Uwe Bekemann

Im Bann des Augenblicks


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aufgrund ihrer Sorgfalt nie einen Termin verpasst und war zudem immer gut vorbereitet, weil sie mir jeden nahenden Termin immer ausreichend früh angekündigt hat. Nicht vergessen werden darf, dass sie die an uns gerichtete Post von der Poststelle abholte und dabei unsere Ausgangspost mit auf den Weg brachte. Sie betreute das E-Mailpostfach des Dezernates und erledigte alle am PC anfallenden Arbeiten, beim Erstellen von Schreiben angefangen und dem Arbeiten mit der Tabellenkalkulation und dem Erarbeiten von Präsentationen längst noch nicht aufgehört. Sie sehen, Frau Lange war eine Mitarbeiterin, wie man sie sich nur wünschen kann. In Teilen wurde sie von Frau Hemmersbach unterstützt.“

      „Und welche Kontakte zu Personen pflegte sie dabei?“, fragte Brauer nach.

      „Eine Eingrenzung ist in keiner Weise möglich“, gab Dr. von Braunefeld zurück. „So gut wie alle Personen, die mit mir sprechen wollten, sowohl persönlich als auch telefonisch, mussten an Frau Lange vorbei. Sie hatte dem entsprechend Kontakt zu allen Personen, mit denen ich selbst Kontakt hatte, und dabei handelt es sich um eine stattliche Anzahl. Und darüber hinaus mit all denen, die von ihr nicht bis hin zu mir weitergeleitet worden sind, oder die von vornherein nur mit ihr, nicht mit mir, zu tun hatten. Sie sehen, es gibt da wirklich keine Eingrenzung.“

      Brauer kräuselte enttäuscht die Stirn, und meinte dann nach kurzer Pause: „Wir müssen sehen, ob uns dies in der Sache weiterbringen kann. Zunächst klingen Ihre Ausführungen eher ernüchternd.“

      „Es tut mir leid, dass ich Ihnen insoweit keine gute Hilfe sein kann“, bedauerte Dr. von Braunefeld. „Wenn mir trotz allem noch etwas einfallen oder auffallen sollte, was für Sie von Interesse sein könnte, so werde ich Sie selbstverständlich umgehend darüber informieren.“

      „Mit dieser Zusage kommen Sie einer Bitte von uns zuvor“, lächelte Brauer, von mehrmaligem leichten Kopfnicken des Kollegen Thiel begleitet.

      Es entstand eine kurze Pause, während der offensichtlich alle Anwesenden überlegten, ob es noch etwas anzusprechen galt.

      Thiel, der bis jetzt nur aufmerksamer, aber schweigender Begleiter des Gespräches zwischen Dr. von Braunefeld und Brauer gewesen war, unterbrach die Stille, indem er sich fragend seinem Kollegen zuwendete: „Damit sind wir eigentlich durch, oder?“

      Brauer bestätigte die Einschätzung seines Kollegen.

      „Möchten Sie nun mit Frau Hemmersbach sprechen, sodass ich sie herein bitten soll?“

      Die beiden Polizisten sahen sich kurz schweigend an. Offensichtlich wollten sie sich auf diese Weise wortlos abstimmen. So nickte Thiel seinem Kollegen denn auch kurz zu.

      „Ja, holen Sie Frau Hemmersbach doch bitte herein!“, bat Brauer sodann.

      „Dr. von Braunefeld erhob sich sogleich, ging zur Tür zum Vorzimmer und öffnete sie, wobei ein lautes Schlaggeräusch sein kraftvolles Niederdrücken des Türgriffes begleitete.

      „Frau Hemmersbach, kommen Sie doch bitte einmal herein. Die beiden Herren von der Polizei möchten gern ein paar Fragen an Sie richten.“

      „Ja, ich komme, der Kaffee ist noch nicht ganz fertig, ich muss ihn gleich nachholen“, gab die Angesprochene zurück. Sie unterbrach ihre Arbeit und ging respektvoll an ihrem wartenden Chef vorbei in dessen Büro. Unsicher blieb sie kurz nach dem Eintreten stehen und wartete auf die Aufforderung, sich zu setzen.

      Sowohl Brauer als auch Thiel hatten sich von ihren Stühlen erhoben, um Frau Hemmersbach höflich zu empfangen.

      „Neben Sie bitte Platz, Frau Hemmersbach, und versuchen Sie den Kollegen von der Kripo bestmöglich zu helfen!“, forderte Dr. von Braunefeld seine Mitarbeiterin auf, wobei er einen Stuhl bereit rückte und ihr den Platz mit einer einladenden Handbewegung zuwies.

      Frau Hemmersbach bedankte sich, begab sich zum Konferenztisch, ging um den ihr angebotenen Stuhl herum und zog ihn sich dann so zurecht, dass sie darauf Platz nehmen konnte. Die beiden Polizisten hatten ihre Plätze inzwischen ebenfalls wieder eingenommen. Sie zögerten noch einen Moment, bis sich auch Dr. von Braunefeld wieder gesetzt hatte. Sodann nahm wiederum Brauer das Gespräch auf.

      „Ja, Frau Hemmersbach, den traurigen Anlass unseres Besuchs hat man Ihnen sicherlich inzwischen mitgeteilt“, begann er, um dann dennoch, von wiederkehrendem Kopfnicken der Angesprochenen begleitet, einen kurzen Abriss des Sachstandes zu geben.

      „Ihre Kollegin, die Frau Lange, ist, und darauf deuten alle bislang bekannten Umstände hin, von einem oder mehreren Tätern getötet worden. Unsere Ermittlungen gehen in alle Richtungen, und dabei erhoffen wir uns auch Erkenntnisse, die sich in Zusammenhang mit der Dienstausübung der Frau Lange ergeben können. Gibt es irgendwelche Dinge, die Ihnen von Frau Lange erzählt worden sind und die für uns von Interesse sein könnten, haben Sie zuletzt vielleicht auch irgendwelche Auffälligkeiten in ihrem Verhalten beobachtet?“

      Frau Hemmersbach war die nervöse Anspannung, unter der sie stand, deutlich anzumerken. Ihre Hände zitterten und sie hatte eine Sitzhaltung eingenommen, die beinahe schon als zusammengekauert bezeichnet werden konnte. Noch ehe ein einziges Wort über ihre Lippen gekommen war, begann sie leise zu weinen.

      „Entschuldigen Sie bitte!“, bat sie und drückte mit beiden Händen ein noch zusammengefaltetes Papiertaschentuch, das sie schon länger in der linken Hand gehalten haben musste, auf ihre Augen. Es vergingen einige Sekunden, bis sie sich wieder etwas gefasst hatte.

      „Es tut mir leid, aber Frau Langes Schicksal hat mich doch ziemlich mitgenommen“, schluchzte sie.

      „Lassen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, um mit uns sprechen zu können“, nahm Brauer der Situation den empfundenen Zeitdruck.

      „Ich werde inzwischen für den Kaffee sorgen“, lenkte Dr. von Braunefeld vom Thema ab. „Er müsste inzwischen fertig sein. Warum soll ich nicht einmal für die Versorgung zuständig sein?“, ergänzte er mit einer Frage, auf die er keine Antwort erwartete. „Ein Kaffee wird uns allen gut tun.“

      Er holte, von den schweigenden Polizisten dabei beobachtet, vier Tassen mit den dazu gehörenden Untertassen aus einem Büroschrank an der dem Fenster gegenüber liegenden Zimmerwand und verteilte sie auf dem Tisch.

      „Moment bitte, es fehlen noch der Kaffee, Milch und Zucker. Ich bin sogleich zurück.“ Er verschwand im Vorzimmer, um kurz darauf mit einem gefüllten Tablett in den Händen wieder zu erscheinen.

      „Milch und Zucker nehmen Sie sich bitte selbst“, bat er, während er den Kaffee, jeweils mit einem „Danke“ quittiert, in die Tassen schenkte.

      „So, Frau Hemmersbach, dann genehmigen Sie sich jetzt erst einmal einen guten Schluck, und dann wird es sicher gehen, nicht wahr?“, redete er seiner Mitarbeiterin gut zu.

      Brauer wartete ab, bis sich die Angesprochene bedient hatte, und wiederholte dann seine Frage von zuvor.

      „Also, Frau Hemmersbach, sind Ihnen irgendwelche Besonderheiten aufgefallen oder hat Frau Lange Bemerkenswertes erzählt?“

      „Nein, da war gar nichts. Es war alles wie immer. Sie hat auch nichts von Problemen erzählt oder so.“

      Nur ein gelegentliches reflexhaftes Schluchzen, das gewöhnlich einem Weinen folgt, erinnerte noch an ihre Erschütterung wenige Augenblicke zuvor.

      „Sie sind ganz sicher, dass Sie nichts übersehen?“, bohrte Brauer nach.

      „Ja, da war wirklich nichts. Ich würde es erzählen, wenn da etwas gewesen wäre.“

      „Hat Ihnen Frau Lange eventuell etwas über Bekanntschaften erzählt, vielleicht auch über neue Bekannte? Da sie geschieden und allein lebend war, könnte sie jemanden neu kennen gelernt haben.“

      Frau Hemmersbach schüttelte bedächtig den Kopf, wobei sie ihre Lippen leicht aufeinander presste, was ihrem Gesicht den Ausdruck hilflosen Bedauerns verlieh.

      „Hat sie vielleicht Andeutungen gemacht, wie sie den gestrigen Abend verbringen wollte?“

      Brauer gab die Hoffnung nicht auf, vielleicht doch einen Hinweis aus dem Mund der jungen Frau zu erhalten.

      „Nein, über diese Dinge haben wir ohnehin nie gesprochen“, wurde er erneut von Frau Hemmersbach enttäuscht. „Eigentlich