Katharina Kopplow

LUCIFER


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und ordneten sich neu an.

      „Ich bin tot“, wiederholte Lucifer. „Ich kann Euch nicht mehr helfen. Ich wüsste auch nicht, wie oder wozu.“

      „Wie wäre es, wenn ich dir helfe, Satan zu töten?“ Die Worte der Fremden schwebten in der Luft. „Im Gegenzug verlange ich lediglich, dass du meine Tochter Vanth befreist. Sie ist seit viel zu langer Zeit in den Kerkern eingeschlossen, nachdem sich diese Bestie es sich erdreistet hat, sie dort zu versiegeln.“

      Überrascht über dieses Angebot blickte Lucifer sie an, doch der Nebel um ihr Gesicht lichtete sich nicht. Dafür waren die merkwürdigen Male zur Ruhe gekommen und blieben unbeweglich an ihrem Platz.

      „Wenn Ihr Satan töten könntet, weshalb befreit Ihr Eure Tochter dann nicht selbst?“, fragte er skeptisch.

      „Ich verfüge derzeit nicht über einen festen Körper“, entgegnete die Frau wie selbstverständlich. „Was du hier vor dir siehst, ist ein Teil meiner Seele. Aber dieser kann nur indirekt auf die Wirklichkeit Einfluss nehmen, also brauche ich zusätzlich noch dich, Lucifer Morgenstern.“

      „Und wenn ich ablehne?“

      „Dann werde ich dich nicht länger aufhalten.“ Die Frau wandte sich ab. „Du wirst den Weg vollenden, den du gewählt hast, und ich werde mir jemand anderen suchen müssen.“ Sie klang, als habe sie noch etwas hinzuzufügen, schwieg jedoch.

      Lucifer ballte die Hände zu Fäusten.

      „Und was wird aus mir und den anderen, sobald Satan tot ist?“

      „Das liegt ganz allein in deinen Händen“, antwortete sie und der Wind trug ihre Stimme fast davon. „Ich gebe dir eine zweite Chance. Ob und wie du sie nutzt, ist deine Sache. Aber sobald du einwilligst, wirst du für immer von deiner Herkunft als Engel abgeschnitten sein. Es gibt kein Zurück mehr in den Himmel oder das Licht Gottes.“

      Sie lachte, ohne dass es fröhlich klang. Der Klang jagte Lucifer einen eisigen Schauer über den Rücken.

      „Ihr helft mir also, Satan zu töten, und im Gegenzug muss ich lediglich Eure Tochter befreien?“, fasste Lucifer zusammen und bemühte sich, das unwohle Gefühl, das ihn bei dieser Frau überkam, zu unterdrücken.

      „Ganz genau.“ Sie drehte sich wieder zu ihm und diesmal konnte er das rote Glühen ihrer Augen selbst durch den Nebel hindurch erkennen. „Willigst du ein?“

      Lucifer zögerte.

      „Unter einer Bedingung.“

      „Die da wäre?“

      „Ihr verratet mir, wer Ihr seid.“

      Das dämonische Lachen erklang erneut, noch lauter, bis es den tobenden Wind übertönte.

      „Ich bin Lilith, die Dämonenmutter und Widersacherin Gottes. Es hat mich gefreut, mit dir Geschäfte zu machen, Lucifer Morgenstern!“

      Höllensturz Kapitel 14

      Keuchend schreckte Lucifer auf. Er fand sich selbst in einer Blutlache wieder, das Kurzschwert locker in seiner rechten Hand liegend. Sein Herz raste, doch er fühlte sich auf eine merkwürdige Art befreit. Hastig rappelte er sich auf, taumelte aus dem Raum, wobei er das Schwert unterwegs verlor, ins Badezimmer, wo er sich ins Klo übergab.

      Danach fühlte er sich besser. Erschöpft betrachtete er sich selbst im Spiegel: ein abgemagerter Körper mit einem knochigen Gesicht und Augen, aus denen der Lebenswillen gewichen war. Blasse Haut spannte sich eng über die Knochen und ließ ihn wie ein laufendes Skelett aussehen. Nichts an ihm deutete mehr auf die einstige Kraft und Schönheit hin.

      Vorsichtig drehte er sich um und warf einen Blick über die Schulter, um die Wunden zu betrachten. Dicke Blut- und Eiterblasen bedeckten das aufgerissene Fleisch und die Wunden schienen alles andere als sauber zu verheilen. Er fragte sich, ob er Leona bitten durfte, die Blasen aufzustechen und alles großflächig zu desinfizieren.

      „Lucifer?“, erklang Amons Stimme auf dem Flur und er bildete sich ein, Sorge darin vernommen zu haben.

      „Ich bin im Badezimmer“, antwortete der Geschwächte und wartete, bis Amon die Tür aufstieß und ihn besorgt musterte.

      „Geht es dir besser?“, fragte er leise.

      „Ein wenig“, antwortete Lucifer ausweichend. Er wog ab, ob er Amon von seiner unwirklichen Begegnung mit Lilith erzählen sollte, entschied sich aber dagegen. „Ich muss diese Wunden desinfizieren, bevor sie sich noch weiter entzünden.“

      Amon lehnte sich in den Türrahmen und nickte. Er wirkte erleichtert, Lucifer wieder auf den Beinen zu sehen. Zögerlich näherte dieser sich dem Dämon. Er wusste nicht genau, wie ihre Beziehung zueinander nun aussah, aber ihn zu küssen erschien Lucifer zu verlockend, um es bleiben zu lassen.

      Der Dämon legte die Arme um ihn, wobei er darauf achtete, die empfindlichen Wunden nicht zu berühren. Seine Zunge fand ihren Weg in Lucifers Mund und die beiden versanken in einen innigen Kuss, der gerne noch länger hätte andauern dürfen, doch Amon schien der Sinn nicht nach Zärtlichkeiten zu stehen.

      „Satan ist fuchsteufelswild deinetwegen“, erklärte er ernst. „Wir haben ihm erzählt, du lägst im Koma, damit er dich nicht sofort wieder zu sich ruft, aber du solltest dich auf eine ordentliche Tracht Prügel einstellen, sobald du ihm wieder unter die Augen trittst.“

      Lucifer seufzte schwer.

      „Schlimmer kann es ohnehin nicht werden. Abgesehen davon bin ich auch nicht bereit, mich weiter von ihm herumschubsen zu lassen.“ Er beobachtete, wie Misstrauen in Amons Blick trat, als der Dämon sich von ihm löste. „Ich werde lieber kämpfend sterben, als mich von ihm versehentlich tottreten zu lassen.“

      „Du kannst ihn nicht besiegen, Lucifer!“, beharrte Amon zunehmend wütend. „Er ist zu mächtig und du zu geschwächt.“

      „Ich kann ihn bestimmt nicht besiegen, wenn ich es nicht zumindest versuche!“, beharrte Lucifer, nun ebenfalls gereizt. „Gib mir dein Kurzschwert, dann werde ich es gleich jetzt machen!“

      „Lucifer, nein!“ Amon funkelte ihn an. „Du verstehst nicht; ich bin ein Schwertdämon, der Satan unterstellt ist. Solange er mich hat, ist er unbesiegbar. Und ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben wegwirfst und ich auch noch Schuld daran bin!“

      Eine Antwort lag Lucifer bereits auf der Zunge, als Amon sich umdrehte und einfach aus dem Bad stapfte, ohne auf die wütenden Zurufe des anderen Mannes zu achten. Lucifer rannte ihm nach und stellte verwundert fest, wie leicht es ihm plötzlich wieder fiel. Er hielt mitten auf dem Gang inne, um sein schief verheiltes Bein zu begutachten, das ihm nun keine Probleme mehr bereitete. Für eine Sekunde glaubte er, das hohe Lachen einer Frau zu hören, das ihm erneut einen Schauer über den Rücken jagte. Lilith stand ihm also wirklich bei.

      Bestärkt durch diese Erkenntnis eilte er Amon hinterher in dessen Räumlichkeiten. Der Dämon drehte sich zu ihm um. Seine Augen glühten rot und Reißzähne brachen zwischen seinen Lippen hervor.

      „Dann geh doch und lass dich abschlachten, du dummer Engel!“, fauchte er. „Ich habe es satt, mir um andere Leute Gedanken zu machen, die dann doch nur in den Tod rennen!“

      Lucifer fiel ihm in die Arme, schmiegte sich an ihn und vergrub die Finger in dem langen Haar.

      „Ich werde nicht in den Tod rennen“, versprach er leise, als Amon ihn abzuschütteln versuchte. „Bitte hab ein bisschen Vertrauen in mich. Ich werde Satan vernichten und uns allen hier unten ein besseres Leben ermöglichen.“

      Er spürte, wie der Dämon seine Gegenwehr aufgab, und schwer seufzte.

      „Ich verstehe, wie du es geschafft hast, aus dem Himmel verbannt zu werden, Lucifer.“ Er löste sich von dem kleineren Mann, hob das Kurzschwert auf und reichte es ihm mit einer feierlichen Verbeugung. „Dann geh und rette die Hölle, wenn du es nicht lassen kannst.“