Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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du deins!“

      Er weiß, was ich meine und raunt betroffen: „Ich habe seit Montagabend nichts mehr genommen.“

      Ich sehe ihn sprachlos an. „Drei Tage?“

      Er nickt und ich kann nicht anders. Ich falle ihm um den Hals. „Das ist ja unglaublich! Und ich habe das nicht mal mitbekommen.“

      „Dr. Bremer hätte das sofort gemerkt. Sonntag konnte ich mich noch rausreden, dass es von einer Party am Samstag war. Aber alles andere hätte ihn stutzig gemacht.“

      „Wir laden Dr. Bremer jetzt jede Woche zu uns ein“, freue ich mich. Doch Erik brummt nur: „Das wird aber teuer.“

      Ich werde ernst. „Kostet der Einsatz für mich dich etwas?“

      „Hundertprozentig!“

      „Ich gebe dir das Geld wieder“, raune ich betroffen.

      Diesmal kann Erik nur lachen. „Das brauchst du nicht. Das geht auf meine Eltern. Und du wirst es nicht glauben, aber sie würden dir Dr. Bremer kaufen, wenn du einfach nur bei mir bleibst und mich weiter auf den rechten Weg bringst.“

      Ich sehe ihn verunsichert an. Seine Worte sprudelten so böse über seine Lippen, dass ich nur traurig auf meine Teetasse starre. Er scheint wütend auf mich zu sein, weil ich so geschwächelt habe und er deshalb gezwungen war auf seine Drogen zu verzichten.

      Erneut wird mir klar, dass ich in seinem Leben nur zweitrangig bin.

      „Wenn du deine Drogensucht so sehr liebst, dass du sie gerne behalten willst, dann tu dir keinen Zwang an“, murmele ich und stehe auf.

      Ich bin nicht dazu aufgelegt, mich heute mit ihm wegen seinem Scheiß zu streiten. Ich habe meine eigenen Probleme und wenn er meint, dass „mein rechter Weg“ nicht seiner ist, dann muss er es bleiben lassen. Ich kann heute nicht für zwei kämpfen und ich muss arbeiten gehen, sonst werde ich hier noch verrückt. Die letzten Tage waren so emotional und aufreibend und haben mich an die Grenze des Ertragbaren gebracht. Ich will hier nicht zu Hause sitzen und grübeln müssen. Alles andere erscheint mir besser.

      Im Badezimmer föhne ich mir die Haare und Erik erscheint in der Tür. „Wenn du heute schon arbeiten gehst und wieder einen Zusammenbruch hast, dann bist du selbst schuld.“, knurrt er bissig, greift nach seiner Jacke und geht.

      Einen Moment bleibt mir die Luft weg, weil er so wütend ist. Und er ist es diesmal wegen mir und nur, weil er seinen Willen nicht durchsetzen kann und auf Entzug ist.

      Mich auf den Toilettendeckel setzend spüre ich, dass ich es nicht ertrage, wenn ich mich mit ihm streite. Und wir haben schon fast eine Woche nicht mehr miteinander geschlafen und ich habe plötzlich Angst, dass mir seine Liebe entgleitet.

      Es klingelt einige Zeit später an der Wohnungstür. Ich gehe durch den Flur, um sie zu öffnen und frage mich, ob das Erik ist.

      Aber es ist Ellen, die mich entrüstet ansieht. „Du willst heute einkaufen und arbeiten gehen? Bist du dir sicher?“

      Ich seufze auf. „Ich muss hier raus, sonst werde ich verrückt!“

      Ellen nickt. „Das habe ich mir gedacht. Und Erik ist auch nicht mit der Zange anzufassen. Er ist unten bei Daniel aufgekreuzt und hat rumgetobt, bevor die beiden zur Uni gefahren sind.“

      „Nah, dann hat er sich ja wenigstens noch schnell seine heiß geliebte Dröhnung abholen können“, brumme ich leise und mehr zu mir selbst.

      Aber Ellen hat es doch gehört und grinst. „Er hat abgelehnt! Daniel war auch davon ausgegangen, dass er etwas braucht. Irgendwie hat er wohl zwei oder drei Tage ausgehalten, weil er unserem Doktor etwas vormachen wollte. Aber ich habe gehört, wie er zu Daniel sagte, dass er es noch länger schafft.“

      Ich starre Ellen mit großen Augen an. Erik ist nicht losgezogen, um sich seine Dröhnung zu verpassen? Ich schwöre mir, wenn er heute Nachmittag immer noch nichts genommen hat, werde ich alles tun was er sagt.

      Tatsächlich schaffe ich nur die Wohnung sauber zu machen. Das Einkaufen ist mir schon zu viel und ich hatte Alessia schließlich geschrieben, dass ich heute noch arbeiten komme. Also muss ich das auch tun.

      Ellen will mich unbedingt zum Cafe bringen und kommt gerade aus Daniels Wohnungstür, als ich die Treppe hinuntergehe. Als ich aus dem Haus trete, fährt der Mustang auf den Hof und Erik steigt aus.

      „Du gehst nicht wirklich?“, knurrt er und sieht mich wütend an.

      Ich gehe zu ihm, um mir die Bestätigung zu holen, dass er wirklich noch clean ist. Seine braunen Augen funkeln mich so zornig an, dass ich zurückschrecke. Aber dann schiebe ich ihm meine Hand in den Nacken und gebe ihm einen Kuss. „Lass es mich versuchen. Ich verspreche dir, wenn ich irgendwie das Gefühl habe, es geht mir schlecht, komme ich nach Hause. Bitte, sei mir nicht böse.“

      Ein Blick zu Daniel, wieder ein stummes Zwiegespräch und er sieht mich wieder an. „Gut! Wenn du meinst!“ Sein Blick wandert zu Ellen: „Du schaust nach ihr!“

      „Natürlich! Willst du einen Bericht, wenn ich sie abgeliefert habe?“ Ellen grinst frech.

      „Wenigstens!“, antwortet Erik und seine Augen blitzen kurz auf, aber sein Gesichtsausdruck bleibt ernst.

      Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und raune leise. „Und viel Erfolg weiterhin, mein Schatz!“

      Er sieht mich verständnislos an. Doch dann scheint ihm ein Licht aufzugehen und er lächelt kurz. „Danke! Und lass du dich nicht von dummen Brüdern ansprechen.“

      Jetzt geht auch mir ein Licht auf. Erik geht es nicht nur um meinen Gesundheitszustand. Er hat Angst, dass Julian oder Tim mich ausfindig machen.

      „Keine Sorge! Ich passe auf mich auf.“

      Er nickt leicht und raunt leise: „Es wird heute Abend später! Wir müssen nach der Uni noch etwas erledigen.“

      Ellen küsst ihren Daniel, der wieder in den Mustang steigt. Ich werfe den beiden einen unschlüssigen Blick zu. Dass Erik immer noch dubiosen Geschäften nachgeht, beunruhigt mich.

      „Okay, ich werde auf dich warten“, antworte ich und streiche ihm über die Wange.

      „Ich komme auf alle Fälle! Bitte pass auf dich auf!“, bittet er mich noch einmal eindringlich und an seinem Blick sehe ich, dass er sich die größten Sorgen macht.

      Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und küsse ihn. Als ich ihn wieder ansehe, wird seine Sorge von Liebe überdeckt. „Natürlich!“, antworte ich leise, als Ellen neben mir auftaucht und mich am Arm mitzieht. „Rumknutschen könnt ihr heute Abend noch“, sagt sie lachend und winkt Daniel noch mal zu.

      Ich lasse mich von ihr mitziehen.

      Der Mustang fährt wenig später an uns vorbei. Die beiden müssen zur Uni zurück und ich freue mich auf meine Arbeit. An diesem Nachmittag auch noch allein zu Hause zu sitzen und Zeit zum Grübeln zu haben hätte ich nicht ausgehalten.

      Vor dem Sofa kniend, küsst Erik mich aus dem Schlaf.

      Ich öffne die Augen und sehe mich verwirrt um. Draußen vor dem Fenster hat die Nacht schon den Tag eingeholt.

      Ich war nach der Arbeit todmüde auf das Sofa gefallen und sofort eingeschlafen. Nun brauche ich einen Augenblick, um wieder ins Hier und Jetzt zu finden und spüre noch das warme Gefühl in meinem Bauch, das von meinem Traum herrühren muss. In ihm war ich nicht allein in meiner Wohnung gewesen. Alle waren da! Tim, Julian, Marcel, Ellen, Daniel, meine Eltern … sogar Alessia und Professor Knecht. Und ich ging von einem zum anderen, glücklich, weil alle sich so gut verstanden …

      „Es tut mir leid“, flüstert Erik und schaut auf seine Hände, die meine halten.

      Beunruhigt setze ich mich auf. „Was tut dir leid?“, frage ich besorgt.

      Als Erik mich ansieht, weiß ich Bescheid.

      „Ich komme mit der Angst um dich sonst nicht klar“, murmelt