Claus Beese

Voll voraus, DODI!


Скачать книгу

ja! Das war sie. Sogar sehr hübsch! Nicht so ein seelenloses Stück Draht und Pappe ohne Kopf. Ich war richtig glücklich, dass ich mich nun mal unterhalten konnte, in meiner einsamen Schneiderstube.«

      »So? Und was hat ihre Frau dazu gesagt?«, forschte der Kriminalbeamte weiter.

      »Seit ich Hilde hatte, hat sie keinen Fuß mehr in meine Werkstatt gesetzt. Und sie hat gesagt, dass es ein schlimmes Ende nehmen würde...!«

      »Schlimmes Ende? Für wen? Für Sie oder die Puppe?«

      »....! Herr Kommissar! Sie glauben doch nicht, dass...? Sie meinen, meine Erika...? Meine eigene Frau? Sollte sie tatsächlich meine gute Hilde hier im Kanal ersäuft haben? Ich kann es nicht glauben!«

      »Besser, sie glauben es! Ich gehe jede Wette ein, dass wir die Schuldige schon gefunden haben«, meinte der bestimmt. »He! Wo wollen sie hin?«

      »Nach Hause! Zu meiner Erika! Und wenn sie noch Fragen an das Weib haben, sollten sie zusehen, dass sie schneller da sind als ich!«, schäumte Schneidermeister Kiekbusch. Unter dem Gelächter der Schaulustigen bahnte er sich einen Weg durch die Menge und verschwand wutschnaubend im Park.

      »Und was machen wir jetzt mit der „Leiche“?«, fragte Willy und machte ein ratloses Gesicht. Ich klopfte ihm auf die Schulter.

      »Sperrmüll anfordern und entsorgen!«, riet ich ihm und wandte mich meiner Tochter zu, die an meinem Ärmel herumzerrte.

      »Papa? Können wir heute noch weiter fahren? Ich glaube, ich möchte hier gar nicht mehr schwimmen.«

      »Rrrrrrt!«, machte es in diesem Moment und der Alte sauste mit seinem Rollstuhl von der Brücke herab auf uns zu. Gekonnt bremste er das Gefährt kurz vor uns scharf ab und ich staunte, dass er bei dem Manöver fest im Stuhl sitzen blieb. Immerhin war er nicht angeschnallt.

      »Is das die Kleine, die die Leiche gefunden hat?«, wollte er wissen und Claudia machte vorsichtshalber einen halben Schritt hinter mich.

      »Das isse!«, bestätigte ich seine Vermutung.

      »Super!«, krächzte der Alte. »Habe mich lange nicht mehr so amüsiert. Los, Kleene! Zur Belohnung schiebste mich jetzt zum „Dobbendeel“ und da bestell ich dir den größten Eisbecher, den die da auftreiben können!«

      Mein Nachwuchs kam aus seiner Deckung und schielte zu mir hoch.

      »Haben wir vor dem Ablegen noch so viel Zeit, Käpten?«, fragte sie mit treuem Augenaufschlag.

      »Klar, Moses! Hau man ab! Aber nehmt den Sanitäter mit dem Sauerstoffgerät mit. Sicher ist sicher!«

      Claudia schnappte sich die Griffe des Rollstuhls und die beiden brausten davon in Richtung des Kanalrestaurants. Ich war mir nicht sicher, ob die Schreie des Alten dabei Begeisterung oder Todesangst ausdrückten.

      Kälteschock und Brandblasen

      Unser Leichtmatrose und der Alte im Rollstuhl verstanden sich hervorragend und setzten dem Vorrat an Speiseeis im See-Restaurant schwer zu. Es bereitete dem Senior auch eine Menge Spaß, als Claudia ihn mitsamt seinem Rollstuhl auf die Mitte der Bogenbrücke schob, sich auf die hinteren Holme des Gefährts stellte und beide in Schussfahrt die steile Rampe herunterjagten. Im Tiefflug passierten sie den querenden Spazierweg, sodass Fußgänger und Radfahrer sich nur noch mit wagemutigen Sprüngen in die Blumenrabatten in Sicherheit bringen konnten und verschwanden mit lauten »Platz da!«-Rufen schließlich in einer Staubwolke im Kurpark. Das wollten natürlich dann alle anderen Kinder auch ausprobieren und der Hafenmeister schlug dem Alten lachend vor, das als Attraktion gegen Entgelt zu vermarkten.

      »Hähä!«, meckerte der Alte. »Dann könnte ich mir ja endlich meine eigene, ganz private Nachtschwester leisten! Gut Idee, Mann! Gute Idee!«

      Der Nachmittag verging und irgendwann stellte sich mit knurrendem Magen auch unser Nachwuchs wieder an Bord ein. Zwei dicke Scheiben Brot mit Käse mussten dran glauben und ein Liter Cola diente zum Nachspülen. Danach zeigte sich unser Törtchen ungemein leutselig.

      »Du, Mama! Papa möchte doch so gerne an die Ostsee und eigentlich wollten wir ja auch Tante Else und Onkel Henry in Dänemark besuchen, wollen wir dann nicht lieber morgen weiter fahren?«

      Nachtigall, ick hör dir klappern! Ich freute mich zwar über den plötzlichen Sinneswandel des kleinen Monsters aber so ganz uneigennützig schien er nicht zu sein.

      »Ich dachte, du wolltest morgen noch mit den Kindern im Kanal schwimmen und tauchen?«, fragte ich ganz harmlos und konnte im selben Moment ein Naturphänomen bewundern, das nicht oft auftrat. Bei Claudia stellten sich die Haare auf und sie sah aus wie Pippi Langstrumpf, nachdem ihr der Föhn explodiert war. Ihre Augen rollten beängstigend herum und ich beeilte mich ihr zu versichern, dass wir gleich nach dem Frühstück weiter fahren würden.

      »Ehrlich Papa! Ich habe keine Ahnung, wie ich hier die Nacht überstehen soll, so sehr gruselt es mich bei dem Gedanken an die matschige Puppe. Und wenn ich an den wütenden Schneider denke, glaube ich, dass mich hier keine zehn Pferde mehr in den Bach kriegen. Ich bin nicht scharf drauf, beim Baden im Kanal vielleicht noch seine eifersüchtige Frau im Plastikkleid zu treffen, die er aus Rache ebenfalls dort versenkt hat. Ich habe genug von blauen Müllsäcken!«

      In der Tat war unsere kleine Mücke froh, als ich nach dem Frühstück am nächsten Morgen den Diesel anwarf und wir weiterzogen. Die Zeit war günstig und wir passierten Otterndorf genau zur rechten Zeit um noch mit dem restlichen Tidestrom die Elbe aufwärts nach Brunsbüttel zu fahren. Ausnahmsweise verlief das Einschleusen in den Nord-Ostsee-Kanal diesmal ohne größere Probleme und obwohl auch mein Ausguck scharf Ausschau hielt, es war keine Spur vom Bügelfalten-Skipper aus Hamburg zu entdecken.

      »Eigentlich schade!«, meinte mein holdes Weib. Sie hätte wohl zu gerne gewusst, ob er noch mit seiner Stöckelschuh bewehrten Dampferschönheit zusammen war, oder sie sich wirklich von ihm getrennt hatte (siehe hierzu auch das Buch „Wasser, Fische und Agenten“).

      Gegen Abend erreichten wir Rendsburg und während unser Moses darauf bestand, unverzüglich die Burgerbestände bei McDonalds zu plündern, stellten wir uns unter die Dusche. Nach fast zwölfstündigem Törn hatten wir es auch bitter nötig, denn bislang hatten wir noch kein wirklich sommertaugliches Deo gefunden, das den Temperaturen an Bord auf Dauer gewachsen war.

      Sichtlich irritiert tauchte mein weiblicher Bestmann in der Tür zu den Duschräumen auf und schaute sich um.

      »Irgendwas ist anders! Ich weiß nur noch nicht, was«, stellte sie fest und ließ den Blick prüfend hin und her schweifen.

      »Es ist so ruhig hier«, bestätigte ich Ihren Eindruck und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Stimmt! Die haben eine neue Duschanlage. Ich habe mich heute weder verbrannt noch haben sich an edlen Teilen Eiszapfen gebildet.«

      Mein mir angetrautes Eheweib war erleichtert. Unbewusst war auch ihr aufgefallen, dass etwas fehlte. Und das waren die Schreckensschreie der Skipper und Skipperinnen aus den Duschräumen des Vereins.

      Das Duschen war hier immer ein Abenteuer gewesen. Die Kabinen waren so groß und hell und freundlich, wie man sie sonst nirgendwo fand, aber stellte man sich unter die Brause, so konnte man sein blaues Wunder erleben und das im wahrsten Sinne des Wortes. Hatte man nämlich gerade seine Wohlfühl-Temperatur eingestellt, drehte jemand in einer anderen Kabine den Wasserhahn auf, womit das Wohlfühl-Erlebnis schlagartig endete. Eiskalt, mit fast polaren Temperaturen, schoss es plötzlich aus der eigenen Brauseöffnung und die Skala der Schreckensäußerungen reichte vom gequälten „Haaah!“ bis zum gellenden Quieken.

Bild 175464 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

      War das schon unangenehm, so brauchte man nur zu warten, bis der Warmduscher aus der Nachbarkabine seinen Wasserhahn wieder zudrehte. In diesem Moment kam nämlich ein satter Dampfstrahl aus der eigenen Brause und wenn man nicht zur Seite sprang, sah man bald aus, wie ein