Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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Seine eindringlichen Worte zeigen mir erneut, wie sehr er sich sorgt, wenn er nicht in meiner Nähe ist und mir fallen Ellens Ausführungen über den neuen Erik ein.

      „Okay. Ich verspreche es dir“, kann ich daraufhin nur ergeben antworten.

      Wir schließen ab und gehen. Die Sonne erstrahlt an diesem schönen Abend mit ihrer letzten Kraft. Ich habe Hunger und möchte etwas zum Essen mitnehmen, aber Erik teilt mir mit, dass Ellen uns zu Daniel eingeladen hat und wir da etwas essen werden.

      „Kocht Ellen selber?“, frage ich und muss lachen.

      „Sicher, dafür geht sie schließlich in eure Schule. Da wird sie das doch wohl lernen! Oder was macht ihr da den ganzen Tag?“

      „Stimmt! Aber sie ist überall super … nur nicht in Kochen.“

      „Wir werden es überleben.“ Erik lächelt und sein Gesichtsausdruck sagt mir, dass er alles ertragen wird, was Ellen ihm auftischt.

      Als wir um die Hausecke biegen, steht neben dem Mustang und dem BMW ein Pickup. Sofort bleibt Erik stehen und zieht mich zurück.

      Ich sehe ihn verwirrt an und sein Gesichtsausdruck ist erschreckend ernst.

      „Scheiße, was wollen die denn?“, raunt er.

      In dem Moment geht die Tür der Pickups auf und der Kerl springt heraus, dem ich schon mal im Treppenhaus begegnet war.

      „Erik! Wir dachten, wir sehen mal nach dir. Irgendwie scheinst du dich in letzter Zeit rar zu machen. Was ist los?“ Er kommt auf uns zu und Erik schiebt mich hinter sich.

      „Ah, ich sehe den Grund. Jaja! Ich habe schon gehört. Erik in Love! Oh Mann! Und auch, dass du sittsam werden willst. Schade! Wirklich schade! Wir hatten doch noch so einiges mit dir vor.“ Der Typ erreicht uns und baut sich vor Erik auf. Er ist noch ein kleines Stück größer als Erik. Ich sehe die tätowierten Arme und rieche den Schweißgeruch, den der Typ verströmt. Im Gesicht hat er überall Piercings, vor allem seine Lippe ist voll davon. Seine schwarzen Haare sind teilweise kurz geschoren und seine hellblauen Augen richten sich auf mich.

      Ich versuche mich noch kleiner zu machen und ganz hinter Erik zu verschwinden.

      „Ich bin raus aus der Sache. Seit Hamburg ist es besser, ich halte eine Zeitlang die Füße still. Und Daniel auch! Wir haben dort echt Lehrgeld bezogen“, murrt Erik in seinem mürrischen Gangstertonfall.

      „Ach Quatsch! Du hättest dich nie von so etwas einschüchtern lassen, wenn dich nicht plötzlich etwas weichgemacht hätte.“ Das falsche Grinsen, das der Typ aufsetzt, ist widerlich und von einer Arroganz, die durch seine Aufmachung unwirklich erscheint. Ich halte ihn für einen schmierigen, übelriechenden, tätowierten Punkverschnitt, der nicht nur hirnlos, sondern auch noch aufgepumpt und hässlich ist.

      „Das Püppchen sollte dir Geld einbringen und nicht dein Leben bestimmen! Du hast das Zeug dazu, dir einen ganzen Stall der Besten aufzubauen. Und stattdessen steigst du aus“, murrt der Typ missbilligend.

      Seine Worte machen mich wütend. Es soll Erik mit seinem Scheiß in Ruhe lassen.

      Der brummt: „Vergiss es! Ich bin raus! Auch wenn es dir nicht passt.“

      „Das meinst du jetzt nur, weil du noch meinst verliebt zu sein. Das vergeht und ich und Sam können dir da ganz schnell drüber weg helfen. Kein Weib ist es wert, sich seine Karriere zu zerstören. Und die Kleine sowieso nicht! Oder ist an der etwas besonders?“

      Eine Hand greift um Erik herum und packt mich am Oberarm. Er zieht mich aus Eriks Deckung und sieht mich von oben bis unten an. „Die kleine Hexe hätte ich damals schon gefügig machen sollen, dann wäre das alles nicht passiert“, raunt er und Erik schlägt seinen Arm weg. „Pack sie nicht an!“, faucht er und ich spüre die Angst, die sich langsam in meine Adern schleicht, als auch der andere Typ aus dem Pickup steigt, genauso fies grinsend und genauso widerlich stinkend und mit einem schwarzen Muskelshirt, einer Jeanshose und Springerstiefeln bekleidet, wie der andere Typ auch. Sein tätowierter, durchtrainierter Oberkörper wirkt erschreckend bedrohlich. Seine Haare sind auch kurz geschoren, bis auf einen geflochtenen Zopf im Nacken, der sich über die Schulter die Brust hinunter schlängelt. Er muss bestimmt dreißig Zentimeter lang sein.

      „Hey, was ist los, Teddy?“, hören wir hinter den beiden jemanden rufen und ich atme erleichtert auf. Daniel, der gegen die beiden wie ein schmächtiger Junge wirkt, erscheint an unserer Seite und schiebt mich ein wenig in den Hintergrund. „Gibt es ein Problem?“

      Dieser Teddy schaut mich durchdringend an und ich zucke unter dem Blick zusammen. „Ich weiß nicht? Erik will wohl unsere geschäftliche Zusammenarbeit beenden … und ich kann das nicht akzeptieren“, brummt Teddy, für den dieser Name echt lachhaft ist.

      „Lass uns erst mal Luft holen. Hamburg hat uns wirklich zugesetzt. Wir brauchen etwas Zeit und werden uns dann bei euch melden“, höre ich Daniel sagen.

      „Ihr seid doch jetzt nicht weich geworden?“, brummt der andere Typ, den ich für Sam halte, mit einer Stimme, die mir das Blut gefriert. Diesmal ist es seine Hand, die vorschnellt und mich am Handgelenk packt. „Aber wenn ihr meint! Ihr könnt ja gehen, wenn ihr wollt“, raunt er und hält mich fest, unmissverständlich damit andeutend, dass ich aber bei ihnen bleiben werde.

      Erik rührt sich nicht und Daniel sagt auch nichts.

      Teddy beginnt zu lachen und Sam grinst nur böse. „Pah, was ist los? Ist dir deine Freiheit nichts mehr wert, Erik? Du warst schon mal ein Mann! Jetzt bist du nur noch ein Waschlappen. Ist sie das wert?“

      Ich kann nicht anders. „Heißt bei euch Mann sein, an Kinder Drogen zu verticken und Mädchen auf den Strich zu schicken? Nah, tolle Männer sind das. Für mich sind das die eigentlichen Waschlappen!“, fauche ich aufgebracht und versuche mich loszureißen.

      Erik sieht mich erschrocken an und Daniel schließt kurz die Augen.

      Die beiden Männer vor uns scheinen einen Moment sprachlos zu sein. Aber nur einen Augenblick und mir wird klar, ich hätte einfach die Klappe halten sollen.

      „Du musst sie noch zähmen, sonst machen wir das“, brummt Sam und sieht Erik wütend an.

      „Lass sie jetzt in Ruhe!“, knurrt der und seine braunen Augen verengen sich wütend und er macht einen Schritt auf Sam zu, der ihm am nächsten steht und reißt mein Handgelenk aus dessen Pranke.

      „Sie hat uns beleidigt! Du weißt, was wir mit kleinen Raubkatzen machen.“

      „Nicht mit ihr!“, höre ich Erik bedrohlich raunen und atme entsetzt ein. „Sie gehört zu mir!“

      „Ach Erik, den Respekt, den wir vor dir haben müssten, um dir diesen Wunsch zu erfüllen, hast du verspielt. Damals war das in Ordnung. Aber jetzt? Nein. Den musst du dir erst wieder verdienen. Und manchmal stellen wir auch den Spaß vor den Nutzen.“ Teddy lacht und sieht mich wieder an.

      Erik schiebt mich hinter sich und Daniel zischt: „Lasst es! Wir waren doch schon mal so etwas wie Freunde. Also lasst sie in Ruhe. Sie gehört zu Erik und wir vergreifen uns doch auch nicht an euren Mädchen.“

      „Warum nicht? Wenn ihr zahlt!“, sagt Sam und lacht dumpf. Sein Blick läuft in Daniels und Eriks ernsten Gesichter. „Aber gut! Wir sind nicht gekommen, um zu streiten. Sei froh, dass Papps seine Hand über euch hält. Sonst hättet ihr nichts mehr zu lachen. Wir werden mit ihm sprechen und ihm erzählen, dass Erik seinen Part nicht mehr erfüllen will. Mal sehen, was er dazu sagt.“

      Erik streicht sich nervös die Haare zurück und antwortet: „Das mache ich schon selbst. Sag ihm, ich werde deswegen in den nächsten Tagen noch bei ihm vorbeischauen.“

      Das scheint die beiden zu irritieren. Sie sehen sich unschlüssig an. Teddy greift nach Sams Oberarm und dreht sich um. „Werden wir. Und pass auf deine Zaubermaus auf!“ Seine Worte klingen wie ein bedrohliches Donnerwetter und ich spüre wieder das Entsetzen durch meine Adern kriechen. Aber sie gehen zu ihrem Auto und Erik greift nach meiner Hand und zieht mich schnell zur Haustür. „Verdammte Scheiße!“,