vorstellen, aber ich war eine bezaubernde Julia!
SHYLOCK: Sie waren auch eine überzeugende Lady Macbeth!
DRAWIS: Das dürfte wohl vor Ihrer Zeit gewesen sein.
SHYLOCK: Ich meinte nicht die Uraufführung.
DRAWIS: Sehr charmant, junger Mann. Ja, Shakespeare hat ein paar sehr schöne Stücke geschrieben. Sowas findet man heute nicht mehr.
SHYLOCK: Hätten Sie die Güte, mir zu sagen, wo Sie gestern Abend zwischen elf und ein Uhr waren?
DRAWIS: Zusammen mit meinem Liebhaber! In einer netten kleinen Kneipe namens „Auerbachs Keller“. Man kennt uns dort, fragen Sie ruhig nach.
SHYLOCK: Werd ich machen. Sie waren dort also mit Ihrem Liebhaber!
DRAWIS: Tun Sie doch nicht so. Als Polizist werden Sie inzwischen herausgefunden haben, dass Monty Oemor und ich ein Verhältnis haben. Seit vielen Jahren! Sie wollten mich fragen, ob ich Rael ermordet habe! Ich bin eine alte Schauspielerin, die sich nicht vormacht, noch immer die jugendliche Liebhaberin zu spielen. Aber ich bin nicht so abgebrüht, einen Intendanten, mag er auch noch so unfähig sein, zu ermorden.
SHYLOCK: Vielleicht nicht. Aber wie gesagt, Sie waren eine überzeugende Lady Macbeth!
DRAWIS: Und Sie meinen, ich bin es noch immer? Darf ich Ihnen eine Frage stellen?
SHYLOCK: Natürlich.
DRAWIS: Denken Sie wirklich, dass ich es war?
SHYLOCK: „Sein oder Nichtsein,“ ich stell hier die Fragen!
Dies elende Gefrag’ nach Mord und Totschlag
In dieser grausen Welt zu führen, oder,
Bewaffnet wie zum Weltkrieg jagen,
Die Schuldlosen und Schuldigen?
OEMOR: (tritt auf) ‘Hamlet’ würde sich im Grabe umdrehen!
DRAWIS: Dritter Akt, erste Szene. Dieser charmante Mensch ist übrigens mein Liebhaber. Ich darf vorstellen: Herr... Shylock Holmes von der Mordkommission, Herr Monty Oemor.
OEMOR: Shylock Holmes?
DRAWIS: Das habe ich ihn auch schon gefragt.
SHYLOCK: Mein Vater war Kaufmann in Venedig.
OEMOR: Sie sind nicht auf die Zunge gefallen.
SHYLOCK: Und auch nicht auf den Kopf.
OEMOR: Das ist ein ungewöhnlicher Name.
SHYLOCK: Das ist ein ungewöhnlicher Fall.
OEMOR: Ich möchte meinen, Sie wurden geboren, ihn zu lösen.
DRAWIS: Der junge Mann möchte mit dir sprechen, Monty. Er hält dich offensichtlich für den Mörder!
OEMOR: Hast du ihm denn nicht gestanden, dass du es warst?
DRAWIS: Du darfst nicht alles verraten. Er ist ein guter Schauspieler, aber er wäre ein beschissener Autor!
OEMOR: Können Sie sich vorstellen, dass sie schon seit 20 Jahren so ist? Sie wollten mich fragen, wo ich zur Tatzeit war. Ich habe gehört, er wurde so gegen Mitternacht umgebracht, da war ich... da waren wir in „Auerbachs Keller“.
SHYLOCK: Zwei Alibis zum Preis von einem. Wäre ich ein misstrauischer Mensch, ich würde das für verdächtig halten.
OEMOR: Sind Sie ein misstrauischer Mensch?
SHYLOCK: Sonst könnte ich meinen Job nicht machen. Haben Sie ihn umgebracht?
OEMOR: „Die blanken Schwerter fort! Sie möchten rosten!
Das Alter hilft Euch besser, guter Herr,
Als Euer Degen.“
‘Othello’,...
DRAWIS: ...erster Akt...
OEMOR: ...zweite Szene!
SHYLOCK: Das beantwortet alles.
DRAWIS: Wirklich?
SHYLOCK: Nein!
OEMOR: Falls Sie noch Fragen haben...
DRAWIS: ...oder einen Beweis...
OEMOR: ...dann stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. (beide ab)
THELLO: (tritt auf) Haben Sie schon was herausgefunden?
SHYLOCK: Hm? Oh, Thello!
THELLO: Inspektor Thello, wie Sie wissen hat man mich inzwischen auch zum Inspektor befördert!
SHYLOCK: Das ist keine Auszeichnung.
THELLO: Einen Beweis!
SHYLOCK: Sehen Sie mich an!
THELLO: Sie haben mich überzeugt!
SHYLOCK: Wollen Sie wissen, wer Rael ermordet hat?
THELLO: Ja!
SHYLOCK: (reicht ihm einen Zettel) Gehen Sie in „Auerbachs Keller“ und finden Sie heraus, ob Frau Drawis und Herr Oemor sich gestern zwischen elf und eins dort aufgehalten haben.
THELLO: Sie schicken mich in eine Kneipe?
SHYLOCK: Was ist daran so ungewöhnlich?
THELLO: Ich hätte nie gedacht, dass Sie sich die Gelegenheit entgehen lassen, während der Dienstzeit und quasi völlig legal in eine Kneipe zu gehen.
SHYLOCK: Geben Sie den Zettel her, Thello, ich werde mich selbst darum kümmern! (reißt THELLO den Zettel aus der Hand)
THELLO: Holmes, Mensch!
SHYLOCK: Ich wusste nicht, dass wir uns menschen!
THELLO: Gut, das Mensch nehm ich zurück. Haben Sie denn nicht eine einzige kleine Information über diesen Fall, die ich dem Chef geben kann? Mich schreit er nämlich an, nicht Sie!
SHYLOCK: Er schreit Sie an? Mich hat er nie angeschrieen. Wahrscheinlich weil er weiß, dass er bei mir damit nicht weiterkommt.
THELLO: Ich versuche ihm ja auch zu zeigen, dass er bei mir damit nicht weiterkommt.
SHYLOCK: Scheint ja super zu funktionieren! Aber wenn er mich schon nicht anschreien kann, muss er Sie ja anschreien können. Als Chef braucht man wohl dieses Training. Haben Sie den Bericht der Spurensicherung?
THELLO: Ja. Den wollte ich Ihnen bringen.
SHYLOCK: Damit kommen Sie erst jetzt raus? Ich hätte Ihnen hier den Mörder auf dem Silbertablett präsentieren können... Also... ‘Urlaubsfotos vom Baggersee’? Geben Sie mir die richtige Mappe!
THELLO: Hier.
SHYLOCK: Hmmmm... Kennt der Chef die Berichte?
THELLO: Ich glaube nicht.
SHYLOCK: Ist ja typisch. Keine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe. Diese Mörder könnten ja auch mal ein bisschen kooperativer sein. Tja, das hilft uns auch nicht weiter.
RASÄC: (tritt auf) „O großer Cäsar! liegst du so im Staube?
Sind alle deine Siege, Herrlichkeiten,
Triumphe, Beuten eingesunken nun
In diesen kleinen Raum? - Gehab dich wohl! -“
THELLO: Wer ist das?
SHYLOCK: ‘Julius Cäsar’, dritter Akt, erste Szene.
THELLO: Und der Schauspieler?
SHYLOCK: Julius Rasäc.
THELLO: Häh?
SHYLOCK: Ja, es klingt merkwürdig, das geb ich zu.
RASÄC: Sie sind von der Polizei?
SHYLOCK: Ja.
RASÄC: Dann nehme ich an, möchten Sie mit mir sprechen!
SHYLOCK: (deutet auf THELLO) Er nicht.