Tuja Tiira

Bung I - Vampire, Vampire!


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Weile, um in der Tiefe des Gewölbes mehr als nur Umrisse zu erkennen. Überall hingen Spinnweben.

      Der Kellerraum war halb Rumpelkammer und halb Hexenküche, überall standen Dinge herum und in einer Ecke befand sich ein weiteres Regal mit Tinkturen und Pulvern in alten Marmeladen- und in Einmachgläsern. In der Nähe des zweiten Fensters hing im Halbschatten ein Skelett und schlenkerte mit einem Arm. Das Klappern der Knochen war deutlich zu hören. Die Knochenhand schien ihr aus dem Dunkel heraus zu zuwinken. Ka zuckte zusammen. Einen kurzen Moment lang hatte sie das Gefühl, das Skelett würde sich ihr nähern. Doch es war nur der Wind, der die alten Knochen bewegte, sie spürte den Luftzug, das Fenster war undicht.

      Irgendwo raschelte erneut etwas.

      Beim zweiten Hinschauen im Halbdunkel erkannte Ka nun, dass viele der Dinge sehr seltsam aussahen; überall funkelten Metall und Glas in den dunklen, grünen Lichtstrahlen. Zwar stand hier auch ein alter Schlitten, doch wozu diente der alte gusseiserne Ring in der Größe eines Hula-Hoop-Reifens, der mit vielen kleinen Spiegeln versehen war? Und wozu war die metallisch glänzende Kugel mit einem Loch, das dort aber scheinbar hineingehörte, und der Würfel aus lauter Spiegeln gut? Weiter hinten standen noch andere Apparate mit vielen Rädern, Spiegeln, Linsen, metallischen Federn und verwirrenden Mechaniken.

      "Das sind alles Apparate meiner Ururgroßtante, ich weiß nicht genau, wozu sie gut sind. Wenn du willst, probieren wir was aus. Irgendwo oben in den Büchern ist das meiste sicher auch beschrieben. Aber ich finde, ausprobieren geht schneller." Lisa hatte den Würfel aus Spiegeln in die Hand genommen und drehte ihn.

      Doch Ka winkte ab. "Nein, lass das lieber – ein anderes Mal vielleicht." Irgendetwas beunruhigte sie daran.

      "Wie habt ihr das hier alles reinbekommen?"

      Enttäuscht legte Lisa den Würfel zurück in eins der alten Holzregale, dann zeigte sie auf eine Holzkonstruktion an einer der Außenwände. "Dahinter ist eine Klappe nach außen, du kennst das vielleicht von den Kellern von Wirtshäusern, da kann man alles durchreichen."

      In einer Ecke im hinteren Teil des Kellerraumes sah Ka eine große Holzkiste. In der Ecke war es so dunkel, dass sie nichts Genaues erkennen konnte. Sie hatte aber kurz den Eindruck, als ob dort etwas über den Boden laufen würde. Ka ging hin, um sich das genauer anzusehen.

      Auf einmal spürte sie etwas über ihr Hand laufen, irgendetwas krabbelte auf ihr herum. Überall sah sie auf einmal Spinnen, kleine schwarze Spinnen, überall auf dem Boden, auf ihren Hosenbeinen, und Spinnen, die an ihr hochkletterten.

      "Vorsicht, beweg’ dich nicht, du trittst sie sonst tot!" Das war Lisas Stimme, die ihr gefolgt war. "Du darfst Ihnen nichts tun! Ich ziehe sie hier groß."

      Es wäre sicher eine Übertreibung, zu sagen, dass Ka Spinnen mochte, aber sie hätte niemals zugegeben, dass sie Angst vor Spinnen hatte. Sie blieb einfach wie festgefroren stehen, das fiel ihr nicht schwer. Lisa beeilte sich die Spinnen von Ka abzusammeln. Zum Glück war Lisa sehr routiniert im Spinneneinsammeln. Sorgsam verfrachtete sie die Tiere in die große Holzkiste zurück. "Ich versuche, sie zu dressieren, aber sie büxen immer wieder aus."

      Kurz glaubte Ka wieder etwas Blassgrünes zu sehen, das sich bewegte, weiter hinten unter einem Regal. Aus der Entfernung sah sie nur etwas altes verfaultes Gemüse, doch sie entschloss sich, dieses nicht genauer zu untersuchen. Für den Moment hatte sie genug von krabbelnden Überraschungen. Außerdem hat sie genug von diesem Gewölbe, sie brauchte frische Luft. Hier schien der kalte Staub in der Luft zu stehen, kein Wunder das Lisas Kleid so schmutzig war. Sie sah Lisa an. "Ich muss leider langsam los."

      Lisa nickte enttäuscht, nahm aber noch eine Flasche mit dunkler Flüssigkeit mit nach oben.

      An der schweren Tür in der Ecke eines Regals fiel Ka noch ein alt aussehendes, großes Einmachglas mit einem schwach weiß leuchtenden Pulver auf.

      Das Glas war etwas länglicher als gewöhnliche Einmachgläser und der Deckel lag nicht flach auf, sondern fasste in einen Glaswulst an der Oberkante hinein. Das Glas selbst war leicht grünlich und im Glas war ein Siegel eingeprägt.

      "Was ist das?"

      "Gespensterpulver, das ist von meiner Ururgroßtante, damit kann man laut ihrer Beschreibung unsichtbare Geister sichtbar machen, aber nur kurz." Ka schaute ungläubig, aber Lisa schien das ganz normal zu finden. Sie lächelte Ka schüchtern an. "Wir können noch auf den Dachboden gehen und die Beine in der Luke nach draußen baumeln lassen, da hast du einen tollen Ausblick. Falls du Lust dazu hast."

      Ka hatte eigentlich gehen wollen, aber sie merkte, dass Lisa gerne wollte, dass sie noch blieb, also stimmte sie zu.

      Die alte metallene Wendeltreppe in der Bibliothek führte in einer engen Spirale durch einen finsteren, runden, steinernen Schacht ohne Fenster am ersten Stock vorbei weiter nach oben. Lisa ging vorweg.

      Ka tippte Lisa auf die Schulter, "Habt ihr keine Lichtschalter?"

      "Fledermauspisse, das habe ich vergessen." Lisa klang zerknirscht. "Hier gibt es kein Licht, aber ich kann Kerzen besorgen. Tut mir leid, ich bin unaufmerksam, ich kenne hier jeden Winkel und finde mich ohne Kerzen zurecht. Geht es?" Ka nickte, obwohl Lisa das nicht sehen konnte. "Ist schon gut."

      Die Treppe ging von der Metalltreppe in eine Steintreppe über und dann in eine Holztreppe. Ka spürte das eher, als dass sie es sah. Sie endete in einem alten Schrank aus rohem Holz. Als sie heraustrat, blendete sie einen kurzen Augenblick lang die Helligkeit. Sie stand auf dem Dachboden neben einem Schornstein, hinter ihr die Geheimtreppe. Von außen war nur der alte Schrank zu sehen.

      Der Dachboden war riesig und sicher im Giebel fünf Meter hoch und doch stand fast alles voll. Hinter alten Möbeln lagen Matratzen und alte Koffer, dazwischen Kartons, Schachteln, Holzteile, ein halbes Fahrrad, alte Bilder und vieles, was auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen war.

      Durch Dachluken, Erker und Seitenfenster fiel das Licht herein und durchdrang die Schatten. Insekten schwirrten umher.

      Plötzlich sah sie sich selbst verschwommen und völlig verzerrt. Zwischen den Bildern stand ein alter, fleckiger Hohlspiegel. Einen Augenblick lang schnitten Lisa und sie lachend Grimassen. Dann zog Lisa sie weiter.

      Unweit von ihnen war eine Luke mit einem Balken, der nach draußen führte, und an dem früher Güter hochgezogen worden waren. Vor der Luke war auf dem Dachboden ein größerer freier Raum.

      Sie öffneten die Luke, setzten sich an die Kante und ließen die Beine herabbaumeln.

      Ka genoss erst einmal die Sonne und die frische Luft. Es wurde schon Abend, ewig konnte sie nicht mehr bleiben. Sie konnte in den Garten ihres Hauses hinüberblicken. Ihr Vater nahm gerade die Wäsche von der Leine ab. Auch der hintere Teil des Gartens war von hier aus zu sehen. Die Bäume warfen lange Schatten, Mauersegler jagten Mücken. Am Himmel waren jetzt einige Wolken aufgezogen. Der Ausblick war wirklich gut. Ka reckte sich und sog die Luft ein. Lisa saß neben ihr und freute sich darüber, nicht allein zu sein.

      Beide ahnten nichts von dem tiefschwarzen Hund der Nacht, der immer noch unten in der Finsternis der Büsche lauerte und sie beobachtete. Woher hätten sie auch davon wissen sollen?

      Ka dachte über Lisa und ihr Leben hier in diesem Haus nach. "Vermisst du deine Mutter gar nicht?"

      "Nein, sie meint immer nur, dass es Zeit wäre, dass ich erwachsener würde. Und dann will sie immer, dass ich mich mal schick anziehe. Und sowieso soll ich mehr mit Freundinnen und Jungs unternehmen und nicht immer nur hier rumwühlen. Ich soll mehr mit anderen machen. Sie versteht einfach nicht, dass ich eine Hexe bin."

      Ka nickte. "Meine Mutter will auch immer nur, dass ich mal mein Zimmer aufräume oder im Garten helfe oder für die Schule lerne und die wirklich wichtigen Dinge sind ihr egal. Ich will was erleben, irgendetwas Ungewöhnliches, und nicht Rasen mähen. Was ist mit deiner älteren Schwester?"

      "Tine - eigentlich heißt sie Christine - aber alle nennen sie Tine. Manchmal ist sie ganz okay. Aber sie ist fast vier Jahre älter als ich und alles, was ich mache, ist für sie Babykram. Sie interessiert sich zurzeit nur dafür abends wegzugehen, zu tanzen und zu trinken, aber das ist meiner Mutter