Claus Beese

Voll voraus, DODI!


Скачать книгу

Kräften, alles zu vermeiden, was meine meist gute Laune in übelste Regionen abgleiten lassen könnte, natürlich nur um die Stimmung an Bord im grünen Bereich zu halten.

      »Feddich!«, verkündete sie und schaute sich triumphierend um. Langsam kehrte ihre Übung zurück und bestimmt würde sie bald wieder neue Bestzeiten im Aufklaren der Pantry nach dem Frühstück aufstellen. Unsere Bordaufenthalte waren in der letzten Zeit nicht so häufig gewesen und sie musste sich immer wieder neu auf alle hier notwendigen Handgriffe gewöhnen. Aber wie man sah, klappte alles schon ganz gut und ich war zufrieden. Allerdings hörte ich schon jetzt das Seufzen und Schimpfen am Urlaubsende, wenn sie an Bord alles wie im Schlaf beherrschte aber zu Hause feststellen musste, dass ihre große Küche nicht mehr zu den hier geübten Handgriffen passte.

      »Fahren wir weiter?«, wollte unser Nachwuchs wissen. Allerdings schien er nicht wirklich an einer Antwort interessiert zu sein. Warum auch? Das Wetter war toll, das Wasser des Kanals warm und wenn man beim Überbordhüpfen noch einen Fuß auf die Achterreling setzte, konnte man den Sprung in die Fluten erst richtig genießen. Im Moment prüfte unsere Tochter, wie man am besten mit dem Hintern zuerst im Wasser landen musste um neue Rekordhöhen der aufspritzenden Wasserfontänen zu erreichen.

      »Also ich wäre dafür einen faulen Hafentag einzulegen!«, verkündete mein bessere Hälfte und ich ließ meinen erhobenen Zeigefinger sinken und die bereits eingeatmete Luft wieder ausströmen, die ich eigentlich dazu nutzen wollte, den beiden klarzumachen, dass meine Wikingergene sich nach einem Jahr harter Arbeit mehr nach Ostseewellen sehnten als nach brackiger Kanalbrühe, und dass der Weg dorthin noch weit war. Doch ich hatte blitzartig erkannt, dass meine Mannschaft nicht wirklich gewillt war, meine von urzeitlichen Vorfahren ererbten Sehnsüchte wohlwollend zu berücksichtigen. Im Geiste blätterte ich den Leitfaden „Psychologie an Bord - leicht gemacht“ durch und blieb beim Kapitel „Wie man Meutereien verhindert“ hängen. Dort stand nämlich haarklein beschrieben, wie man mit solch gefährlichen Situationen am besten umgeht. Ich beschloss mich detailliert und sehr genau an die Empfehlungen des Leitfadens zu halten.

      »Das passt gut!«, behauptete ich. »Ich hätte euch nämlich dasselbe vorgeschlagen!«

      Der Blick, der mich jetzt traf, war eine Mischung aus Überraschung, Misstrauen und erwachender weiblicher Neugier. Vielleicht hätte ich mich besser doch noch zum Schein ein wenig sträuben sollen, denn schon wanderte der Blick meiner Angetrauten hinaus auf den Kanal auf der Suche nach der Bikinischönen, deren Anblick ich mir ihrer Ansicht nach wohl noch eine Weile erhalten wollte. Weit und breit konnte sie allerdings nichts in dieser Form erspähen und sie beruhigte sich darum wieder. An der Bordwand klammerten sich zwei kleine Hände fest und der nasse Wuschelkopf unseres Ablegers erschien.

      »Hat er schon >ja< gesagt oder diskutiert ihr noch?«, wollte Claudia vorlaut wissen. Als sie sah, wie ich nun wieder tief Luft holte und meinen Zeigefinger erhob, ließ sie einfach los und verschwand plätschernd wieder im Kanal. Langsam fing ich an, mir um meine Stellung als Respektsperson an Bord Gedanken zu machen. Wenn ich nicht aufpasste, konnte das ja ein netter Urlaub werden. Aber nun gut, für heute sollten sie noch ihren Willen haben, aber ab morgen würde hier wieder der Skipper das Sagen haben. So viel war sicher.

      Andererseits..., wenn hier jeder nur noch das tat, was er wollte, warum sollte ich das nicht auch tun? Fröhlich pfeifend hob ich das Klapprad vom Achterdeck, drehte den Lenker in die richtige Stellung und verpasste den Reifen im Hinblick auf mein derzeitiges Kampfgewicht noch ein paar Extra-Bar an Luftdruck.

      »Papa! Papa! Wo fährst du hin?«, hustete Claudia, denn in ihrer Angst etwas zu verpassen, war sie etwas zu hastig zum Boot zurück geschwommen und hatte sich an ihrer eigenen Bugwelle verschluckt.

      »Zum Fahrrad-Laden! Da gibt’s nämlich auch Angelscheine!«

      »Und Köder?«, fragte die Hüterin meines Haushalts misstrauisch.

      »Ja, Maden auch!«, gab ich arglos zurück. Natürlich musste ich mir auch einen guten Köder kaufen, denn schließlich wollte ich ja auch was fangen.

      »Finde ich auch nur eine Made im Kühlschrank, und sei sie noch so gut verpackt, reiche ich die Scheidung ein.«

      Siedend heiß fiel mir ein, wie im letzten Jahr die Madenschachtel, die ich wegen der Hitze im Kühlschrank aufbewahrt hatte, aufgegangen war. Als meine Kombüsenfee dann die Tür öffnete und ihr der halbe Kühlschrank entgegenrobbte, hatte sie als Erstes einen Nervenzusammenbruch der Extraklasse bekommen um sofort danach prompt einen General-Bootsputz anzuordnen. Seither reagierte sie extrem empfindlich, wenn ich mich zum Fischfang rüstete.

      »Keine Bange!«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Ich werde sie in der Bank unter deiner Koje deponieren, dort ist es auch immer schön kühl.«

      »Wag es nur ...! Du wirst schon sehen, was dann geschieht!«

      Ich beschloss es besser nicht darauf ankommen zu lassen, drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange und schwang mich auf das Minirad.

      »Papa! Bringst du mir eine Taucherbrille mit?«, schrie mir mein Nachwuchs hinterher und ich warf ihr einen entsetzten Blick zu. Taucherbrille? Meine Güte, Tochter! Machst du nicht schon über Wasser genug Unfug? Willst du jetzt auch noch die letzten stillen Winkel dieser Erde in Angst und Schrecken versetzen? Na ja, ich konnte ja mal schauen! Sicher würde es nicht zum Nachteil sein, wenn der sonst so gestrenge Vater mal großzügig in kleinen Dingen war. Andererseits war ich sicher, dass meine bessere Hälfte hierfür das hässliche Wort »Bestechung« als zutreffender empfunden hätte.

      »Juchu! Sogar mit Flossen! Damit komm ich bestimmt bis auf den Grund runter!«, jubelte mein Nachwuchs etwas später.

      »Nimm sofort die ekelhaften Maden aus dem Schiff!«, jubelte meine bessere Hälfte. In manchen Dingen, so wusste ich aus langjähriger Erfahrung, war es einfach besser ihren Wünschen augenblicklich und kommentarlos nachzukommen. Also schnappte ich mir meine Angelruten, stieg von Bord und ging ein paar Schritte weiter. Am Bug des Bootes montierte ich meine Ruten und köderte einige von diesen appetitlichen kleinen Krabbeldingern an den Haken. Die Fische würden die Maden lieben, da war ich sicher. Nicht ganz so sicher waren da die Fische, denn sie dachten gar nicht daran zu beißen. Saß ich erst noch gespannt und zum Anschlag bereit auf meinem umgedrehten Eimer, wurde es mir mit der Zeit langweilig. Ich setzte mich auf den Steg und schließlich, als es mir auch dort zu unbequem wurde und überhaupt nichts beißen wollte, legte ich mich an den Hang des kleinen Deiches in das weiche Gras. Wohlig rekelte ich mich in der warmen Sonne. Aaach, Herr Doktor, so konnte ich es aushalten! Sanft entschlummerte ich in der lauen Sommerluft und nichts konnte den Erholungsvorgang stören, weder die zahlreichen Spaziergänger, die am Hafenkanal bei den Schiffen Zerstreuung suchten, noch das Geschrei der im Wasser tobenden Kinder, die vorne an der den Kanal überspannenden Brücke Claudias neueste Errungenschaft der Reihe nach testen durften. Sogar Petrus drückte ein Auge zu und ließ kein Fischlein beißen, sodass ich meinen Schönheitsschlaf nicht unterbrechen musste. Nicht, dass ich ihn nötig gehabt hätte, schön genug war ich meiner Meinung nach sowieso, aber man konnte ja nie wissen. Die Konkurrenz war groß.

      Ein gellender Schrei ließ mich hochschrecken wie ein Steh-auf-Männchen. Im Nu war ich hellwach. Die Tonlage kannte ich. Der Schreihals, der solche Töne von sich gab, konnte nur meine Tochter sein. Und wenn sie so einen Alarm machte, war Gefahr im Verzug. Wo steckte der Balg?

      Ich schaute mich um und sah sie voller Panik im Kanal mit den Armen herumrudern, im Bestreben, so schnell wie möglich an Land zu kommen. Dabei gellte ununterbrochen ihr Geschrei durch die Gegend, sodass nun auch schon mehrere Skipper und Passanten zusammenliefen. Hilfreiche Hände hoben das Mädchen aus dem Kanal, das am ganzen Körper zitterte und schlotterte.

      Ich erreichte den Schauplatz, nahm das bebende Kind erst einmal in den Arm und zog ihr die Taucherbrille vom Gesicht. So aufgelöst hatte ich sie noch nie gesehen. Etwas Fürchterliches musste ihr geschehen sein.

      »Papa! Ddda uunten is ne Llleiche!«, stammelte sie und deutete in das trübe Kanalwasser.

      »Unsinn! Wer weiß, was du da gesehen hast. Viel kann das in der trüben Brühe sowieso nicht gewesen sein. Vielleicht war es ein Ast oder irgendetwas, das jemand reingeworfen hat«,