Julia Fromme

Ehre und Macht


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zumindest gebunden durch das Wort des Priesters“, warf Falk trocken ein. Krystina wusste genau, was er meinte und es lief ihr ein Schauer über den Rücken. Doch hatte sie keine Angst vor ihrem Gemahl, eher war es die Sehnsucht danach, zu ihm zu gehören und ihm zu gefallen. Die Vorstellung davon, dass sie wirklich ein richtiges Paar würden, sandte ihr Wellen der Erregung durch den Körper. Doch wollte sie wirklich an der Seite dieses Mannes bleiben, musste sie ihm endlich erzählen, wieso sie ihn kannte.

      „Erinnert Ihr Euch an die junge Frau, deren Leben Ihr einst zu retten versuchtet?“, fragte Krystina nach einem Moment des Schweigens. Falk zuckte unvermittelt zusammen. Sie konnte doch unmöglich ... Nein, das ergab keinen Sinn. Sie war damals ja vielleicht noch nicht einmal geboren.

      „Sie war meine Mutter“, fuhr Krystina fort, als hätte sie Falks Reaktion gar nicht bemerkt. „Ich war damals noch ein Säugling. Natürlich wusste ich lange Jahre nichts von den Vorfällen, bis ich in das Haus Eures Onkels kam.“

      Falk sah sie verständnislos an.

      „Es war ungefähr vor fünf Jahren, da schickte mich mein Onkel zu Friedrich von Chomotau, damit ich als Dame seiner Frau meine Ausbildung vervollständigen konnte. Er hatte ehrgeizige Pläne mit mir und wollte mich vorteilhaft verheiraten. Zu seinem Vorteil, versteht sich.“ Krystina stieß ein bitteres, kurzes Lachen aus.

      „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Falk etwas bissig. Er hatte wahrlich keine Lust, sich jetzt mit den Gespenstern der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Zu viele Jahre waren seitdem vergangen und es war ihm gelungen, die Ereignisse jener Zeit erfolgreich zu verdrängen. Bis Krystina auftauchte.

      Nein. Die furchtbaren Erlebnisse aus seiner Kindheit, genauer aus seiner Knappenzeit hier in Louny, hatten ihn letzte Woche schon wieder eingeholt, als er in die Hände des Gaugrafen gefallen war. Aber das ausgerechnet Krystina Teil dieser Sache sein sollte, schockierte ihn umso mehr, da sie jetzt auf wirklich wundersame Weise seine Frau geworden war. Noch hatten sie die Ehe nicht vollzogen. Aber der vor dem Angesicht Gottes gegebene Eid, sie zu beschützen, bis dass der Tod sie schied, war für ihn keine Floskel, durch die er sein Leben retten konnte. Er war es diesem Mädchen schuldig, auch ihre Beweggründe anzuhören. Und wenn sie gewillt war, bei ihm zu bleiben, würde er sie mit zurück in die Mark Meißen nehmen und ihr einen Platz als seine rechtmäßige Ehefrau einräumen. Eigentlich hatte er nie vorgehabt, zu heiraten. Aber nun wollte es das Schicksal anders, und er musste sehen, wie er damit zurechtkam.

      „Ich war auf dem Weg in die Kemenate, da sah ich Euch eines Nachmittags in der Halle stehen, als ihr gerade mit eurem Cousin von der Jagd zurückgekommen wart. Ihr gabt Euch fröhlich und ausgelassen. Aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass diese Fröhlichkeit nicht von innen herauskam, sondern nur aufgesetzt war, wie um vor den anderen Eure wahren Gefühle zu verbergen.“ Krystina sah ihn fragend an, als erwartete sie eine Bestätigung ihrer Worte.

      „Außerdem hat mir gefallen, was ich sah.“ Sie zögerte kurz und eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht. Falk gab einen belustigten Laut von sich.

      „Nun, ich war jung, in einem Alter, in dem Mädchen träumen und schnell ins Schwärmen geraten.“ Sie lächelte. „Ich fragte die Frau Eures Onkels, wer Ihr seid und sie sagte mir, dass Ihr der Neffe Friedrichs wäret, Falk von Schellenberg.“

      „Und dieser Name sagte Euch etwas“, stellte er fest.

      „Ja, ich hatte von meinem Onkel bereits von Euch gehört. Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, fragte ich ihn einmal, was mit meinen Eltern geschehen wäre und wieso ich bei ihm aufwachsen würde. Ich schien damit einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn zunächst wehrte er mich unwirsch ab und meinte, das sei nicht von Belang. Doch dann überlegte er es sich anders und erzählte mir, dass seine Schwester sich mit Radic von Trebenice, einem Ritter des Gaugrafen Boheslav, eingelassen hatte, als dieser zu einer Jagd mit seinen Männern auf Schloss Hauenstejn weilte. Sie wurde bald darauf mit mir schwanger. Mein Onkel war ihr Vormund und zwang sie in eine Ehe mit dem landlosen Ritter. Der Gaugraf gab sein Einverständnis unter der Bedingung, dass beide in Louny lebten, da er nicht auf seinen Gefolgsmann verzichten wollte. Dann starb mein Vater unter ungeklärten Umständen. Niemand ging der Sache nach. Mein Vater war ein entfernter Verwandter des Voyk von Trebenice, der ohne männliche Nachkommen gestorben war. Danach ging das Land in den Besitz des Prager Bischofs über. Doch mein Onkel weigerte sich, seine Schwester wieder bei sich aufzunehmen. Sie blieb auf Louny und war fortan den Schikanen des Gaugrafen ausgesetzt, der in ihr nur eine Dirne sah.“

      Krystina verfiel in düsteres Schweigen. Nach einer Weile berührte Falk sie leicht am Arm. Sie zuckte erschrocken zusammen.

      „Und dann? Ihr wart ein Kind, was ist aus Euch geworden nach dem Tod Eurer Mutter?“, fragte er, wohl ahnend, dass es sich bei ihrer Mutter um jene Frau handelte, deren Leben er als Knappe zu retten versucht hatte.

      „Wer meine Mutter war und dass sie auf grausame Weise starb, wisst Ihr wohl“, bestätigte sie seine Überlegungen.

      „Ja, auch wenn ich nicht gern daran erinnert werde“ Er machte eine kurze Pause. „Ihr habt die Augen Eurer Mutter.“

      Krystina lächelte verhalten. „Auch, dass der Gaugraf unmittelbar darauf ermordet wurde, ist Euch bekannt, denn Ihr wart dabei.“ Sie schaute Falk wissend an, doch er zeigte keine Regung. „Mein Onkel hat mir erzählt, dass ein junger Knappe namens Falk von Schellenberg meine Mutter vor den Übergriffen der Ritter auf Louny schützen wollte, doch der Graf ihn gewaltsam daran gehindert hat.“

      „So kann man es auch sehen“, antwortet Falk kurz, ohne sich zu weiteren Erklärungen herabzulassen. Als er nicht weitersprach, fuhr Krystina in ihrem Bericht fort.

      „Später in Chomotau erfuhr ich also, dass Ihr der Neffe des dortigen Herrn wart. Ich verblieb allerdings noch fünf Jahre in Louny in der Obhut der alten Schließerin Hilda. Die war zu Zeiten des alten Gaugrafen auch Köchin gewesen. Ein Beamter des böhmischen Herzogs Ottokar verwaltete die Burg. Der Sohn Boheslavs trieb sich irgendwo im Heiligen Land im Umfeld des Kaisers herum, wohin ihn sein Vater geschickt hatte, damit sich die Kirche zufriedengab. Es waren einige wenige Leute dortgeblieben, ein paar Waffenknechte und zwei, drei Mägde, die sich um die Burg kümmerten. Eines Tages kamen Reiter in die Burg und fragten nach der Tochter Gidas von Trebenice. Zunächst wusste keiner, wo solch ein Kind sein sollte, keiner kannte eine Frau dieses Namens und die Reiter zogen wieder von dannen. Aber als Hilda kurz darauf davon erfuhr, schickte sie einen der Waffenknechte nach Hauenstejn und ließ dem Herrn dort die Nachricht überbringen, dass sich ein fünfjähriges Mädchen auf der Burg befände, dass das gesuchte Kind sein könnte. So genau wusste sie nicht, ob meine Mutter auch wirklich die Schwester Kaspars von Hauenstejn war. Und so kam ich in den Haushalt meines Onkels, in dem ich zehn Jahre verblieb. Er gab mir seinen Namen - wohl um sein Gewissen zu beruhigen - und meine Eltern gerieten in Vergessenheit.“ Krystina verstummte.

      „Aber erklärt mir, warum Ihr nach Louny gekommen seid, um mich vor dem Tod zu retten? Das ergibt für mich keinen Sinn.“

      „Nun, wie ich schon sagte, Ihr wart mir aufgefallen an jenem Nachmittag und ich musste immer wieder an Euch denken, hatte aber nie Gelegenheit, mit Euch zu sprechen. Gewiss sahen wir uns hin und wieder an der Tafel des Herrn, doch Ihr habt mich nicht beachtet. Wieso auch, war ich doch nur ein kleines unscheinbares Mädchen.“ Krystina machte eine Pause, aber Falk ging nicht auf ihre Worte ein.

      „Ich wollte Euch so gerne danken. Doch ich fand nie den Mut, Euch unaufgefordert anzusprechen.“ Sie schmunzelte. „Vor einigen Tagen gab es großen Aufruhr auf der Burg in Chomotau. Ein Bote hatte Euren Onkel davon unterrichtet, dass der Gaugraf von Louny Euch gefangen hält. Es war die Rede davon, dass ihr einen Kaufmann erschlagen hättet. Auch, dass Ihr schon länger Euer Unwesen als Raubritter in der Gegend treiben würdet. Nun, letzteres hatte ich schon öfters vernommen, doch Euer Onkel meinte immer, es wäre üble Nachrede.“

      „Er hatte schon immer eine viel zu hohe Meinung von mir“, warf Falk trocken dazwischen. „Aber den Kaufmann habe ich in der Tat nicht hinterrücks erschlagen. Es war reine Notwehr.“

      Als er zu dieser Sache keine weiteren Erklärungen abgab, fuhr sie fort: „Nun,