Karina Förster

Spring!


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das nur zu gut verstehen. Sagen Sie mir nur, was ich Ihrem Freund sagen soll.«

       Ich suche den Schreibblock und kritzele hastig: Bitte sagen Sie ihm nichts. Versprechen Sie mir das! Ich möchte es ihm selbst sagen. M

      Mir ist egal, ob ich für diese Lüge in der Hölle lande. Ich will nicht, dass Yanick es erfährt.

      »In Ordnung! Mach ich so. Jetzt gehen Sie und ruhen sich aus. Wir sehen uns morgen früh. Falls Sie aber etwas brauchen oder nicht Alleinsein wollen, kommen Sie bitte zu mir.«

       Gute Nacht!

      »Schlaft schön!«

      Ich eile in das Zimmer, schließe hinter mir die Tür und lehne mich von innen dagegen. Einmal tief durchatmen. Grinsend geht mir immer wieder ein Wort durch den Kopf: s chwanger.

      Ich eile in das Bad. Aus meiner Waschtasche krame ich den Schwangerschaftstest heraus, den ich mir nach Yanicks Abreise gekauft habe und lese mir die Anleitung durch.

      Okay.

      Also los. Der Teststreifen verfärbt sich rosa und ich setze die Kappe wieder auf. Waagerecht lege ich den Test hin und kaue unruhig auf meinen Nägeln. Drei Minuten können verdammt lang sein und ich laufe einmal quer durch das Bad. Mein Herz schlägt mir bis zur Schläfe, als ich wieder vor dem Test stehe und die Zeit prüfe.

      Ich hätte diesen Test schon früher machen können, doch was, wenn Yanick ihn, wie auch immer entdeckt hätte? Das wollte ich nicht riskieren.

      Wenn Frau Holm recht hatte, könnte ich das Kind wann erwarten? Schnell rechne ich nach. Fein! Zu Weihnachten.

      Jetzt muss ich mich sprachlos setzen. Das wäre ein echtes Geschenk. Eilig greife ich den Test und sehe: Zwei Streifen!

      SCHWANGER!

      Der Test fällt zu Boden und meine Hände ruhen auf meinem Unterleib. Ein Kind darin. Wie wunderbar! Ein Kind von Yanick. Eins mit Bernsteinaugen.

       Kleiner Schatz, hörst du mich?

      Kapitel 14

       Juli 2012

      Yan liegt vor mir und quietscht vergnügt. Er freut sich, dass ich ihm die Windel tausche. Er ist fast sieben Monate und übt sich im Bilden von Silben.

      Er hält sein buntes Tuch in den Händen und schleudert es durch die Luft. Seine braunen Augen verfolgen es aufgeregt.

      Er hat ein Spiel entdeckt. Es geht ganz simpel. Er lässt es fallen und ich hebe es auf. Es ist nicht sein erstes, aber wir spielen es solange, bis er Neue entdeckt.

      Meine Finger fahren über seinen Babybauch und er unterbricht sein brabbeln. Weil ich in seinem Gesichtsfeld auftauche, strampelt er jetzt aufgeregt und freut sich.

      »Fein gemacht, klein Yanick«, flüstere ich belegt und küsse seine Wange. Er hat den gleichen Hautton, wie sein Vater. Ebenso die Augenfarbe. Das habe ich mir so sehr gewünscht. Für gewöhnlich dominiert der genetisch dunklere Ton.

      Wenige Tage nach der Rückkehr aus Warnemünde bin ich zu einem Facharzt gegangen. Der Test bestätigte meine Schwangerschaft. So war es zu erwarten.

      Überglücklich erzählte ich Uta davon. Sie freute sich so lange, bis ihre Frage kam, ob Yanick es wüsste. Ich gestand ihr, dass ich nicht vorhatte, ihn darüber in Kenntnis zu setzen. Ich hatte auch nicht vor, ihn an der Entwicklung teilhaben zu lassen. Uta tobte.

      Als ich anfügte, dass ich die Schwangerschaft ohne seine Kenntnis oder Einverständnis provoziert hatte, war ihr Maß an Geduld mit mir voll. Sie war schockiert und erbost.

      Uta wollte von mir umgehend erfahren, was ein Mensch getan haben musste, damit ich mich ihm gegenüber so verhielt. Sie wollte von mir wissen, was er angestellt hatte. Sie konnte nicht nachvollziehen, warum ich seine Briefe ignorierte und ihm sein Kind verschwieg.

      Eine Antwort konnte ich Uta nicht geben. Als ich ratlos über diese Frage schwieg, rannte Uta wutentbrannt aus meiner Wohnung. Danach brach Regenwetter über unsere Freundschaft herein und wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Um Haaresbreite wäre unsere Freundschaft daran zerbrochen.

      Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht mit mir, sondern mit ihm befreundet war.

      Sie hatte das Gefühl, dass ich Yanick mit Füßen trete, denn sie war und ist noch immer überzeugt, dass er mich liebt.

      Uta meldete sich erst Wochen später wieder bei mir. Zerknirscht mieden wir seitdem das Thema Yanick. Das war mir recht, denn nach wie vor stand ich vor seinen Briefen, wenn ich aus der Dusche kam. Seit er in Rostock abgefahren war, hatte ich keine weiteren erhalten. Das bestärkte mich in der Vermutung, dass es definitiv ein Abschiedsbrief war. Ein Grund weniger, ihn zu öffnen. Einen Abschiedsbrief will ich nicht lesen.

      Zu glauben, dass nach diesen gemeinsamen Wochen ein normales Leben zurückkehrt, war ein Trugschluss. Seit ich auf dem Bahnhof erkannte, wie sehr ich ihn liebe, blutete mein Herz täglich mehr. Auch ohne Utas Vorwürfe. Die machte ich mir selbst.

      Es war schlichtweg unmöglich, meinen Liebeskummer zu verstecken. Ich lachte nun noch weniger als vor Warnemünde. Aß nur, damit unser Baby gesund auf die Welt kommen konnte. Ich machte alles nur noch für den ungeborenen Yan.

      Die Niedergeschlagenheit nach den drei gemeinsamen Wochen, war noch größer geworden, als ich es nach den drei gemeinsamen Tagen erlebt hatte. Es lässt mich bis heute nicht los.

      Meine Ärzte rieten mir dringend zu einer Psychotherapie, denn für sie stand fest, dass ich durch Stress meine Stimme verloren hatte. Doch ich ignoriere ihren Rat. Selbst Holger, mein Logopäde, bekniet mich. Mit Holger tanze ich seit ein paar Jahren zusammen. Das macht mir auch Spaß und ich mag ihn. In seinem Job ist er ein echter Wadenbeißer. Ich habe sogar einmal eine Therapiestunde verlassen, weil er mir mit seinen Ratschlägen auf den Keks ging.

      Auch die Geburt von Yan hatte nichts an meinem Liebeskummer geändert. Mir war das schon vorher bewusst, denn Yan ist ja kein Ersatz für Yanicks fehlende Liebe. Er ist das Glück meiner Liebe. Ich liebe ihn abgöttisch und kann ihn stundenlang ansehen. Ich sehe ihn nach wie vor als Geschenk an, als fleischgewordenes Wunder und kümmere mich aufmerksam um ihn. In meiner Mutterrolle blühe ich auf.

      Die Schwangerschaft verlief problemlos. Ich konnte meinen Wunsch entsprechend zu Hause entbinden. Durch den Verlust meiner Stimme war das die angenehmste Art zu entbinden, die ich mir unter den gegebenen Umständen vorstellen konnte. In Sicherheit, in geborgener Umgebung und mit Menschen, die mit mir für diese Situation kommunizieren gelernt hatten.

      Am 26.12.2011 wurde mir um 05:02 mein lang ersehntes Geschenk in meine Arme gelegt. Endlich konnte ich ihn mir betrachten, ihn befühlen, küssen und ihn auf dieser Welt willkommen heißen. Ich versicherte ihm, dass er das Glück meiner Liebe sei. Ich hielt ihn den ersten Tagen ununterbrochen auf meinem Arm umklammert.

      Uta tritt zu uns und sieht zu, wie ich mit Yan Heb das Tuch auf spiele. Amüsiert sagt sie: »Geh etwas Atem schöpfen! Ich beschäftige mich ein wenig mit ihm. Hallo Yan! Na, süßer Fratz? Magst du ein bisschen mit mir spielen? Mama geht sich ausruhen und kommt nachher gute Nacht sagen.«

      Mich schiebt sie aus dem Zimmer. Ich steuere auf das gegenüber liegende Badezimmer zu und will duschen gehen. Dort entkleide ich mich und besehe mich im Spiegel. Seit der Schwangerschaft hat mein Körper sich verändert. Die Hüften sind breiter, mein Gesicht runder und voller. Ich bin eine Blume, die aufgeblüht ist. Ich bin eine Mamotschka.

      Ich drehe meine Haare hoch, steige in die Dusche und genieße das warme Wasser auf meiner Haut.

      Für Utas Hilfe und Freundschaft bin ich aus tiefstem Herzen dankbar. Wir haben gemeinsam das Unwetter überstanden. Sie hilft mir wo sie kann. Sie ist da, wenn es mir schlecht geht. Sie liebt mich so, wie ich bin. Sie akzeptiert all meine Schwächen und Makel. Dafür bewundere ich sie.

      Ich hebe meinen Kopf. Ein Gedanke schießt mir durch den Kopf.