Tuja Tiira

Bung I - Vampire, Vampire!


Скачать книгу

      "Die sehen schon aus wie Zombies", flüsterte Lisa, ihr wurde doch etwas mulmig.

      "Das könnten auch Lehrer sein", erwiderte Sara. "Die stehen da rum, als hätten sie hier die Pausenaufsicht."

      "Zombies oder Lehrer, auf jeden Fall schlägt der Detektor aus und das sollten wir untersuchen." Ka sah die anderen beiden an. "Dafür sind wir doch hier." Ka betrachte die beiden Männer unauffällig genauer.

      Die zwei Männer trugen Trenchcoats, Hüte, teure Schuhe und Sonnenbrillen. Die Haare waren kurz geschnitten. Die Männer waren kräftig gebaut. Auf den ersten Blick sahen sie absolut durchschnittlich aus Gleichzeitig wirkten sie irgendwie gemein. Beide waren seltsam bleich, selbst im Schatten, und ihre Mundwinkel waren dünnlippig nach unten gezogen. Für die Mäntel und Hüte war das Wetter außerdem eindeutig zu warm. Sie schienen etwas zu suchen.

      "Wollen wir rüber gehen?" Ka wollte gerade los, da fiel ihr auf, dass der Detektor noch an einer anderen Stelle ausschlug. Etwas weiter abseits am Kanal, nicht weit von ihnen, saß im Schatten der Bäume am Ufer auf einem Steinpfosten ein Junge, der ungefähr in ihrem Alter sein musste, und las ein Buch. Ab und zu blinkten die Lichtstrahlen durch die Zweige, trafen den Jungen und zeichneten sich bewegende Muster auf die Erde, die Büsche und das Wasser des Kanals.

      Auch der Junge trug einen Hut, was für einen Jungen in seinem Alter zwar etwas seltsam wirkte, ihm aber ein cool- melancholisches Aussehen verlieh. Ka war sich sicher, dass er genau das beabsichtigt hatte. Dazu passten auch das weiße, etwas altmodische, aristokratische Hemd und die perfekt sitzende schwarze Hose mit Schlag. Die schwa

      rzen Sneaker, die er trug, wirkten zwar etwas unpassend, insgesamt erhöhten sie aber den Ausdruck von Coolness.

      Für einen Ausflug auf den Markt sah der Junge eigentlich zu schick aus. Er trug außerdem ein schwarzes Armband. Ka meinte kurz, ein dunkelgrünes Leuchten zu sehen, das vom Armband ausging.

      Sara hatte den Jungen auch bemerkt: "Lass uns zuerst zu dem Jungen gehen, der sieht harmloser aus. Bei den Männern wissen wir nicht, was sie tun werden."

      Sie entschieden sich, unauffällig an dem Jungen vorbeizugehen.

      So einfach war das aber nicht. Lisa lief aufgeregt zwischen Ka und Sara hin und her und löcherte sie flüsternd mit Fragen: "Was meint ihr, ist das ein Zombie? Oder ein Werwolf? Vielleicht ist er doch gefährlich!" Zwischendurch starrte sie dabei immer wieder den Jungen an. Selbst einem Menschen im Tiefschlaf musste das auffallen.

      Der Junge sah sie auch, beachtete sie aber zum Glück nicht weiter. Er war ganz in das Buch vertieft, nur ab und zu sah er zum Markt hinüber. Ka schien es, als würde er unauffällig die Männer in der Einfahrt beobachten, die ihrerseits wiederum die ganze Zeit irgendetwas auf dem Markt suchten. Sie schienen sich zu bemühen, insbesondere die Gemüsestände im Blick zu behalten.

      Ihr fiel dort aber nichts auf.

      Dann erreichten die drei Mädchen den Schatten der Bäume. Im Dunkel der Baumwipfel war es kühl.

      Das Stimmengewirr des Marktes trat in den Hintergrund. Ka hörte ihre eigenen Atemgeräusche und das Rascheln von Lisas Kleid. Sie spürte den Lufthauch der Bewegung ihrer Freundinnen. Einen kurzen Moment lang kam ihr die Situation unwirklich vor, wie ein Traum.

      Der Junge war wirklich nicht älter als sie und sah nicht gefährlich aus, sondern eher etwas verträumt. Auch sein Haarschnitt schien aus einer anderen Zeit zu sein, die etwas längeren schwarzen Haare betonten noch das schmale blasse Gesicht und die dunklen Augen. Ka und Sara schauten unauffällig über den Jungen hinweg, als sie an ihm vorbeigingen.

      Lisa hatte die ganze Zeit darüber nachgedacht, was sie tun sollte, der Junge sah wirklich harmlos aus, sie hätte ihn am liebsten angesprochen. Ihr fiel aber nichts ein. Sie wollte unbedingt wissen, was der Junge war, vielleicht ein Geist oder ein Zombie, außerdem hatte sie ihre eigenen Gründe, aus denen sie nicht wieder zum Markt wollte. Als sie den Jungen erreichte, rutschte ihr die Frage einfach heraus. "Bist du ein Zombie?"

      Sara und Ka verdrehten die Augen, das hatten sie sich unter ‚unauffällig’ nicht vorgestellt. Doch der Junge reagierte anders, als erwartet. Einen Augenblick lang sah er Lisa, Ka und Sara nur still an, er schien über etwas nachzudenken, dann wandte er sich an Lisa. "Sehe ich so aus? Zombies sind widerlich. Ich bin ein Vampir, das siehst du doch."

      Lisa fragte einfach weiter: "Und die da drüben?"

      "Aufsichtsbehörde für jugendliche Vampire."

      "Sind die wegen dir hier?"

      "Dann würde ich hier nicht mehr sitzen. Die suchen was. Ich habe aber auch noch nicht herausbekommen, was sie suchen und ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Sie beobachten die Gemüsestände. Ich weiß nicht was, aber die Aufsichtsbehörde hasst alles, was ungewöhnlich ist.

      Und sie hassen Menschen, die zu viele Fragen stellen. Ich dürfte über all das gar nicht mit euch reden."

      Ka unterbrach ihn: "Wieso redest du dann mit uns?"

      Der Junge senkte den Blick. Ka hatte kurz den Eindruck, dass er etwas sagen wollte und es dann doch unterließ.

      Lisa sah beunruhigt zu den Männern hinüber, die ihr nun Angst machten. "Wie angeekelt die gucken."

      Der Junge rutschte vom Pfahl herunter und zuckte mit den Schultern. "Die Vampire der Aufsichtsbehörde schauen immer so." Dann klappte er das Buch zu. Lisa sah, dass es mindestens so alt war wie die Bücher in ihrer Bibliothek. Ka sah ihn an. "Und du gehorchst ihnen?"

      "Nein", der Junge schüttelte den Kopf.

      "Dann kannst du doch ruhig weiter mit uns reden." Sie stellte sich und die anderen vor. "Ich bin Ka, dies ist Sara und das Lisa."

      Ein kurzen Moment lang zögerte der Junge erneut, dann nickte er. "Ich bin Kolja."

      Ka grinste innerlich. Sie glaubte Kolja nicht – 'Vampir' – so wie er hier am hellen Tag saß, musste das eine Lüge sein. Und sie hatte sich vorgenommen, ihn als Lügner zu entlarven, trotz Zeigerausschlag des Untot-Detektors. Außerdem war Kolja kleiner als sie, nicht viel, aber kleiner, und er wirkte, als ob er viel Zeit mit Träumen verbringen würde.

      Kolja sah die Mädchen an. "Habt ihr gar keine Angst?"

      "Nein." Ka war das Ganze langsam zu dumm, Kolja hatte nicht einmal Vampirzähne. Lisa hätte nicht so klar mit einem ‚Nein’ geantwortet, sie schwankte die ganze Zeit zwischen Angst und Neugier, überließ aber Ka das Sprechen. Sara wirkte, wie fast immer, unbeteiligt.

      Kolja sah Ka überrascht an. "Die meisten Menschen sind nicht so vernünftig, und glauben, dass Vampire sie aussaugen". Einen kurzen Moment lang schwieg er und blickte Ka in die Augen, dann fuhr er fort: "Übrigens treten die Vampirzähne bei Vampiren nur kurz bevor sie zubeißen hervor, bei Hunger und Wut, falls du, nur weil du meine Zähne nicht siehst denkst, ich wäre kein echter Vampir."

      Ka zuckte leicht zusammen. Es war, als hätte Kolja ihre Gedanken gelesen. Trotzdem gab sie sich bewusst selbstsicher, selbstsicherer als sie war. In gewollt lockerem Tonfall antwortete sie: "Das habe ich mir schon gedacht." Trotzig wagte sie sich noch einen Schritt vor. "Lass uns doch wo anders hingehen. Wohnst du hier in der Nähe?"

      Kolja überlegte kurz. "Ja, aber wieso sollte ich euch vertrauen?"

      "Wieso nicht?" Ka grinste, "hast du Angst vor uns?"

      Der Junge, der sich als Kolja vorgestellt hatte, zögerte wieder einen Augenblick lang. Sie hatte wieder den Eindruck, dass er nicht alles sagte. Irgendetwas schien ihn an Sara, Lisa und ihr zu interessieren. Sie hoffte, dass er sie nicht als Mittagsmahlzeit ansah. Sie fühlte sich etwas unwohl. Doch dann schob sie das Gefühl beiseite, schließlich glaubte sie Kolja nicht, dass er ein Vampir war. Trotzig sah sie ihn an. Kolja erwiderte ihren Blick. "Nein, ich habe keine Angst vor euch, ihr könnt mitkommen, wenn ihr wollt. Unser Schloss ist vier Straßen weiter. Meine Eltern sind zurzeit auf einem Kongress. Und meine Mutter will sowieso immer, dass ich mehr mit anderen unternehme und nicht die ganze Zeit nur drinnen hocke, Filme anschaue und lese." Leise fügte er hinzu: "Obwohl sie dabei wohl nicht an Menschen gedacht hat." Mehr zu sich selbst als zu Ka, Sara und Lisa ergänzte er