Martin Cordemann

Shylock Holmes


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Ist erst seit kurzem beim Ensemble, kommt aus Jugoslawien. Mehr weiß ich über ihn nicht.

      SHYLOCK: Gut. Motiv für den Mord: Eifersucht? Aber wer war auf wen eifersüchtig? Einer der Männer, weil Rael ein Verhältnis mit der Nager hatte? Oder die Drawis aus demselben Grund? Oder die Nager, weil sie eins mit einem anderen haben wollte? Warum müssen es unbedingt fünf Verdächtige sein, hätte einer nicht gereicht? Hmmm, wer profitiert von seinem Tod, indem er die Intendantenstelle bekommt? Das sind so die Fragen, die ich bis zum Ende dieses Aktes geklärt haben möchte, am besten gleich in der nächsten Szene.

      THELLO: (liest etwas) „...können wir aufgrund einer weiteren Kürzung des Kulturetats das Theater nicht weiter mit Subventionen unterstützen und müssen deshalb...“

      SHYLOCK: Was haben Sie denn da?

      THELLO: Lag bei der Leiche. Man sagt ihm, er kriegt keine Subventionen mehr. Und das bedeutet, wie er hier hingekritzelt hat, dass er das Theater nur dann weiter betreiben kann, wenn er eine weitere Stelle streicht.

      SHYLOCK: Das heißt in Alltagsdeutsch?

      THELLO: Er kriegt keine Kohle vom Staat mehr.

      SHYLOCK: Soviel hatte ich bereits verstanden.

      THELLO: Weniger Kohle heißt: nicht genug Geld für alle.

      SHYLOCK: Also muss er…

      THELLO: …einen der Schauspieler rausschmeißen.

      SHYLOCK: Oder eine.

      THELLO: Genau.

      SHYLOCK: Ich würde sagen: das ist es!

      THELLO: Das ist es?

      SHYLOCK: Ja. Wir müssen jetzt nur noch herausfinden, welche Stelle er streichen wollte, damit wir wissen, welche Stelle ihn gestrichen und das Problem damit aus der Welt geschafft hat. Ganz einfach!

      THELLO: Einfach?

      SHYLOCK: Naja, nicht unbedingt! Aber wie ist das mit dem Nachfolger?

      THELLO: Ich weiß nicht.

      SHYLOCK: Finden Sie heraus, wer hier den Posten des Intendanten übernehmen wird und was es mit dieser Streichung der Subventionen und dem Weiterbestehen des Theaters auf sich hat.

      THELLO: Und was machen Sie?

      SHYLOCK: Ich beschäftige mich in stiller Einzelarbeit? Nein?

      THELLO: Nein!

      SHYLOCK: War nur so ein Gedanke. Gut, ich spreche mit dem Ensemble.

      THELLO: Oder was davon noch übrig ist.

      SHYLOCK: Ja. Was wollten die wohl aufführen, wenn die noch n paar Leute rauschmeißen? Bleibt ja fast nur noch ‘Der Kontrabaß’ von Süskind. Hey, vielleicht ist der es gewesen, um sie zu zwingen, wieder sein Einpersonenstück aufzuführen. Sie sehen, wenn man genau nachdenkt und Schlussfolgerungen zieht, kann man sehr gut auf die Tatverdächtigen schließen.

      THELLO: Ich kümmere mich um die Subventionsgeschichte. Und Sie?

      SHYLOCK: Ich kümmere mich um den leichten Teil: Ich finde heraus, wer der Täter war!

      BLACK

      ZWEITER AKT

      Erste Szene

      (Bühne. Es wird geprobt, RASÄC, OEMOR und die DRAWIS stellen die drei HEXEN dar. Sie sind in Anzügen wie Anwälte gekleidet und haben Handys in der Hand, in die sie sprechen.)

      „Eine freie Stelle. Donner und Blitz. Drei HEXEN treten auf.

      1. HEXE: Wann soll’n wir drei uns treffen wieder

      Im Donner, Blitz, fällt Regen nieder?

      2. HEXE: Wenn das Grau’n vorüber ist,

      Wenn Ihr’s End’der Schlacht schon wisst.

      3. HEXE: Das ist eh die Sonne grüßt.

      1. HEXE: Welche Stell’?

      2. HEXE: Den Berg hinan.

      3. HEXE: Da treff’n wir mit Macbeth zusamm’n.

      1. HEXE: Ich komm’, Graukätzchen!

      2. HEXE: Kröte ruft.

      3. HEXE: Gleich jetzt!

      ALLE: Frisch ist faul, und faul ist frisch:

      Schweben durch Nacht und Dunstenmisch.

      (sie verschwinden im Nebel)“

      AUSBLENDE

      Zweite Szene

      (Im Theater. Der Nebel lichtet sich, SHYLOCK tritt auf)

      TELMAH: (tritt auf) Was wollen Sie hier?

      SHYLOCK: Ich? Oh, äh, nur...

      TELMAH: Sind Sie der neue Kritiker?

      SHYLOCK: Nein, so schlimm ist es nicht. (zeigt seinen Ausweis) Shylock Holmes, Mordkommission.

      TELMAH: Oh, Mordkommission?!

      „Wär ich gestorben, eine Stunde nur,

      Eh dies geschah, gesegnet war mein Dasein!

      Von jetzt gibt es nichts Ernstes mehr im Leben:

      Alles ist Tand, gestorben Ruhm und Gnade!

      Der Lebenswein ist ausgeschenkt, nur Hefe

      Blieb noch zu prahlen dem Gewölbe.“

      SHYLOCK: ‘Macbeth’?

      TELMAH: Zweiter Akt, zweite Szene.

      SHYLOCK: Sie sind Herr Telmah?

      TELMAH: Der bin ich.

      SHYLOCK: Schauspieler, Regisseur... und immer bei der Arbeit. Ich sehe, Sie proben.

      TELMAH: Ja. Finden Sie das ungewöhnlich?

      SHYLOCK: Nun, das ist ein Theater, da erwartet man so was ja.

      TELMAH: Da haben Sie Recht.

      SHYLOCK: Oder meinen Sie, wegen des Mordes.

      TELMAH: Ja, äh, wegen des Mordes. Es… Mir geht der Tod... der Mord an unserem Intendanten sehr nahe.

      SHYLOCK: Natürlich. Er hat dieses Theater sehr geprägt.

      TELMAH: Das hat er.

      SHYLOCK: Was mag nun aus ihm werden?

      TELMAH: Ich nehme an, man wird eine Autopsie an ihm vornehmen.

      SHYLOCK: Ich meinte, aus dem Theater. Wer wird seine Rolle übernehmen?

      TELMAH: Seine… bitte? Sie haben mich verwirrt.

      SHYLOCK: Ja, das passiert hin und wieder. Er war ein eigenwilliger Intendant. Ich nehme an, Sie werden seinen Job übernehmen?!

      TELMAH: Auf jeden Fall vorläufig.

      SHYLOCK: Natürlich. (sieht sich um) Irgendwas war da noch...

      TELMAH: Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann…

      SHYLOCK: Ja, natürlich. Da sind immer irgendwelche Fragen, die man stellen muss, wenn so ein Mord passiert ist, kennen Sie wahrscheinlich aus dem Fernsehen.

      TELMAH: Sicher. Sie wollen bestimmt fragen, wo ich gestern zur Tatzeit gewesen bin?

      SHYLOCK: Ach, für sowas hab ich mein Personal. Das ist eine schöne Bühne. Sehr angenehm. Gute Akustik. Ich wollte auch mal... aber Sie wissen, wie das ist. Und dann bin ich auf die schiefe Bahn geraten... also zur Polizei gegangen. Traurig. Wo waren Sie zur Tatzeit?

      TELMAH: Zu Hause, ich lebe allein!

      SHYLOCK: Das ist schade.

      TELMAH: Man gewöhnt sich daran, allein zu leben.

      SHYLOCK: