Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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sinken und möchte mehr von diesen Küssen. „Da gehen wir mal wieder los“, flüstere ich ergeben, mich völlig seinen Lippen hingebend.

      „Bestimmt nicht!“, raunt er nur, dreht mich wieder zu sich um und küsst mich.

      Ich kann das Aufbegehren in meinem Inneren somit nicht aussprechen … will es aber auch gar nicht. Seine Erektion an meinem Unterleib elektrisiert mich und ich will mehr von ihm. Ich öffne seine Hose und lasse meine Hand hineingleiten. Dabei ist mir sogar egal, ob Ellen und Daniel noch da sind. Ich will mich nur seinen fordernden Küssen hingeben und allem anderen, was sein Körper mir verspricht.

      Nichts lässt mich so sehr alles um mich herum vergessen, wie die Zeit mit Erik, wenn wir unsere Körper erforschen und unsere Sinne ausloten. Kein Zeitgefühl verschwimmt dermaßen ins Nichts, als in der Zeit, die wir miteinander verbringen, wenn wir uns lieben. Und wenn ich aus diesen zeitlosen, gefühlvollen, leidenschaftlichen Wirren wieder emporsteige, bin ich erschöpft, müde und vollkommen ruhig. Und auch Erik scheint diese Zeit aus allen seinen Untiefen zu holen, die sich immer noch in seinem Inneren auftun.

      „Das möchte ich für immer haben“, raunt er mir ins Ohr und zieht mich noch ein wenig dichter an seinen heißen Körper.

      Mit diesen Worten holte er mich aus dem Schlaf zurück, in den ich mich langsam fallen lassen wollte. „Ich auch“, murmele ich.

      So liegen wir nur da und genießen, dass uns immer noch eine Wand aus Zufriedenheit und tiefer Zuneigung umgibt, die alles böse dieser Welt noch einige Zeit aussperren kann.

      Aber jeder Frieden kann schnell durch die Tücken der Zivilisation zerstört werden. In diesem Fall ist es Eriks Handy, das klingelt.

      Sofort kommt Bewegung in ihn und er schiebt mich aus seinem Arm.

      Ich sehe ihm hinterher, wie er den Raum verlässt, sofort beunruhigt, weil sein schneller Aufbruch nichts Gutes vermuten lässt. Ich höre ihn reden, kann aber nicht verstehen was er sagt. Aber ich möchte mich der Welt da draußen noch nicht stellen, die sich sofort auf mich stürzen wird, wenn ich das Bett verlasse. Deshalb umarme ich die Decke und schließe wieder die Augen, mich trotzig wieder der Erinnerung an die Gefühle hingebend, die wir noch vor kurzem erlebt hatten.

      Erik kommt ins Schlafzimmer zurück und schiebt sich hinter mir unter die Decke. Sein Arm schlingt sich um meinen Oberkörper.

      „Wer war das?“, frage ich.

      „Walter.“

      Der Name elektrisiert mich, und das ist die Wirklichkeit, die mich sogar hier im Bett erreicht. Ich ziehe seinen Arm von meinem Körper und drehe mich zu ihm um. Seine braunen Augen sehen mich zufrieden an, was mich augenblicklich beruhigt.

      „Ich war heute Nachmittag bei ihm und habe ihm erklärt, was du mir bedeutest und dass ich dich beschützt wissen will, und dass seine Söhne ihre Finger von dir lassen sollen. Er war ziemlich überrascht.“ Erik schmunzelt und streicht mir meine Haare aus dem Gesicht. „Er kennt mich nur als Verfechter gegen das weibliche Geschlecht und ich hatte bisher immer gegen alles plädiert, was länger als zwei Stunden ging. Dass ich mich plötzlich so ändere und auch noch mit der Bitte vor ihm stehe, mir seinen Segen für unsere Beziehung zu geben, hat ihn wirklich aus den Socken gehauen.“

      Ich stütze mich auf den Ellenbogen ab und frage überrascht: „Wie, du hast dir seinen Segen geholt?“ Ich verstehe Eriks Verhältnis zu diesem Mann nicht und auch nicht, wieso er so eine große Rolle in unserem Leben spielt.

      Erik erklärt mir nach einer kurzen Pause und einem tiefen Seufzer: „Walter war Clemens bester Freund. Sie kannten sich schon seit ihrer Schulzeit und während Clemens zwar ein wildes und auch drogenreiches Leben führte, hatte er doch nie etwas mit den kriminellen Machenschaften von Walter am Hut, der hier in Osnabrück ein Bordell betreibt und in ziemlich allen Geschäften seine Hände im Spiel hat, die nicht legal sind. Clemens war mein Patenonkel, wie du weißt. Aber ich habe auch noch einen inoffiziellen, der mit Clemens zusammen damals beschlossen hat, sich um mich zu kümmern. Als Clemens dann diesen Unfall hatte, fühlte Walter sich verpflichtet, mich zu unterstützen. Deshalb bin ich in der Osnabrücker Unterwelt ziemlich unantastbar. Aber Teddy und Sam, die nur wenige Jahre älter als ich sind, waren von dieser Konstellation nie besonders begeistert. Zumal Walter mich nach Clemens Tod immer ein wenig bevorzugte. Das lag natürlich nur daran, weil ich der jüngere von uns Dreien bin.“

      Mich aufsetzend, kann ich nur erstaunt raunen: „Dann sind diese beiden hässlichen Schlägertypen so etwas wie Brüder für dich?“

      Erik grinst. „Naja! Eine Zeit lang sahen sie das so. Aber ich denke, seit gestern nicht mehr. Und ich konnte Walter überzeugen, dass ich jetzt meinen richtigen Weg gefunden habe, den ich weitergehen möchte. Ich bat ihn, mich darin zu unterstützt und seine Jungs zurückzupfeifen. Als er mich eben anrief, sagte er mir, dass er mit ihnen geredet hat und sie die Finger von dir lassen werden.“

      „Warum von mir? Was habe ich damit zu tun?“, frage ich, weil ich immer noch nicht verstehe, was ich eigentlich mit der ganzen Sache zu tun habe.

      Erik setzt sich auch auf und lehnt sich an die Rückwand des Bettes. „Für die beiden sind solche Mädchen wie du das, was sie nie haben werden. Außer sie zwingen sie dazu. Erst geben sie ihnen Drogen, bis sie abhängig sind und dann lernen sie sie für den Job an. Jedes ihrer Mädchen ist abhängig von ihnen und muss sich ihnen fügen. Du standst sofort ganz oben auf ihrer Wunschliste. Und dass ich dich habe, und zwar nicht so, wie sie es gerne hätten, das ärgert sie.“

      Ich verstehe zu wenig von dieser Welt, als dass ich genau weiß, was er meint. „Wie sollst du mich denn ihrer Meinung nach haben?“, frage ich verwirrt.

      Erik sieht mich zurückhaltend an und ich weiß, er will gar nicht, dass ich zu viel von dieser dunklen Welt weiß, in der er Jahrelang ein und ausgegangen war. Doch ich will es wissen. „Was meinst du damit?“, bohre ich nach, als er nicht sofort antwortet. Das Ganze verunsichert mich und macht mich wütend und Erik bestätigt mir in nächsten Moment, was ich schon ahne.

      „Wenn ich aus dir ein drogenabhängiges Strichmädchen gemacht hätte, dann könnten sie auch über dich verfügen, wie es ihnen beliebt.“

      Ich schlucke und frage aufgebracht: „Erik, gibt es Mädchen, die du drogenabhängig gemacht hast und die für dich anschaffen müssen?“

      Er schüttelt den Kopf. „Nein, das ist wirklich nicht mein Ding. Aber die Maas wollten mich als Köder, weil sie schwer an die Mädels herankommen, wie du dir denken kannst. Als ich ihnen im Hype Park sagte, dass du zu Ellen und mir gehörst, dachten sie tatsächlich, ich steige endlich in das Geschäft ein. Dass du mich stehen gelassen hast, nahmen die schon fast persönlich und sahen das als geschäftsschädigenden Anfängerfehler an.“ Er lächelt zaghaft, weil er sich wohl nicht sicher ist, wie seine Offenheit auf mich wirkt.

      „Oh Mann!“, kann ich nur entsetzt flüstern. Ich hatte nie richtig erkannt, wie tief Erik in diesem kriminellen Sumpf steckt, schon allein durch alle um ihn herum, die in diesem Sumpf leben.

      Erik schiebt sich dicht an mich heran und sieht mich mit beunruhigtem Blick an. „Bitte, Carolin! Ich schwöre dir, ich habe nie und werde auch nie dergleichen tun. Und auch mit allem anderen werde ich aufhören. Das ist nicht mehr meine Welt. War es wahrscheinlich auch nie wirklich.“

      Seine Worte sollten mich trösten und mir die Angst nehmen. Aber ich kann nicht verhindern, dass sie einen schalen Nachgeschmack hinterlassen.

      Ich nicke nur, stehe auf und raune: „Ich gehe duschen. Ich bin vom Alkohol noch etwas benebelt. Hinterher koche ich uns was, wenn du magst.“

      Mir ist nicht nach Essen. Aber ich brauche etwas, was mich von dem Gehörten ablenkt … und dann muss ich noch meine Hausaufgaben bewältigen. Mir ist nicht klar, wie ich das alles heute noch schaffen soll. Aber zumindest können das Kochen und meine Hausaufgaben ein Vorwand sein, mich ein wenig aus Eriks Nähe zu stehlen und nachzudenken.

      Der sieht mir nur hinterher und ich spüre seinen Argwohn förmlich. Er kann nicht einschätzen, was ich jetzt fühle und ich weiß es selbst auch nicht genau. Dass mein