Friedrich von Bonin

Judas Ischarioth Träumer, Täter, Täuscher


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wegen dieses ungeschickten Falba, der sich hatte fangen lassen.

      „Du weißt, dass ich eine große Summe immer im Palast im Schatzkeller liegen habe. Wir könnten den geforderten Betrag wohl bezahlen. Andererseits kann ich nicht einfach achtzigtausend vom Geld des Kaisers ausgeben, ohne ihn zu fragen. Man könnte mir sonst leicht den Vorwurf machen, ich unterstütze jüdische Umsturzbestrebungen gegen den Kaiser.“

      „Aber du gibst doch sonst auch durchaus größere Summen aus, ohne dir solche Gedanken zu machen“, erwiderte seine Frau. Beide hatten aufgehört zu essen und schwiegen eine Weile nachdenklich. Wie durch einen Schleier hörte Annius die Geräusche aus der Residenz, hier rief ein Diener, da tönte ein Hundegebell, das schnell aufhörte.

      „Natürlich“, sagte er dann gedehnt, „dafür habe ich ja mit meiner Ernennung zum Statthalter auch die Vollmacht erhalten. Das Besondere ist hier, dass dieses Geld ausgerechnet diesem Isaak zugutekommt, der es nutzen wird, weiter unsere Landsleute auszurauben und Soldaten gegen den Kaiser zu sammeln. Bitte, Flavia, das weißt du doch auch und normalerweise, wenn es sich nicht um deinen Schwager handelte, wärest du die Erste, die mir rät, nicht zu zahlen.“

      „Aber es ist nun mal mein Schwager. Annius, ich bitte dich nicht häufig um etwas, aber hier musst du eine Ausnahme machen.“

      „An sich würde ich jetzt einen Schnellboten nach Rom schicken und mir Anweisungen erbitten.“

      Flavias Stimme klang jetzt schrill.

      „Nach Rom schicken? Aber der Bote kann frühestens in sechs Wochen wieder hier sein, wenn alles gut geht. Bis dahin ist Falba doch längst getötet worden.“

      Annius Rufus war gewöhnt, auf seine Frau zu hören, war also auch diesmal geneigt, nachzugeben, vor allem, weil er die Bedeutung dieses Tonfalls kannte und den wochenlangen Unfrieden fürchtete.

      „Aber ich werde mit Isaaks Boten verhandeln müssen, ich biete ihm erst einmal dreißigtausend, und dann sehen wir weiter.“

      „Und du richtest ihn nicht hin?“

      „Das kann ich dir nicht versprechen, Flavia, aber ich werde mit ihm handeln, er wird nicht hingerichtet, wenn ich mich mit ihm einige.“

      Damit gab sich Flavia zufrieden und die Gatten beendeten ihr Frühstück in Harmonie.

      6.

      Zwei Menschenalter waren es jetzt ungefähr her, grübelte Rufus später, als er in seinem Arbeitszimmer saß und überlegte, wie er mit David verfahren sollte. Damals war Pompeius gefeiert worden für die Eroberung des syrischen Brückenkopfes gegen die Perser.

      Aber von Anfang an drangen diese Nachrichten von Überfällen jüdischer Rebellenbanden auf römische Bürger nach Cäsarea. Sie griffen nicht nur Reisende an und raubten sie aus, sie überfielen auch die Latifundien der Römer und führten regelrecht Krieg gegen die römischen Bürger, die nach hier eingewandert waren und sich als Großbauern angesiedelt hatten. Als schließlich eine Abteilung Legionäre unter einem Centurio auf offener Straße angegriffen, besiegt und ermordet worden war, kam es zum offenen Aufstand der Juden gegen die Römer, der von den Römern blutig niedergeschlagen wurde. Immer noch war das Land aber nicht endgültig befriedet. Als die Räubereien und die Klagen der römischen Bewohner erneut überhandnahmen, musste der Kaiser eingreifen. Er schickte Annius Rufus mit dem Auftrag, die Juden nach römischer Tradition liberal zu behandeln, gegen die Terroristen aber mit aller Schärfe vorzugehen.

      Rufus seufzte. Gerade das erwies sich als äußerst schwierig, weil seine Beamten kaum unterscheiden konnten, wer politisch kriminell und wer ungefährlich war. Und hier war nun einer gekommen, bei dem klar war, was der Kaiser befehlen würde. Hinrichten lassen müsste er diesen David, ohne Rücksicht auf den römischen Gefangenen. Gab er in diesem Fall erst nach, ermunterte er Isaak geradezu, weitere römische Beamte zu entführen und Lösegeld zu fordern.

      Isaak Ben Zacharias führte eine der schlimmsten Banden an. Sie überfielen erklärtermaßen ausschließlich Römer. In ihren Nachrichten stellten sie eindeutig politische Forderungen: Die Römer und ihre Legionen, so forderten sie, sollten aus dem Land verschwinden, vorher würden sie keine Ruhe geben.

      Seit drei Jahren bekämpfte Rufus diesen anmaßenden Mann, hatte ihm aber noch keine ernsthafte Schlappe beibringen können. Und nun schickte der verdammte Aufrührer ihm, dem römischen Statthalter, dreist einen Boten, mit dem er verhandeln sollte. David steckte seinen Kopf in die Höhle des Löwen und Rufus sollten die Hände gebunden sein aus Rücksicht auf seine Frau.

      Sollte er auch diesmal dem Ratschlag seiner Frau folgen? War das überhaupt ein Ratschlag? Flavia hatte Angst um ihren Verwandten, nur deshalb hatte sie für den Juden gesprochen, nicht etwa, weil sie ein Nachgeben für richtig hielt.

      Aber er, Rufus, durfte den Terroristen kein Geld geben, er durfte nicht nachgeben, der Kaiser würde ihn wegen Hochverrates hinrichten lassen. Hatte er einmal einer solchen Erpressung nachgegeben, würde Isaak immer wieder römische Bürger gefangen nehmen und Geld zu erpressen versuchen. Und Rufus konnte nicht jedes Mal nachgeben, das verbot die Staatsraison, also musste er gleich jetzt das Lösegeld verweigern, im Gegenteil, er würde den Boten pflichtgemäß hinrichten lassen.

      Aber Flavia? Sie würde ihm nie verzeihen, dass der Schwager ihrer Schwester getötet wurde, weil er, Rufus, nicht hatte nachgeben können. Er durfte daher den Juden eigentlich nicht kreuzigen, wie er gedacht hatte.

      Unvermittelt trat sein Stellvertreter ein, wie immer, ohne anzuklopfen. Rufus hatte ihm das immer und immer wieder verboten, hatte befohlen, dass Marcus Julius sich wie jeder andere anzumelden habe. Aber Marcus hatte jedes Mal nur gelacht, er war aus der Familie der Julier, niemand legte sich mit einem Spross dieser Familie an, auch nicht Rufus, obwohl er der Vorgesetzte war.

      „Was hast du beschlossen über den Boten des Rebellen?“, fragte er, nachdem sie sich begrüßt hatten.

      „Habe ich denn eine Wahl?“, fragte Rufus zurück, „ich kann doch nicht unseren Steuereinnehmer von denen ermorden lassen, und schon gar nicht Falba.“

      „Du willst diesem Kriminellen, diesem Isaak, tatsächlich Geld aus dem Staatsschatz geben?“ Marcus Julius war entsetzt. Er war zehn Jahre jünger als Rufus und hatte für sein Alter schon eine erstaunliche Karriere hinter sich, die ihn schließlich hier nach Juda gebracht hatte, als stellvertretender Statthalter. Die Karriere verdankte er vor allen Dingen seiner Herkunft aus der Familie der Julier, deren berühmtesten Sohn, Gaius Julius Cäsar, er sich zum Vorbild genommen hatte und seiner Fähigkeit, die Wünsche des Kaisers zu erahnen, bevor dieser sie ausgesprochen hatte.

      „Das führt doch nur dazu, dass er seinen Krieg gegen unsere Legionen und unsere Bürger mit unserm eigenen Geld fortsetzt. Und denk doch nur, wenn du ihm jetzt Geld gibst, überfällt er sofort den nächsten Beamten und verlangt wieder hohe Summen. Nein, Annius Rufus, das kannst du nicht tun.“

      „Aber Marcus“, antwortete der Statthalter, ärgerlich über diese Einmischung seines Vertreters, „wir können doch nicht zusehen, wie sie einen von uns einfach hinmorden.“

      „Das wusste Falba, als er sich hierher abordnen ließ“, antwortete Marcus ungerührt, „jeder von uns weiß, dass er hier sein Leben riskiert, die Juden geben keine Ruhe. Aber du und ich, wir wissen, dass der Staat vorgeht, dass man auch nicht nachgeben würde, wenn wir die Gefangenen wären. Nein, Rufus, ich bitte dich, lass den Gedanken fallen, auch wenn diesmal das Opfer ein Verwandter von Flavia ist, wie ich höre.“

      „Danke, Marcus, ich habe deinen Einwand zur Kenntnis genommen, jetzt lass mich bitte allein, ich muss über das Problem in Ruhe nachdenken.“

      Marcus Julius ging hocherhobenen Hauptes hinaus, Rufus wusste, gab er jetzt den Rebellen nach, würde sein Stellvertreter das dem Kaiser melden mit schlimmen Folgen für ihn.

      7.

      „Bringt mir den Juden her, den ich heute Morgen verhaftet habe“, befahl er seinem Sklaven am nächsten Morgen und kurze Zeit später stand Isaaks Bote wieder vor dem Statthalter.

      „Ich habe mir die Sache