Karina Förster

Spring!


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grinsend dichter und sieht mich lüstern an. Vor meiner Nase hält er inne. »Wo wir gerade davon sprechen. Ich habe Neuigkeiten. Die Zulassung ist eingetroffen. Du darfst gratulieren!«

      Das mache ich sehr gerne und falle um seinen Hals. Ich küsse wild und schnell sein ganzes Gesicht, bis er mich lachend von sich schiebt. Sein Gesicht wird schnell ernst.

      »Ich musste viel an dich denken. Ehrlich gesagt nur. Ich war nicht in der Lage zu glauben, dass ich dir egal bin. Ich habe mich als halben Menschen gefühlt.«

      Die vielen leeren Stunden, die ohne ihn nicht vergingen. Die Tage, die mir endlos erschienen. Nicht einer verging, ohne dass ich nicht an ihn gedacht habe. Nicht einer ohne eine verlorene Träne. Eine Götterträne.

      Und jetzt höre ich, dass es ihm ähnlich ergangen ist. Wo blieb der Rosenregen, wie im Märchen? Ende gut, alles gut.

      »Ella, du hast mir einmal vorgeworfen, dass ich dir nur den Dreck von mir gezeigt habe. Erinnerst du dich?«

      Nach Luft schnappend stoße ich meine Atemluft aus und nicke. Ja. Das habe ich ihm an den Kopf geschleudert.

      »Ich habe dir nicht nur Dreck von mir gezeigt. Das glaube mir.«

      Ich schniefe, meine Tränen hoch und nicke erneut. An unserem gemeinsamen Wochenende hatte ich mich ihn verliebt. Und doch … der Dorn. So nannte es Joris Oma. Der Dorn saß irgendwo in meiner Haut fest.

      Kritzelnd fege ich über das Papier: Sie nannte es Dorn.

      »Ich erinnere mich«, sagt Yanick leise und sieht mich lange an.

      Vorsichtig nimmt er mir den Stift aus der Hand. Er legt ihn mit dem Schreibblock auf das Nachtschränkchen. Danach streift er mir liebevoll den Zopf auf den Rücken. Seine Hand berührt sinnlich meine Halsbeuge. Ich senke die Lider und spüre ihn vor mir, denn sein Atem streift mein Kinn. Er küsst mich.

      Behutsam beugt er mich nach hinten. Unter seinen Küssen krümme ich mich lustvoll. Aber er spielt mit meinem Körper so lange, bis ich vor Verlangen völlig außer mir bin und anfange auf Russisch mit ihm zu sprechen. Er lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich und ich sehe ihn an..

      »Jeden Tag denke ich daran«, flüstert er und sieht mich unter seinen Bewegungen an. Er macht sie für mich. Ich atmete schwer, sehe nur ihn.

      »Jeden Tag.« Auch er atmet schwer.

      Ich weiß, was er meint und springe rückwärts in endlose Tiefe der Schwerelosigkeit. Fallend sehe ich ihn, wie er mir entrückt und fasziniert zusieht. Absolute Stille kehrt in mir ein.

      Nach den Nächten im Juli hatte nie jemand anderer für mich existiert. Wie könnte ich mich mit etwas trösten, das weniger Wert hat als das, was er in mir erweckt? Das, und nur das fühlt sich vollkommen an.

      Er hält seinen Atem an und pausiert für mich. Ich erschaudere und tauche ein. Ihn sehe ich oberhalb der Oberfläche. Spring! , denke ich und er springt. Er eilt mir nach. In unserem Meer der Liebe formiert sich alles neu und setzt sich wieder zusammen.

      Als wir auftauchen, zögere ich einen Moment. Ein Geräusch. Ich drehe mich um und sehe etwas pulsieren.

      Es erinnert mich an einen Herzschlag.

      Ein gemeinsamer Herzschlag.

      Wir haben ihn erschaffen.

      Kapitel 11

      »Hast du Hunger?«, flüstert Yanick in mein Ohr. Ich schlummere in seinem Arm, mit dem Rücken an ihn geschmiegt. Träge strecke ich mich.

      »Ich habe etwas vorbereitet.« Yanick springt auf, eilt in die Küche und öffnet den Kühlschrank. Er entnimmt dort einen Topf und hält ihn wie eine Trophäe in die Höhe.

      Ich schiebe mir die Decke wieder über meinen Kopf. Ich will nichts essen, lieber an vorhin denken. Yanick kommt zum Bett zurück und kriecht zu mir, zieht an der Decke.

      »Ich habe telefoniert und die Dame in der Pension gebeten, für dich eine Hühnerbrühe zu kochen.«

      Im Topf ist Suppe? Was hatte er?

      Verwundert und erstaunt gleichzeitig, sehe ich ihn an.

      »Irgendwie habe ich sie wohl überzeugt und e voila … Sie möchte auch, dass du wieder gesund wirst und auf deine Strümpfe kommst. Magst du?«

      Yanick überzeugt jeden irgendwie, ihn zu mögen. Die liebe Frau Holm hat ihn in ihr altes, liebes Herz geschlossen. Das habe ich bei unserer Ankunft sofort gemerkt. Er lässt sich neben mir fallen und zerrt die Decke komplett von mir herunter, als ich versuche sie wieder über meinen Kopf zu ziehen. Ich will doch nur an vorhin denken und mich dabei einkuscheln.

      »Anders ausgedrückt: Mir liegt am Herzen, dass du isst«, besteht er und richtet sich auf. Ich folge ihm, küsse seinen Hals, seine Ohren und will mich weiter nach unten vorarbeiten. Doch Yanick hebt mich kurzerhand aus dem Bett. Es fröstelt mir und ich sträube mich, indem ich strampele. Unnachgiebig sagt er: »Erst essen, dann kannst du wieder … Frau Nimmersatt!«

      Er setzt mich ab, zieht einen Stuhl vom Tisch ab und sieht mich auffordernd an. Ich folge widerwillig. Also gut. Schnell etwas essen. Auf dem Block notiere ich: Dann mach es nicht so mit mir, dass ich so viel davon will.

      Yanick liest und haucht in meinen Mund: »Frau Elisa Nimmersatt, ich kann nicht anders.« Er hebt mit der freien Hand den Deckel und ich sehe ungläubig in den Topf, der voll Eierstich und Hühnerfleisch schwimmt. Wie bei Oma! Ich kann mir förmlich ausmalen, wie er es angestellt hatte die Dame zu bezirzen. Er kann so charmant sein und alle Frauen um seinen Finger wickeln. Egal wie alt.

      Wir schlürfen die gehaltvolle Suppe, die gut tut.

      In den vergangenen Monaten habe ich deutlich Gewicht verloren und das meint Yanick mit: W ieder auf die Strümpfe kommen . Essen war das Letzte, worauf ich in der Vergangenheit Appetit hatte. Meist habe ich mich von Apfelmus und Babybrei ernährt, zumal mir auch die Lust fehlte die Dinge zu kochen, die durch den Hals rutschten. Uta hatte es oft übernommen zu kochen. Leider war Uta nicht rund um die Uhr da, um den Gewichtsverlust von mir zu stoppen.

      Yanick räumt ab und spült die Teller.

      Ich umfasse ihn, während ich hinter ihm stehe und an seiner warmen Haut schnuppere. Er riecht so verführerisch, dass mir ganz schwindelig wird. Ich küsse jede Stelle, die ich sehe.

      »Ich habe drei Wochen Urlaub. Alles, was ich mir freischaufeln konnte. Nach den drei Wochen fange ich an die Kanzlei aufzubauen und ich muss wieder dort sein.«

      Ich löse und stelle mich so an die Arbeitsplatte, dass ich in sein Gesicht sehen kann. Sorgfältig befreit er die Teller vom Fett der Suppe und legt sie in die Abtropfschale. Er arbeitet konzentriert, ohne mich anzusehen. Das dauert eine Weile und danach sieht er zu mir auf. »Die drei Wochen möchte ich hier mit dir verbringen, wenn du es auch möchtest.«

      Das ist nicht als Frage formuliert, aber ich blinzele einmal freudig. Drei Wochen. Nicht nur drei Tage. Der zweite Teller ist gereinigt. Yanick legt auch ihn in die Abtropfschale und kommt auf mich zu.

      »Für jeden Tag von damals eine Woche. Ich wünschte, es wäre mehr.«

      Ich muss schlucken.

      »Wenn du mehr willst, weiß ich, dass du mir das signalisierst.«

      Ich schweige betreten. Er überließ es mir also. Einen Haken gab es immer. Oder einen Dorn. Ich gehe zum Sofa und setze mich. Wenn ich mehr will. Bis an mein Lebensende.

      Auf dem Sofa sitzend, starre ich Löcher in die Luft und denke nach. Undeutlich nehme ich wahr, wie Yanick duschen geht, nachdem er die Teller abgetrocknet hat. Drei Wochen im Tausch gegen drei Tage. Mehr nur dann, wenn ich mehr will.

      Will ich mehr?

      Ich sehe auf das Bild von Joris. Yanick, Ella und zwei Kinder. In einem großen Herz.

      Wir hatten drei schöne Tage