Karina Förster

Spring!


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stoppt sein Blick.

      Er wäre sicher ein sanfter und interessierter Vater. Tief bewegt betrachte ich ihn. Meine Augen füllen sich mit Tränenwasser. Ich habe ihm diese Möglichkeit genommen. Er wird nie erfahren, dass er Vater wird, wenn mein Diebstahl gelungen ist.

      In meinen Emotionen gefangen, erstarre ich zu einer Salzsäule, als Yanick seine Lider aufschlägt. Er sieht mich direkt an. Zu schnell um den Glanz und die Gefühle, in meinen Augen, vor ihm zu verstecken.

      Yanick strafft sich. Er hat noch immer den Blick auf mich geheftet und schluckt. Blitzschnell dreht er sich und zerrt mich an seiner Hand so fest aus dem Bad, dass ich folgen muss, wenn ich nicht fallen will.

      Er steuert in die Küche und ich sehe ihn verwirrt an.

      An der Küchenzeile stellt er mich ab und geht einen Schritt zurück. Von dort betrachtet er mich. Sein Blick gleitet an meinem Körper entlang. An einigen Stellen verharrt er. Seine Erregung steigt sichtlich.

      Da seine Augen dunkel schimmern, ist es für mich schwer einzuschätzen, wohin er sieht und was ihn erregt. Ohne Eile streift er sich seine Unterhose von der Hüfte. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen.

      Ich atme beschleunigt. Sei Blick auf mir genügt. In meinem Kopf hat nur ein Gedanke Platz. Nun kommt er näher. Aber auch das ist so langsam, dass ich mich vor Sehnsucht biege. Ich will ihn riechen, küssen und berühren.

      Jetzt steht er vor mir und neigt den Kopf zu meinem Hals. Lange kann ich nicht widerstehen und ziehe ihn zu mir. Doch er rückt ab und fegt eine Vase voll Tulpen von der Arbeitsplatte. Polternd landet alles auf dem Boden und das Wasser leert sich glucksend.

      Danach sieht er zu mir und grinst. Ich grinse zurück und Yanick zieht mich in seine Arme. Er küsst mich und mit Leichtigkeit hebt er mich hoch. Ich lande sitzend auf der Arbeitsplatte. Sein Mund hat sich nicht entfernt und das würde ich auch gar nicht zulassen.

      Seine Hände ziehen meine Hüfte zu sich. Als ich mein Becken sehnend strecke, dringt er ein. Er drückt mich zu ihm und seine Arme halten mich an meiner Hüfte umschlungen.

      »So, Ella. Und jetzt sag mir, was dich so anders als Ninette macht?«, fragt er in sein stöhnen.

      Ich rücke mit meinen Oberkörper ab. Habe ich richtig gehört?

       Yanick keucht leise und gräbt sein Gesicht in meine Haare.

      »Was macht dich so anders?«, keucht er erneut und seine Bewegungen werden schneller.

      Ich habe mich nicht verhört.

      Für diesen Vergleich spucke ich ihn an. Ich quittiere ihm so seinen Satz, während er sich langsam und mit geweiteten Pupillen im mir bewegt. Doch scheint ihn das nicht zu stören.

      Ich will mich lösen, doch er umklammert mich fest und macht weiter. Egal wie sehr ich mich befreien will, es scheint ihn nur zu befeuern.

      »Sag es Ella! Sag es!« Es klingt so, als ob er gleich ohne mich springt. Ich halte still und wehre mich nicht mehr. Stattdessen rücke ich seinen Kopf so, dass ich seine Augen sehe.

      Er will ohne mich springen und ist kurz davor es zu tun. Aber dennoch sieht er mich einladend an. Mich ansehend beginnt sein Sprung.

      Ich ziehe ihn zu mir und flüstere heiser in sein Ohr: »Sie hast du gevögelt. Mich liebst du.«

      Sein Aufstöhnen hört abrupt auf und er rückt von mir ab. Müde und erschöpft sieht er mich an. Sein Blick ist unendlich traurig und eigentümlich leer.

      Er tropft. Mir ist es eine kleine Genugtuung, dass ich seinen Spaß unterbrechen konnte. So sehe ich ihn jetzt auch an und halte meinen schmerzenden Hals.

      Sein Gesicht verändert sich. Es wird ärgerlich. »Und du? Mich vögelst du auch nur?«, schreit er plötzlich fragend los. Seine Arme reißt er dabei in die Höhe. Seine Stimme bricht. In einem Satz hüpfe ich von der Arbeitsplatte und gehe auf ihn los. Vor ihm angekommen holt meine Hand aus und trifft ihn auf seine Wange. Sofort rötet sich die Stelle. Das ist für diese Lüge. Wie kann er das ernsthaft denken? Ich starre wütend in seine Augen.

      Das ist nicht wahr!, schreit alles in mir. Seit ich mit ihm auf meinem Küchenstuhl in diesem Meer aus Gefühlen ertrunken bin, in der Dusche kein Wort mehr sprechen konnte … Das kann er doch nicht wirklich glauben!

      »Was dann Ella? Sag mir: Was? Spring, verdammt noch mal!«, sagt er ruhig und kommt näher. Seine Augen flattern über mein Gesicht. Sie suchen. Nach was? Mit brüchiger Stimme sagt er: »Allein bin ich machtlos, Ella. Damals wie heute. Nur fühle ich mich heute noch um einiges ohnmächtiger.«

      Traurig senkt er den Kopf, damit ich seine Tränen nicht sehe. Ich atme flach und starre ihn mit leerem Blick an. In meinem Kopf hallen die Sätze nach. Ich wiederhole sie, ohne die Botschaft zu verstehen. Ich fühle mich leer gefegt und verletzt.

      »Es sei die Ehre nach den Taten erwiesen«, sagt Yanick und sieht zu mir auf. Entsetzt weiche ich zurück. Seine Augen glänzen.

      Ganz klar, er will, dass ich es sage. Er will, dass ich ihn möchte. Doch ich kann nicht. Ich schlottere. Er hat seine Arme einladend erhoben. Ich fliege hinein und lehne mich an ihn. Wiegend hält er mich fest, obwohl ich erneut nicht sage, dass er bleiben soll. Wie schlecht ich mich fühle. Wie hässlich und gemein.

      Und dennoch ...

      Gemeinsam stehen wir auf dem Bahnsteig. Wir halten uns aneinander fest. In wenigen Minuten fährt sein Zug. Wir stehen bereits vor dem Wagen, in den Yanick eine Sitzplatzreservierung hat. Die Passagiere, die an uns vorbeieilen, bemerke ich nicht. Ich will die letzten Minuten in einer innigen Umarmung verbringen. An seinen Hals geschmiegt halte ich ihn umschlossen.

      Die drei Wochen sind um.

      Drei Wochen, in denen ich eine tiefe Kluft geschaffen habe, die ich nicht mehr in der Lage bin zu überwinden. Das habe ich selbst so gewollt und nun ist es unwiderruflich.

      Die Stimmung ist seit gestern Abend in der Küche gedrückt. Yanick nahm mich in seine Arme, führte mich ins Bett und hielt mich dort umschlungen. So sehr ich mich weigerte einzuschlafen, weil die gemeinsame Zeit immer weniger wurde, fielen mir irgendwann doch vor Müdigkeit meine Augen zu. Ihn fest umklammernd bin ich heute Morgen erwacht.

      Und dennoch kann ich nicht sagen: Bleib!

      Oder: Geh!

      Yanick schiebt mich, mit einem Kuss auf meine Stirn, vorsichtig von sich. Er zieht aus der Tasche einen Umschlag und hält er mir entgegen. Alle seine Briefe liegen ungeöffnet in dem Regal und jetzt erhalte ich noch einen. Dieser trägt keine Aufschrift.

      Manchmal genügte ein Blick auf seine Handschrift, um mir sein Gesicht in Erinnerung zu rufen. Hin und wieder nahm ich mir den jeweils Neuesten in meine Hand, befühlte ihn und führte ihn zum Mund. Niemals habe ich es geschafft einen zu öffnen.

      Und jetzt erhalte ich einen weiteren Brief. Ratlos sehe ich ihn an. Er liegt auf meinen Händen. Ein Abschiedsbrief, dämmert es mir.

      »Ich weiß du hast meine Briefe nicht geöffnet. Es scheint unsinnig dir einen Weiteren zu geben. Aber ich weiß, dass du diesen eines Tages lesen wirst. Er ist der Wichtigste. Vergiss das nie!« Er hebt mein Kinn an, um mir in ihre Augen sehen zu können. »Du hattest gestern Abend recht. Ich liebe dich, wie ich nie jemanden geliebt habe oder je wieder lieben kann. Bis an mein Lebensende. Ich bitte dich inständig, irgendwann diesen Brief zu lesen. Er ist wichtig!«

      Da ist wieder sein Bis an mein Lebensende . Diesmal nur aus noch weiterer Entfernung, als vor einem halben Jahr. Und dieses Mal habe ich dafür gesorgt. Mir rollt eine Träne aus dem Augenwinkel, die er sofort liebevoll wegwischt. Er greift meinen Kopf im Nacken und meine Stirn ruht an seinem Mund. Sein warmer Atem streift über mein Gesicht und ich zerre hilflos an ihm. Doch er reißt sich los und steigt ein. Ich heule jetzt und kann mich nicht beherrschen.

      Hektisch sehe ich zur Zugaufsicht. Deren schrilles Pfeifen ertönt. Es ist das Abfahrtsignal. Ich sehe zu Yanick, der hinter der Zugtür verschwindet, die