Werner Siegert

Truski - das Römermädchen vom Reitstein


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      „Chat!“ antwortete Benjamin. „Ich bin gleich in Facebook und solche Sachen. Aber das Foto von dem Hund mit der Hand durfte ich ja nicht reinstellen. Das wollten die Männer von dem Sender ja exklusiv.“

      Früher, dachte Elsterhorst, beauftragte man mit den Befragungen von Kindern eine mütterliche Polizistin. Heute bräuchte man einen Computerfachmann.

      „Können wir die Sache nicht auf sich beruhen lassen, Herr Kommissar? Ich sehe ja ein, dass das ein Fehler war, Sie, Ihren Hund und die Polizei zu beschuldigen!“ schaltete sich Daniela Sutter ein.

      Da stieß Rinaldo einen Schmerzenslaut aus. Benjamin hatte ihn auf den Fuß getreten. Merkwürdigerweise entspannten sich daraufhin Danielas Gesichtszüge.

      „Ach, lass das mal!“ sagte Elsterhorst mit einem Unterton von Bosheit.

      „Was hat man Ihnen geboten für diese Aktion, Frau Sutter? Ich nehme an, Sie haben bei diesem Sender angerufen und denen die Geschichte erzählt!“

      „Ich weiß nicht wovon Sie sprechen.“

      „Oh doch. Das wissen Sie sehr genau. Wie wären die Leute vom Sender LOOK MUC sonst auf Sie gekommen? Es waren ja doch keine weiteren Zeugen dabei auf dem Friedhof! Ich meine, wie haben es die Fernsehleute gemacht. Waren das Ihre Aussagen, mit denen Sie mich beschuldigt haben? Oder hat man Ihnen die Worte in den Mund gelegt?“

      „Na ja, wie die Reporter das so machen!“

      „Und wieviel Geld haben Sie dafür bekommen?“

      „Haben wir noch gar nicht. Außerdem war da noch ein alter Mann auf dem Friedhof. Den haben Sie nur nicht entdeckt. Der hat uns nämlich genau beobachtet! Und das Geld bekommen wir erst, wenn die Sendung abgerechnet worden ist, haben die Leute gesagt. Wenn alles gut geht und vorbei ist.“ Antwortete Benjamin.

      „Wie viel Frau Sutter?“

      „1000 Euro. Wir können es gut gebrauchen. Hartz IV, wissen Sie. Mit Kunsthandwerk allein - da verhungert man ja in München!“

      Elsterhorst erhob sich. Was sollte er noch sagen? Sollte er den beiden noch die Falschaussage an den Hals hängen? Die Verleumdung? Nicht mal, dass sie die 1000 Euro dem Arbeitsamt melden müssen, legte er ihnen nahe.

       Elsterhorst in der Krise

      Elsterhorst rief von unterwegs ein Taxi. Da, wo ihn niemand sehen konnte, packte er sich und Rinaldo auf den Rücksitz und gab seine Adresse an. Er wollte nicht noch einmal ins Büro zurück. Er fürchtete, Beschuldigungen ausgesetzt zu werden ob seines Verhaltens auf dem Friedhof, so wie es der Sender LOOK MUC verzerrt dargestellt hatte. Wie könnte er diesen total verfälschten Eindruck jemals wieder löschen?

      Auch beim Aussteigen fühlte er sich beobachtet. Litt er an Verfolgungswahn? Diese Sutter hatte ihn als den „Polizisten mit dem Hund“ öffentlich gemacht. Und Rinaldo war jetzt an jedem Kiosk zu sehen.

      Vielleicht hatte der Junge auch noch unbemerkt ein Foto von ihm gemacht, das dann auch noch irgendwann in YouToube oder einer anderen Verblödungsplattform auftauchen könnte. Einmal drin, kam man nie wieder raus. Es gibt keinen Radiergummi fürs Internet! Totsein genügt bei weitem nicht.

      Warum das Ganze? Alles nur Wichtigtuerei! entschied er.

      Also schob er den Hund in seine Wohnung und ging ohne ihn ein paar Straßen weiter, um etwas zu Essen zu kaufen. Dann saß er da hinter seinem Couchtisch und tunkte tiefsinnig die Pommes frites in die Tomatensoße, während Rinaldo gierig an einem Schnitzel schmatzte. Kein Fernsehen heute, kein Radio.

      Gerade hatte er beschlossen, eine Flasche Rotwein zu öffnen und sich damit – wenn schon nicht in einen Vollrausch – so doch in den Schlaf zu trinken. Fast hätte er vergessen, die zweite Hand zu den anderen Reliquien ins Kühlfach zu legen. Da läutete die Türglocke.

      Nein, ich bin nicht da. Heute Abend nicht. Er war wild entschlossen, nicht zu öffnen. Niemandem!

      Aber das Klingeln hörte nicht auf. Rinaldo sah ihn an. Er würde jeden Augenblick anfangen zu bellen. Und das hätte das ganze Haus aufmerksam gemacht.

      Reporter, dachte er. Zeitungsmenschen. Paparazzi. Entsprechend reserviert war sein Ausdruck, als er nach langem Zögern doch die Türe öffnete. Rinaldo fegte herbei. Knurrte, bellte, drehte sich tänzelt herbei

      „Mensch, Maurice! Hast du geschlafen oder was?“

      „Schorsch!“ sagte Elsterhorst. Du hast mir gerade noch gefehlt, wollte er sagen.

      „Was soll das?“ kam ihm der andere zuvor. „Bin ich nicht dein alter Schulfreund – und Detektiv? Ja, Detektiv! Du kannst dir doch vorstellen, dass mich das alles brennend interessiert. Aber warte, ich habe dir jemand mitgebracht!“ Er wandte sich in das inzwischen wieder dunkle Treppenhaus.

      „Judith! Du kannst kommen. Der Herr Kommissar hat uns aufgemacht.“

      Jetzt kannte der Hund wieselnde, quietschende, jaulende Freude, kannte er die Frau doch von vielen hundelebensfreudige Begegnungen.

      „J u u d i t h ?“

      Und schon führte er Judith Schwertfeger herein, seinen Arm vertraulich um ihre Schultern gelegt.

      „Maurice!“ sagte sie zu ihrem alten Freund, der sich allerdings am liebsten in Luft aufgelöst hätte. „Ich bin stocksauer. Du kannst dir doch denken, dass es wichtig für mich ist, wenn Ihr hier alte Römer oder sogar eine Etruskerin ausgrabt. Muss ich das aus der Zeitung erfahren?“

      „Und müsst Ihr alles in die Gegend schreien? Ich habe doch mit diesen Römern gar nichts zu tun! Wieso hast du in London davon erfahren?“

      „War doch ein riesiges Titelbild, mit dem der INTERNATIONAL STAR aufgemacht hat!“

      Judiths Erscheinen, zusammen mit Georg Weickert, hatte Elsterhorst völlig aus dem Konzept gebracht. Er gab die Tür frei und die beiden gingen ohne Umschweife auf die Couch im Wohnzimmer zu. Rinaldo schleckte Judith beide Hände ab. Etruskerin? War das etwa der Fall, von dem der Kollege Velmond kurz gesprochen hatte? Zusammenreimen konnte er sich das alles nicht.

      Im Unterschied zu Judith hatte der schwarze Labrador den ihm fremden Weickert, ihm nicht ganz geheuren Gast, kurz beschnüffelt, fand ihn verdächtig und legte sich in die Mitte des Zimmers. Die Schnauze auf den Fremden gerichtet. Jener sollte wissen, dass dies hier sein Revier ist, wo er Judith und sein Herrschen zu beschützen hatte.

      „Also“, fragte Elsterhorst, „was ist los mit Euch? Besonders mit dir, Judith? Da lässt du eine Ewigkeit nichts von dir hören und wunderst dich, dass ich nicht sofort ans Telefon renne, wenn sie hier irgendwo ein paar Knochen finden?“

      „Ein paar Knochen? Ein ganzes Skelett!“

      „Nun verstehe sie doch, Maurice“, schaltete sich Weickert ein, „wir waren immer ein Team, schon auf der Schule, als du die Kleine behütet hast und du mir aus allen Verlegenheiten heraushalfst. Und nun sitzt sie da in London bei ihrem Verlag und hier spielt sich die Story ihres Lebens ab. Ich habe sie angerufen. Und sie kam. Wir kommen direkt vom Flughafen.“

      Elsterhorst warf Judith einen misstrauischen Blick zu.

      „Ich hätte dich auch abgeholt“, sagte er. Und dann zu Georg:

      „Und du? Interessierst du dich jetzt auch für alte Knochen?“

      „Nein, für frischere. Besonders, wenn es Handknochen sind. Mensch Maurice, jetzt gib uns endlich etwas zu trinken!“

      Elsterhorst hatte seine Fassung wieder gewonnen. Er stellte Gläser auf den Tsch und entkorkte die Rotweinflasche.

      „Ich habe noch mehr davon“, sagte er. „Also, auf uns!“

      Judith nippte nur an ihrem Glas.

      „Ich brauche jetzt erst einmal ein Glas Wasser.“ Als Elsterhorst sich erheben wollte, wiegelte sie ab: „Nein, lass’ nur, ich hole es mir schon.“

      Sie