Karina Förster

Spring!


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will er jetzt von mir. Will er wissen, warum ich ihn im letzten Sommer mit in meine Wohnung nahm? Ich notiere: Du warst eben hartnäckig.

      »Ja und nein, Ella. Du wolltest es ebenso wie ich«, entgegnet er und ich kann dem nichts entgegnen. Ich wollte es. Schon im Bootshaus und noch lange davor. Gegen alles Denkvermögen, gegen alle Abwehrversuche, weil ich …

      Meine Hand fährt zu seinem Wangenknochen. Ja, auch ich wollte es. Ich ersehnte es und er ahnt nicht einmal wie sehr. Punkt.

      »Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurückdrehen. Es ungeschehen machen und danach besser.« Es klingt traurig. Seine Lider sind auf dem Tisch gesenkt.

      Ich lege meinen Löffel ab und bin unfähig ihn wieder aufzunehmen. Mein Hals schnürt sich zu, weil eine Erinnerung in mir aufsteigt … ein Märztag auf dem Friedhof …

      »Ich würde es tun«, sagt er leise und ich frage mich, wie es wäre, wenn das möglich wäre.

      Der zweite Gang wird gebracht.

       Ryba. Überbackener Fisch in einer Variation von Havel Zander.

      Schweigend starre ich auf den Gang, der vor mir auf dem Tisch steht. Meine Augen suchen Yanick, der auf meinen Teller sieht. Das Konzept des Menüs wird deutlich. Er mischt russische und deutsche Speisen. Genauer gesagt Regionale. Die Gänge werden immer schlichter. Mir wird ganz flau und ich werde unsicher. Zögernd nehme ich das Besteck auf und arbeite mich durch die Portion.

      »Ich war einmal blöd in meinem Leben. Genau im falschen Moment. Beim falschen Menschen.« Er trinkt und der Kellner kommt geeilt, um nachzuschenken.

      »Nein, ich meine beim Richtigen. Für mich«, berichtigt er sich und trinkt erneut, womit er das Personal auf Dauertrab hält.

      »Zu viel Wein. Ich werde redselig.« Entschuldigend trinkt er jedoch einen weiteren großen Schluck und sieht zu mir. Er trinkt zu schnell. Besorgt sehe ich ihn an. Was wird das hier?

      »Du willst wirklich nicht?«

      Ich senke meinen Blick und verneine. Keinen Tropfen würde ich im Moment anrühren. Egal wie edel das Tröpfchen wäre. Aber ich greife zu seiner Hand, während die Teller entfernt werden. Bittend sehe ich ihn an.

      Er wird eigenartig ruhig. Tief Luft holend trinkt er erneut einen Schluck Wein.

      »Das Fenster in Kais Küche. Du hast es doch auch gespürt, oder?«

      Einmal nicken.

      »Oh, Ella. Alles bist du für mich. Ich wäre fähig jeden zu erschlagen, der dich auch nur eine Spur zu lüstern ansieht.« Die letzten Worte waren ihm grell entfahren. Er hat den Arm ausgestreckt. Ich folge seiner Richtung und sehe, wie der Oberkellner sich auf seinen Absatz umdreht. Er entfernt sich eilig, weil er sich angesprochen fühlt.

      »Da! Er haut schon ab!«, ruf Yanick mit großen, lachenden Augen und beugt sich köstlich amüsiert vor. Angesichts dieser Szene lache ich mich stumm schlapp, bis Tränen in meine Augen steigen. Ich beuge mich vor und zurück. Yanick lacht über mich.

      »Ich fürchte, wir fallen unangenehm auf«, lächelt er und küsst meine Handinnenfläche. Dabei fährt er mit seiner Zungenspitze bis zu dem Handgelenk hinauf. Den anwesenden Gästen bleibt verborgen, warum ich meine Lider senken muss. Die Geste war so unauffällig und heimlich, wie sie erregend war. Ich beginne flach zu atmen und bin erfüllt von Liebe.

      »Möchtest du mir etwas sagen?«, fragt Yanick in meine Gefühlswelt hinein. Seine Tonlage ist lauter und ernst. Unheimlich eindringlich und ich bin sofort an meine Sünde erinnert. An meinen Diebstahl. Erschrocken ziehe ich meine Hand ein und fürchte, dass ich gleich vom Stuhl rutsche.

      Du?, weiche ich aus und nutze die Zeit des Schreibens, um mich neu zu sortieren.

      »Ich habe dich zuerst gefragt.«

      Wir bekommen den Nachtisch serviert und ich schweige ihn an. Auch jetzt weiß ich, dass ich selbst mit Stimme schweigen würde.

      Der Zauber von eben ist aus seinen Augen gewichen. Seine Pupillen sind wieder klein. Ich sehe zu dem Ring und fahre mit meinem Finger über den schimmernden Bernstein. Gedanklich tauche ich ab. Ich fühle, dort wo ich bin, Schwerelosigkeit, die alle schwierigen Fragen ausblendet, vergisst und mich leer wieder ausspuckt. Auch wenn ich weiß, dass es falsch ist mich jetzt so zu verhalten.

      In mein Gesichtsfeld werden Blinis geschoben.

      »Iss!«

       Kakao-Blinis mit Holunderbeeren und Havel-Äpfeln auf einem Joghurtspiegel.

      Stumm sehe ich ihn an. In meinem Kopf laufen tausend Bilder, Gedanken und Erinnerungsfetzen wie in einer schnellen Diashow ab. Ich kann sie weder stoppen, noch sortieren, einordnen noch benennen. Eben kam es mir ganz leer in meinem Kopf vor. Doch jetzt werden mir diese Flashbacks zu viel. Ich fühle mich plötzlich sehr schwach und klein.

      »Ich beobachte dich, wenn du schläfst. Deine Augen unter den Lidern träumen. Zu gerne wüsste ich, was du träumst. Welche Bilder du siehst. Manchmal wünschte ich mir auch, dass du deine Augen aufschlägst und mich ansiehst. Mit deinen so meerblauen Augen. Nur mich, mehr will ich nicht.« Er rollt seine Augen hoch und sieht versonnen an die Decke. »Du schläfst immer mit einer Hand unter deiner Wange. Sie wird von deinen Haaren eingerahmt. Ich brauche nur die Decke beiseiteschieben und deine Härchen richten sich auf. Unglaublich. Es ist so, als wüsstest du selbst im Schlaf, dass ich dich begehre. Dann würde ich dich am liebsten wecken. Schon der Gedanke bei dir zu sein zu dürfen. Mit dir sein zu dürfen …«

      Er beobachtet mich bis ins kleinste Detail. Seine Pupillen sind schlagartig geweitet. Sie verschlingen mich, reißen mich fort. Ich frage mich, ob ich es zulassen möchte.

      »Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich vollkommen, wenn du nicht bei mir bist, fühle ich mich unsagbar unbedeutend.«

      Er ist sehr gefasst. Er klagt nicht und zwingt mir auch keine Entscheidung ab. Morgen sind die drei Wochen um. In seinen Augen sehe ich Traurigkeit darüber. Aber er bettelt nicht. Er sagt lediglich, was er sich wünscht.

       Wie hatte ich ihn jemals für oberflächlich und arrogant halten können? Ich hätte auf der Brücke besser hinsehen müssen! Ich hätte …

      Lautlos werden unsere Teller entfernt.

      »Darf ich den Herrschaften noch etwas kredenzen?«, fragt der Kellner. Yanick wird aus meinen Augen gerissen und sieht benommen zu ihm. Er räuspert sich.

      »Nein. Nein. Das war es. Bringen Sie bitte die Rechnung.«

      Kapitel 13

      In der Pension angekommen, gehe ich in das Bad. Meine Hände entfernen geschickt die Haarnadeln. Danach entwirre ich den Zopf. Die blonde Mähne hängt mir kurz darauf wieder gleichmäßig über die Schultern. Ich sehe mich im Spiegel an und entkleide mich. Nackt sehe ich mich an. Was sieht Yanick, wenn er mich betrachtet. Was lässt ihn so verzücken?

      Ich sehe an meinem nackten Körper herunter. Am Unterleib verharre ich. Die Einnistung der befruchteten Eizelle kann bis zu 14 Tage dauern. Zärtlich legte ich meine Hände oberhalb des Schambeins ab.

      Den Kopf schief gelegt, besehe ich mich seitlich im Spiegel. Ich hoffe, dass mein Körper das Wunder des Lebens vollbringt und mir das geben wird, was ich mir von Yanick gestohlen habe.

      Die Tür öffnet sich leise hinter mir und ich erkenne Yanick im Spiegel, der eintritt. Er mustert mich neugierig. Schnell straffe ich mich und senke meine Hand.

      Er kommt näher. »Was machst du?«, fragt er mich und sieht hinter mir getreten in den Spiegel.

      »Ella?«

      Seine Tonlage ist tief. Ernst. Zu ernst. Jetzt nur keine Regung, kein Zucken, kein Blinzeln!

      Yanick sieht an mir hinunter. Er berührt mit seinen Lippen mein Oberarmgelenk. Mit seiner Zunge fährt er zu meinem Hals. Dabei