wurde für den Fall, dass es aufregende Nachrichten gab.
Der Sprecher eines Privatsenders hatte sich soeben des Mikrofons bemächtigt. Am unteren Rand des Bildschirms lief ein Band:
..-. Handlos-Morde in München - Handlos-Morde in München
„Vor wenigen Minuten erreichte uns eine Meldung aus München. Dort sorgt der Fund einer abgehackten Hand für große Aufregung unter der Bevölkerung. Es sieht so aus als sei die Hand den Opfern eines Gewaltverbrechens nach dessen Tod abgeschnitten oder abgesägt worden. Es scheint sich um einen Serientäter zu handeln. Bisher wurde offenbar weder nach dem Ermordeten noch nach dem Mörder gesucht.“
Es wurde in ein offenbar privates Wohnzimmer umgeschaltet: Eine junge Frau saß neben dem Reporter auf einer Couch.
„Nein!“ rief Elsterhorst, wurde aber sofort von den anderen zur Ruhe gemahnt.
„Frau Sutter, Sie haben sich mit uns in Verbindung gesetzt. Bitte, berichten Sie uns über ihr Erlebnis.“
Frau Sutter war geradezu gierig auf ihren Auftritt. Und sie machte das gut. Atemlos und voller Sorge um ihren Sohn erzählte sie, was sich auf dem Südfriedhof abgespielt hatte, wobei sie immer wieder betonte, wie unhöflich der Mann mit dem Hund gewesen sei und wie lieblos er mit dem Kind umgegangen sei.
„Er hat sich nicht einmal bei ihm bedankt.“
„Und Sie haben die Sache auch an die Presse gegeben, Frau Sutter?“
„Natürlich! Wir haben ein Recht auf Information. Wenn die Polizei dem nicht nachkommt, müssen es die Bürger machen.“
Der Sender schaltete auf Werbung um und ein Sprecher versprach, die mit den Passanten geführten Interviews in wenigen Minuten zu bringen.
Im Fernsehraum des Polizeipräsidiums ging es zu wie in einer Schulklasse ohne Lehrer. Alle redeten und schrien durcheinander.
„Ein Glück, dass die nicht weiß, dass es eine zweite Hand gibt!“
„Es scheint sich tatsächlich um eine Mordserie zu handeln!“
„Mensch Elsterhorst, nun tun Sie doch was!“
„Wir müssen sofort den Polizeipräsidenten verständigen!“
„Wer übernimmt die Presse?“
Da sich Elsterhorst als Zielscheibe der ganzen Aktion sah, nahm er Rinaldo an die Leine und wandte sich zur Tür.
„Ich werde mich um alles kümmern“, sagte er und verließ den Raum.
Für 1000 Silberlinge
Es war ein hübsches kleines Haus, in dem die Sutter mit ihrem Sprössling wohnte. Elsterhorst öffnete das unverschlossene Gartentürchen und hielt Rinaldo kurz an der Leine. Neben der Haustür stand ein nacktes Holzmännchen mit allem Zubehör und zeigte mit dem dünnen Ärmchen auf ein wie ein Pfeil geformtes Schild.
Zum Atelier >>>>
An der Haustür selbst waren zwei Klingelknöpfe mit kunstvollen Namensschildern:
< Daniela / Künstlerin >
< Benjamin / digital native >
Elsterhorst drückte den ersten. Aber wie selbstverständlich öffnete Benjamin.
„Ist deine Mutter da?“
„Warum?“
„Ich muss mit ihr reden!“
„Warum?“
Daniela rief aus dem Hintergrund:
„Wer ist denn da?“
„Der Polizist mit dem Hund.“
„Ach du liebe Zeit! Kannst du ihn nicht loswerden?“
„Warum?“
Elsterhorst machte einen Schritt auf Benjamin zu. Rinaldo zerrte an der Leine.
Da kam Daniela Sutter ihrem Sohn zu Hilfe.
„Der Hund bleibt draußen.“
„Das geht leider nicht, Frau Sutter. Wir dürfen in Privathäusern nur zu zweit Befragungen durchführen.“
„Das bezieht sich ja wohl auf Menschen, denke ich, Herr Kommissar.“
„Wir sind knapp an Personal. Also, darf ich hereinkommen oder soll ich Sie mit aufs Präsidium nehmen?“
„Ich habe eine Hundehaar-Allergie.“
„Der Hund ist präpariert. Da passiert nichts.“
„Mama, was heißt präpariert?“
Elsterhorst wartete die Erklärung nicht ab und betrat gesetzeswidrig den Vorraum. Hoffentlich war diese Frau so dumm wie sie aussah.
Sie war es.
„Benjamin, wärst du so lieb und würdest, bitte, in dein Zimmer gehen? Na, kommen Sie schon, Herr Kommissar, aber wenn ich in Atemnot komme, sind Sie schuld.“
„Ich habe ein Spray dabei. Und Ihr Sohn bleibt hier. Ich brauche Sie beide.“
Sie betraten ein Wohnzimmer. Der Zigarettenrauch vernebelte die Sicht.
„Also“, begann Elsterhorst und zog seinen Notizblock aus der Tasche, „was taten Sie zu dieser Zeit bei nicht gerade einladendem Wetter auf dem alten Teil des Südfriedhofs?“
„Ich suche Motive.“
„Motive? Für was?
„Sehen Sie, ich plane eine Ausstellung: Respekt vor den Toten. Es ist erschütternd, wie man heutzutage mit den Toten umgeht. Lesen Sie keine Zeitungen? Da werden alte Gerippe ausgegraben als wären es Tonscherben. Und in jedem Knochen ist doch ein Teil des Menschen, zu dem er gehörte.“
„Da gibt es aber keine Gerippe. Dieser Teil ist geschlossen.“
„Eben! Ich arbeite mit Gegensätzen. Da sieht man den Respekt vor den Toten. Daneben stelle ich die Skulpturen von geschändeten Skeletten aus. Verstehen Sie?“
„Und wozu nahmen Sie den Jungen mit. Hätte der nicht in der Schule sein müssen?“
„Ich war krank.“ sagte Benjamin. „Probe. In Biologie.“
„Wie bitte?“
„Ich habe ihm einen Entschuldigungszettel geschrieben!“
„Sag’s doch warum!“ mischte sich Benjamin ein.
„Warum soll er das wissen?“ Auch Daniela war mit „Warum?“ groß geworden. „Der Anblick eines Skeletts im Biologie-Raum und was die da alles durchnehmen, ich bitte Sie, das verletzt seine Intimsphäre. Auch wenn er das noch gar nicht überblickt! .... und außerdem ist ja doch gar nichts passiert!“
„Auf einmal?“
„Die Mama darf doch nicht ....“ setzte Benjamin an.
Aber Daniela unterbrach ihn ohne jeden Respekt vor seiner kindlichen Persönlichkeit.
„Du hältst den Mund!“
„Benjamin“, fragte Elsterhorst ungewohnt freundlich. „Was genau wollten die Männer vom Fernsehen eigentlich von dir wissen?“
„Was ich gesehen habe. Und ob da Kisten mit Spielzeug herumstanden. Und ob jemand was raus genommen hat.“
„Und? Hast du?“ Elsterhorst fiel siedend heiß die kleine antike Venus ein, die er aus der Römerkiste entnommen hatte, bevor sie abgeholt worden war. Die lag jetzt in seiner untersten Schreibtisch-Schublade. Eigentlich Fundunterschlagung.
„Ich