Tuja Tiira

Bung I - Vampire, Vampire!


Скачать книгу

angesiedelt. Seine Tochter betrachtet die Geister als ihre neuen Haustiere und hat sie heimlich mit in die Schule genommen, dort haben sie dem Lehrer den Kautabak stibitzt.

      Eines der Gespenster hat sich zu meinem Haustier erklärt. Das Kleine ist einfach zu niedlich, um es auszutreiben. Außerdem hilft es mir, weniger Süßigkeiten zu essen, da alles Süße blitzschnell im Gespenstermagen verschwindet. Die Mengen, die dieses kleine Gespenst verschlingt, sind erstaunlich.'

      Lisa, die sah, dass Ka die Randbemerkung las, wies auf das Bild an der Wand. "Die handschriftlichen Randbemerkungen sind alle von meiner Ururgroßtante."

      Ka nickte. Auf dieser Buchseite war nichts weiter zu sehen, sie blätterte willkürlich weiter nach hinten. Eine Gans streckte ihr drei mit Moder verschmierte Köpfe entgegen.

       - Schliru - (Höllengans)

       Schlirus, die umgangssprachlich auch als 'Höllengänse' bezeichnet werden, sehen aus wie sehr schmutzige Gänse mit drei Köpfen. Schlirus verursachen nicht nur einen Höllenlärm, weil ihre drei Köpfe dauernd miteinander streiten, insbesondere ihr Mundgeruch ist unerträglich. Der Mundgeruch von Schlirus erinnert an eine Mischung aus überlagertem Schimmelkäse, verbrannten Haaren und Erbrochenem. Der Atem einer Schliru reicht aus, um ein größeres Wohnhaus zu verpesten. Der Blick von Schlirus lässt Menschen kurzzeitig bewegungsunfähig werden. Schlirus haben außerdem die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen. Schlirus lieben alte feuchte dunkle Keller und nisten sich am liebsten in verschimmelten Tuchresten ein.

      Auch hier stand am Rand eine handschriftliche Bemerkung von Lisas Ururgroßtante: 'Einige Werwolfhaare im Stoffbeutel in den Kellerschrank legen, als Mittel gegen Schlirunester. - Das Essen von Schlirueiern hilft bei Vergiftungen durch Zombiebisse.' Ka überlegte, wie Lisas Ururgroßtante wohl an die Werwolfhaare gekommen war.

      Im Folianten waren mehr als tausend unterschiedliche Geschöpfe erfasst. Nicht alle Seiten waren lesbar, ein Teil der Schrift und der Zeichnungen war verblasst und einige Seiten waren halb eingerissen. Sie blätterte noch ein wenig hin und her, Poltergeister, Werwölfe... Die Bilder waren am eindrucksvollsten. An vielen Stellen hatte Lisas Ururgroßtante Randbemerkungen eingefügt. Die Seiten waren seltsam schwer und trotzdem hatte Ka bei jedem Umblättern Angst, sie könnten unter ihren Fingern zerfallen. Sie überlegte, wieso der Foliant aufgeschlagen war. "Hast du was gesucht?"

      "Ach, ich wollte nur was gucken." Auf einmal schien es Lisa wieder eilig zu haben. "Du willst doch sicher auch noch meine Hexenküche sehen, oder?"

      Sie steuerte auf den nach unten führenden Teil der Wendeltreppe zu. Die alte Metalltreppe ging hier in eine noch älter wirkende schmale Steintreppe über, die sich spiralig in ein dunkles Loch nach unten wand. Ka blieb nichts anderes übrig, als Lisa zu folgen. Die Treppe hinab wurde es kühler, an einigen Stellen zerbröselte das Treppengeländer, welches hier aus morschem Holz war. Es fühlte sich an wie grobes Schmirgelpapier. Am Ende der Treppe konnte Ka kaum noch etwas erkennen, nur eine schwere Holztür.

      Lisa öffnete sie mit einem großen Schlüssel. Mit einem tief quietschenden Knarren schwang die Tür auf, Ka spürte, wie sich die Härchen auf ihrer Haut aufrichteten.

      Die Tür schien der einzige Zugang zu diesem Keller zu sein.

      Der Kellerraum war finster, staubig, stickig und gleichzeitig eiskalt. Ka fröstelte es, sie schmeckte die staubige Luft auf der Zunge, der Staub drang ihr in die Nase, sie musste niesen. Außerdem füllte ein süßlich-fauliger Geruch den Keller. Sie sah erst einmal nur die Dinge in ihrer unmittelbaren Umgebung. Der Raum um sie herum wurde unterteilt von den Säulen des Deckengewölbes, alte Regale und Schränke mit dunklen, unübersichtlichen Ecken und dunklen Stoffabhängungen standen hier. Dann fiel ihr Blick auf einen Tisch an der anderen Seite des Raumes unter einem der beiden Kellerfenster. Der Tisch wurde vom Licht, das durch das Fenster fiel, erhellt. Auf dem Tisch stand eine Kristallkaraffe mit einer grünbläulichen Flüssigkeit, die fast von innen zu leuchten schien. Außerdem sah Ka diverse Töpfe, zwei Mörser, einen Tiegel und einige Flaschen und Karaffen mit undefinierbarem Inhalt.

      Lisa schienen der Geruch und der Staub nicht zu stören. Sie war hier unten offensichtlich zu Hause. Sie lief aufgeregt zum Tisch mit der Kristallkaraffe.

      Ka folgte ihr. Ein beißender Geruch stach ihr nun in die Nase und übertönte den süßlich-fauligen Geruch, der ihr vorher den Atem genommen hatte.

      Lisa schüttelte die Karaffe leicht und hielt sie in einen der kleinen Lichtstreifen, die durch das Kellerfenster fielen. Sie sah Ka begeistert an und schien zu erwarten, dass Ka ihre Begeisterung teilen würde. "Ich glaube, es hat funktioniert."

      "Was?" Der Geruch schien Ka durch die Nase ins Gehirn zu steigen und dort kleine, fiese Pfeile abzuschießen.

      "Ich versuche gerade einen Zaubertrunk herzustellen, der dafür sorgt, dass diejenige, die ihn trinkt, anfängt, von innen zu leuchten. Willst du mal probieren? Du wärst die Erste."

      Lisa schien das für eine besondere Ehre zu halten. Sie hielt Ka die Karaffe hin. Ka roch vorsichtig an der Flüssigkeit und stellte sie schnell wieder beiseite. Der beißende Geruch kam eindeutig von der Flüssigkeit. "Ich glaube, ich bleibe bei einer Taschenlampe. Was ist denn da drin?"

      "Ich experimentiere vor allem mit Schimmel."

      "Schimmel?"

      "Ja, ich hatte schon eine ganze Sammlung, aber leider ist der Keller zu trocken. Und ich habe die Töpfe nicht regelmäßig gegossen."

      Lisa ließ den Kopf leicht hängen und deutete auf ein Regal, in dem alte Marmeladengläser mit vertrocknetem, staubigem, undefinierbarem Inhalt standen.

      Auf einem beschädigten Porzellanteller lag im Regal auch noch eine glibberige Masse, die nach Schuhkreme roch. Ka berührte sie leicht mit dem Finger, die Masse fühlte sich an wie eine Mischung aus Wackelpudding und Rotz. Sie wischte ihren Finger an einem alten Sack ab, der Farbe nach hätte es auch gut Rotz sein können.

      "Und was ist das?"

      "Eine Hexensalbe, die hilft gegen Warzen. Du kannst dir gerne was davon nehmen."

      "Danke, aber ich hab‘ da keine Probleme. Hast du sie schon ausprobiert?"

      "Leider nein, mein Vater wollte sie nicht, obwohl ich sie extra für ihn hergestellt habe."

      Ka tippte noch einmal vorsichtig die glibberige Masse an. "Was ist da drin?"

      Lisa fing sofort an, mit Eifer zu erzählen. "Laut Rezept hätte ich die verquirlte Galle einer bei Vollmond gestorbenen schwarzen Katze verwenden müssen und dazu das Blut einer frisch geschlachteten Ratte, etwas zerdrückte Champignons und saure Milch. Ich verwende aber grundsätzlich keine Bestandteile von toten Tieren, also habe ich die Galle durch den Sud von in Essig zerstampften Brennnesseln ersetzt und das Rattenblut durch frisch gepressten Kirschsaft. Ich habe mich einfach an der Farbe orientiert. Das ganze habe ich dann auf kleiner Flamme mit etwas Margarine verrührt."

      "Und du meinst, das hilft?"

      Kas Stimme war die Skepsis anzuhören, doch Lisa schien das nicht zu bemerken. "Ich fange ja erst an. Willst du es nicht doch ausprobieren?"

      "Nein danke, wieso probierst du es nicht selber aus?"

      Lisa zuckte traurig mit den Schultern. "Ich habe leider keine Warzen. Und außerdem darf ich das als einzige Hexe hier leider nicht. Ich muss schließlich da sein, falls es doch mal Probleme gibt, Überempfindlichkeiten, allergische Reaktionen oder falls irgendetwas Unerwartetes passiert.

      Falls mir selbst etwas passieren würde, gäbe es ja keine Hexe, die mir dann noch helfen könnte." Sie blickte traurig auf die glibberige Masse und dann auf die leuchtende Karaffe, doch dann wich ihr Trübsinn einem Lächeln. "Vielleicht treffe ich ja irgendwann einmal eine andere Hexe, dann kann ich alles selber ausprobieren."

      Ka sah sich weiter um. Irgendwo klapperte etwas und an einer anderen Stelle raschelte es.

      Sie dachte an Mäuse oder Ratten und dann an die Wesen aus dem Folianten. Es fröstelte sie erneut.

      Das zweite Kellerfenster war fast zugewachsen und halb durch ein Regal verdeckt, nur mühsam