider nicht. Er hat für die Tatzeit ein Alibi.

      SHYLOCK: Tatzeit? Guter Hinweis. Wann war das so ungefähr?

      THELLO: Der Arzt meint, es müsste heute Nacht gewesen sein, so etwa gegen 12 Uhr.

      SHYLOCK: Bleibt die unausweichliche Frage: Wer war es? Oder: Warum? Oder: Was stelle ich mir hier für bescheuerte Fragen, die ich mir ohnehin nicht beantworten kann? Hmmmmmmm, wer, um einmal den großen Meister zu zitieren, könnte Nutzen aus dem Tode des Intendanten ziehen?

      THELLO: Welchen großen Meister?

      SHYLOCK: Mich, ist doch egal, beantworten Sie meine Frage!

      THELLO: Ich weiß nicht.

      SHYLOCK: War der Mann verheiratet?

      THELLO: Ich weiß nicht!

      SHYLOCK: Eine Ehefrau ist eine potentielle Verdächtige, es sei denn, sie ist tot.

      THELLO: Sie ist tot.

      SHYLOCK: Verdammt!

      THELLO: Was ist mit dem Hausmeister?

      SHYLOCK: Der war es nicht.

      THELLO: Aha. Und warum?

      SHYLOCK: Weil der Hausmeister oder theatralisch gesprochen der Pförtner zwar eine nette kleine, aber keine Hauptrolle ist. Und die bringen meist niemanden um. Und, wer weiß, vielleicht hat man seine Rolle sogar ganz gestrichen, weil sie zu klein war.

      THELLO: Kann es sein, dass Sie da ein paar ganz merkwürdige Methoden der Ermittlung anwenden?

      SHYLOCK: Möglich. Also gut, er war es nicht. Hatten Sie doch selbst gesagt, Alibi und so.

      THELLO: Stimmt ja.

      SHYLOCK: Bleiben wohl noch ein gutes Dutzend andere.

      THELLO: Sie meinen das Ensemble?!

      SHYLOCK: Richtig. Wo finden sich die Hauptrollen, wenn nicht im Ensemble?

      THELLO: Warten Sie mal! Wenn Ihre Theorie richtig wäre – was sehr zu bezweifeln ist – dass es hier irgendwie nach Shakespearemotiven zugeht, warum wurde Rael dann nicht nach einem solchen Beispiel ermordet?

      SHYLOCK: Sie meinen Schierling im Ohr? Mit einer vergifteten Klinge anritzen? Kopf abschlagen. Wär alles n bisschen übertrieben, oder? Ich kann es Ihnen noch nicht sagen, aber warten Sie nur ab, wenn es erstmal ans Zitieren geht, werden wir schon sehen, wer der Mörder ist! War hier gestern Abend ne Vorstellung?

      THELLO: Ja.

      SHYLOCK: Wer vom Ensemble spielt dabei mit?

      THELLO: Alle! Claus Telmah, Julietta Nager, die beiden Stars, Monty Oemor, Nora Drawis und Julius Rasäc.

      SHYLOCK: Merkwürdige Namen, oder?

      THELLO: Ich finde hier vieles merkwürdig. Julietta Nager... die kenn ich gar nicht.

      SHYLOCK: „Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken

      Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

      Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht:

      Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht!“

      THELLO: Häh?

      SHYLOCK: ‘Romeo und Julia’, erster Akt, fünfte Szene.

      THELLO: Und was wollen Sie damit sagen?

      SHYLOCK: Dass sie ausgesprochen attraktiv ist!

      THELLO: Warum kenn ich sie dann nicht aus dem Fernsehen?

      SHYLOCK: Weil sie außerdem Talent hat?

      THELLO: Wollen Sie damit sagen, dass im Fernsehen nur Leute ohne Talent landen.

      SHYLOCK: Das überlass ich Ihrer Phantasie. Hmm, ziemlich kleines Ensemble. Was haben sie gespielt?

      THELLO: Irgendwas von Ionesco.

      SHYLOCK: Irgendwas, ‘Der König stirbt’ haben sie gespielt. Finden Sie nicht, dass ein solches Stück einen gewissen Schatten vorauswirft? Der König ist inzwischen tot, soviel steht fest. Vielleicht bricht ja gerade jetzt das Theater auseinander... Hmmm, gut, also kommen wir zum springenden Punkt: Wer von den fünfen war es?

      THELLO: Warum muss es denn einer von den fünfen gewesen sein?

      SHYLOCK: Weil... wir sonst zuviel zu tun hätten, die ganze Stadt verhören und so. Schränken wir den Kreis der Verdächtigen also einfach mal ein. Wir wissen, es war jemand, der die Sache wie einen Raubmord aussehen lassen wollte! Gut, was wissen Sie über die Schauspieler?

      THELLO: (blättert in seinen Notizen) Fangen wir mit dem Star an: Claus Telmah, Schauspieler, hat beachtliche Erfolge auf der Bühne nachzuweisen, wird von der Kritik geliebt. Äh, für Julietta Nager gilt das gleiche.

      SHYLOCK: Das weiß ich selbst. Was ich wissen will ist Klatsch, Tratsch, unbewiesene Behauptungen, Vorurteile, eben das, woraus man seine Anschuldigungen ziehen kann!

      THELLO: Oh, äh, die Nager hat, scheint’s, ein Verhältnis mit dem Intendanten.

      SHYLOCK: Gehabt! Damit ist sie potentiell verdächtig!

      THELLO: Ich dachte, alle fünf sind potentiell verdächtig?

      SHYLOCK: Machen Sie Ihre Arbeit und ich mache meine, okay? Also weiter!

      THELLO: Oemor und die Drawis leben seit einigen Jahren zusammen.