Manfred Rehor

Planet der Magie


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Sonnensystemen konnten diese Raumschiffe dann mit den eigenen Antrieben überwinden.

      Es ging darum, bewohnbare Planeten zu entdecken und ehemalige Kolonialwelten wieder mit der Heimat der Menschheit in Kontakt zu bringen. Das eigentliche Ziel des Forschungsprogramms war jedoch anspruchsvoller: Es galt, mehr über das Universum und das Leben herauszufinden, als Physiker, Astronomen und Biologen bisher entdeckt hatten.

      Ein erfolgversprechender Weg zu diesem Ziel war es, eine selten vorkommende Verschmelzung von Geist und Materie zu erforschen: Magie!

      Wer herausfand, warum es auf manchen Planeten so etwas wie Magie gab und wie sie funktionierte, hatte womöglich den Schlüssel zu allem in der Hand, was erstrebenswert war: Macht, Allwissenheit, Unsterblichkeit.

      Was bedeutete dagegen schon der Verlust von ein paar Hundert Menschenleben?

      Ungerührt beobachtete Commodore Eegenhard, wie das riesige Forschungsraumschiff den Schacht in der Trägereinheit verließ und hinausglitt in die Schwärze des Alls.

      Bundara

      Die fremde Sonne stand strahlend im Zenit. Weiße Wolken trieben über den Himmel, doch sie beeinträchtigten kaum die Sicht. Macay saß mit seinen Freunden Rall und Zzorg am Waldrand im Schatten einiger Bäume. Er starrte nach oben, wo sich ein silberner Fleck gegen das Blau abzeichnete.

      Heller werdend beschrieb der Fleck einen Bogen. Ein gleißender Lichtstrahl schoss nach unten. Langsam sank das Forschungsraumschiff der Oberfläche Bundaras entgegen. Seine Form wurde erkennbar: Es war ein Zylinder aus Metall.

      Das Raumschiff blieb senkrecht in der Luft stehen, immer noch sehr weit oben. Das Licht, das aus seinem unteren Ende kam, veränderte die Farbe, wurde erst schmerzhaft hell und verblasste dann zu einem unscheinbaren Wabern.

      Macay sah hinunter in das Tal, das sich vom Waldrand aus nach Norden erstreckte. Dort stand das Beiboot, mit dem er auf diesen Planeten gekommen war. Eine linsenförmige Maschine mit zwei Männern und einer Frau als Besatzung. Gemeinsam mit Macay und seinen beiden Freunden hatten diese Raumfahrer einen Landeplatz für das Forschungsschiff ausfindig gemacht. Nun lotsten sie den gewaltigen Flugkörper vom Beiboot aus an die richtige Stelle. Es war ein sumpfiges Gelände, das sie ausgewählt hatten, drei Wegstunden von dem Wald entfernt. So viel Sicherheitsabstand war nötig, um nicht in Gefahr zu geraten, wenn das Schiff sich seinen Landeschacht schuf. Mit dieser Arbeit begann es nun.

      Der veränderte Lichtstrahl aus den Triebwerken brannte ein riesiges Loch in den Boden. Es würde fünfundvierzig Meter durchmessen und vier Mal so tief sein - groß genug, um den Zylinder aufzunehmen. Dies gehörte zum normalen Verfahren, wenn Menschen ein solches Forschungsschiff für längere Zeit auf einer bewohnten Welt stationierten. In unbewohntem Gebiet grub es sich ein. Die Wände des Schachtes bestanden dann aus geschmolzenem Gestein und boten optimalen Schutz. An der Oberfläche war von dem Raumschiff nur ein kreisförmiger Bereich zu sehen, der sich leicht tarnen ließ.

      Macay zuckte zusammen, als er hinter sich ein ungewohntes Geräusch hörte. Doch er drehte sich nicht sofort um. Alle Geräusche auf dieser Welt waren neu für ihn. Das Zwitschern der Vögel klang anders, als er es von seiner Heimatwelt kannte. Ebenso das Rauschen der Blätter in den Bäumen, das Rascheln im Gras, sogar das Summen der Insekten. Der schwache Wind brachte seltsame Gerüche mit sich, süßlich und betäubend.

      Als das zischende Fiepen erneut erklang, wandte sich Macay um. Einen Moment lang suchte sein Blick zwischen den Bäumen nach einer möglichen Ursache. Dann entdeckte er sie und sprang auf. Gleichzeitig stieß er einen warnenden Ruf aus, der seine Freunde alarmierte.

      Er sah einen hageren, alten Mann, der drei Dutzend Schritte entfernt von ihm stand und winkte. Anschließend steckte der Mann zwei Finger in den Mund und pfiff. Aber das schien nicht sein größtes Talent zu sein, denn mehr als das zischende Fiepen, das Macay gehört hatte, brachte er nicht zustande.

      „Wo kommt der denn her? Commodore Eegenhard hat uns doch versichert, dass noch nie Menschen hier gelandet sind.“ Macay tastete nach der stabförmigen Waffe, die er aus dem Beiboot mitgebracht hatte. „Ich rede mit ihm. Haltet mir den Rücken frei.“

      Langsam ging er auf den Mann zu, der immer hektischer winkte und sich dabei ängstlich umsah. Macay blieb stehen, um noch einmal die Umgebung und das Wäldchen genau zu mustern. Er konnte keine Gefahr erkennen.

      „Geht in Deckung“, sagte der Mann leise, als Macay nahe genug war. „Gleich wird euer schönes Raumschiff explodieren. Warum versucht ihr Idioten schon wieder, mit so einem Riesenteil auf Bundara zu landen? Noch dazu hier im Norden!“

      „Besteht Gefahr für das Schiff?“, fragte Macay. Er sprach ebenso leise, wie der Mann, von dem er nur noch eine Armlänge entfernt war. Nun sah er, dass dessen Körper nicht nur hager, sondern ausgemergelt war, wie bei jemandem, der lange hungern musste. Die Kleidung bestand aus einer Art Leinenzeug, schmutzig und an mehreren Stellen notdürftig geflickt.

      „Gefahr?“, sagte der Mann und kicherte unvermittelt. „Und ob! Es sind schon vier von den Dingern verlorengegangen. Man mag hier Menschen nicht besonders. Vielleicht sind es die Buroggs, die dahinterstecken. Denen traue ich alles zu ...“

      Der Mann brach ab und hielt den Finger an den Mund. Für einen Moment horchte er in den Wald hinein. „Nein, nichts“, sagte er dann. „Glück gehabt. Hol die beiden merkwürdigen Typen her, die dort auf dich warten. Und zwar schnell, wenn dir etwas an ihnen liegt.“

      Mit den merkwürdigen Typen meinte der Alte die Begleiter von Macay. Rall war ein Mischwesen aus Katze und Mensch, Zzorg aus Echse und Mensch. Beide hatten die Statur von Menschen und gingen aufrecht, doch ihre Köpfe verrieten schon von Ferne, dass sie etwas Besonderes waren. In Ralls Katzengesicht glänzten große, scharfe Augen und seine spitzen Ohren waren ständig in Bewegung. Zzorg war deutlich größer und kräftiger als Rall und zeigte gerne die vielen Zähne in seiner Echsenschnauze.

      „Nein! Leise!“, sagte der Mann hastig.

      Macay hatte Luft geholt, um seinen Freunden zuzurufen, dass keine Gefahr drohe. Nun winkte er sie nur zu sich.

      „Erklären Sie mir jetzt mal in Ruhe, was los ist“, forderte er dann.

      „Was los ist? Bisher ist erst ein einziges menschliches Forschungsraumschiff sicher auf dieser Welt gelandet. Man hat versucht, die Besatzung umzubringen, aber die meisten konnten fliehen. Ich auch, sonst wäre ich nicht hier.“ Der Mann grinste selbstgefällig. „Zwanzig Jahre ist das her. Drei weitere Versuche, hier zu landen, sind gescheitert. Hat man euch das nicht erzählt, bevor man euch losgeschickt hat?“

      „Von verlorenen oder vernichteten Raumschiffen wissen wir nichts.“

      „Also hat euch der Commodore auf gut Glück hergeschickt. Sieht ihm ähnlich! Egal, wir müssen hier weg.“

      Macay wandte sich an Rall, der inzwischen neben ihm stand: „Du bist der schnellste von uns. Renn zum Beiboot. Sie sollen per Funk das Schiff warnen. Die Landung muss abgebrochen werden, bis wir wissen, ob wirklich Gefahr droht.“

      Der alte Mann packte Rall am Arm und hielt ihn zurück. „Zu spät. Seht ihr es nicht?“

      Durch das Blätterdach der Bäume war der Blick auf das landende Forschungsraumschiff versperrt. Doch aus der Richtung, in der es sein musste, drang hellrotes Licht herüber.

      „Weg hier! Wie oft muss ich es noch sagen? Dort hinten ist ein Bach in einer tiefen Senke. Da sind wir sicher, wenn die Druckwelle kommt.“ Der Alte wandte sich um und hastete hinkend in den Wald hinein.

      Widerwillig folgten ihm die drei.

      Macay glaubte nicht so recht an eine Gefahr. Das Sumpfgebiet, in dem das Raumschiff in diesem Moment seinen Schacht ausbrannte, war unbewohnt. Sie hatten es vom Beiboot aus erkundet. Auch in der Umgebung waren keine Spuren intelligenter Bewohner dieser Welt zu entdecken gewesen.

      Nach einigen Dutzend Schritten erreichten sie den Bach. Das schnell fließende Wasser hatte sich eine Senke von drei Meter Tiefe in den Waldboden gegraben. Dort hinunter kletterte der alte Mann und legte sich am