Manfred Rehor

Planet der Magie


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      „Wir sollten nicht zu leichtgläubig sein. Alles, was wir über diesen angeblich so bösartigen Herrscher wissen, haben wir von den Iyllas gehört.“

      „Ich vertraue ihnen“, sagte Zzorg mit Überzeugung in der Stimme.

      „Nun gut, streiten wir uns nicht. Was liegt jetzt vor uns?“ Macay sah den Weg entlang, der sich nach Süden hinzog.

      „Zunächst müssen wir dieses Gebiet durchqueren“, sagte Rall. „Außer vereinzelten Iylla-Dörfern gibt es hier keine weiteren Siedlungen. Wir meiden die Dörfer aus den bekannten Gründen. Deshalb werden wir diesen Weg an der nächsten Biegung verlassen und querfeldein gehen. Am vierten Tag erreichen wir die Grenze des von Iyllas bewohnten Gebietes. Dahinter soll eine Rasse namens Karaquz leben.“

      „Was sind das für Leute?“

      „Die Beschreibung, die mir Ifili von ihnen gegeben hat, konnte ich nicht richtig verstehen. Die Karaquz sollen größer sein als Menschen und in Städten leben. Die Iyllas reden nur ungerne über diese Wesen. Wann immer ich nachgefragt habe, versuchte die Dorfvorsteherin, das Thema zu wechseln.“

      Sie marschierten durch eine schöne Landschaft aus kleinen Wäldern und Wiesen. Es gab weder Felder noch andere Anzeichen einer Nutzung oder Besiedlung.

      Macay war nicht mehr ohne weiteres als Mensch zu erkennen. Ifili hatte eine Maske für ihn angefertigt. Sie bestand aus einer Schnauze aus biegsamen Ästchen und Stoff und war an der Kapuze seines Umhangs befestigt. Sicherheitshalber trug er diese Kapuze ständig über den Kopf gezogen. Zumindest aus einer gewissen Entfernung sah er damit aus, als habe er eine Art Mäusegesicht mit kleinen, spitzen Ohren.

      Am Abend fanden sie einen geschützten Rastplatz. Es war die Quelle eines Baches, der zwischen Büschen am Fuß eines Hügels entsprang. Oben auf dem Hügel wuchsen niedrige Bäume mit dichtem, grünem Blattwerk. Sie versprachen Schutz, falls die drei Wanderer sich von der Quelle zurückziehen mussten. Auf ein Feuer verzichteten sie, das Wetter war sommerlich warm.

      Wie sie es von den vielen abenteuerlichen Reisen auf ihrer Heimatwelt gewohnt waren, teilten sie sich abwechselnd zur Wache ein.

      Es war Zzorg, der während der Nacht seine beiden schlafenden Gefährten weckte. „Etwas nähert sich. Ein seltsames Geräusch geht davon aus. Wir verlassen unser Lager besser.“

      „Warum?“, fragte Macay verschlafen.

      „Vielleicht nutzen andere Wesen diese Quelle auch gerne als Lagerplatz. Wir haben es in der Abenddämmerung versäumt, gründlich nach Spuren zu suchen.“

      Während sie sich noch flüsternd unterhielten, begann Rall, die Vorräte zurück in die Stofftaschen zu packen. Macay half ihm. Sie rollten ihre Schlafdecken zusammen, verwischten die Spuren ihrer Rast so gut es ging und schlichen den Hügel hinauf unter die Bäume.

      Das Geräusch kam näher. Es war ein rhythmisches Knacken, als würden Muschelschalen gegeneinander schlagen. Was auch immer die Ursache sein mochte, es war besser, ihr auf dieser fremden Welt zunächst aus dem Weg zu gehen. Die Waffen der Iyllas - Dolche und ein Kurzbogen mit fünf Pfeilen - nützten den Dreien möglicherweise nichts gegen die Unbekannten.

      Der kleine Mond Bundaras stand in dieser Nacht nicht am Himmel. Nur das Licht der Sterne half ihnen, sich zu orientieren. Sie suchten sich einen Platz zwischen Bäumen und Büschen, von dem aus sie hinunter auf die Quelle sehen konnten. Sollte es sich bei den näherkommenden Wesen um Intelligenzen handeln, so würden sie vermutlich ein Feuer machen. Dann war es möglich, sie zu beobachten.

      Das Knacken hörte auf. Nach mehreren Minuten atemlosen Wartens sah Macay unten tatsächlich einen Feuerschein. Schattenhafte Kreaturen entzündeten ein Lagerfeuer und bemühten sich, es mit trockenem Holz schnell größer werden zu lassen.

      Die Wesen waren von länglicher Gestalt und hager. Ihre ovalen Köpfe waren groß und schienen wie in die Länge gezogen. Das Geräusch, das sie schon aus der Ferne angekündigt hatte, entstand, wenn sie sich bewegten. Je größer der Schritt, den eines der Wesen machte, desto lauter das Knacken. Doch gelegentlich bewegte sich auch eines von ihnen, ohne den verräterischen Ton zu verursachen. Vielleicht war es anstrengend für sie, lautlos zu gehen, so dass sie das Knacken normalerweise hinnahmen.

      Das Feuer wuchs an und beleuchtete eine immer größere Fläche. Nun sah Macay, dass die Wesen sackartige Kleidungsstücke trugen, aus denen ihre dürren Arme herausragten. Sie waren mit Speeren bewaffnet und verfügten außerdem über lange Dolche. Die steckten in einer Art Schärpe, die sie schräg über ihren Oberkörper hängen hatten.

      Acht Individuen zählte Macay. Es bewegte sich allerdings auch noch jemand außerhalb des Feuerscheins.

      „Das müssen Karaquz sein“, flüsterte Rall. „Insektenwesen, die in der großen Stadt südlich von hier leben. Die Iyllas haben aber nichts davon gesagt, dass die Karaquz auch in ihrem Siedlungsgebiet unterwegs sind.“

      „Sollen wir uns zu erkennen geben?“, fragte Macay ebenso leise.

      „Keinesfalls. Wir beobachten weiter.“

      Es schien, als warteten die Karaquz auf etwas, während sie um das Feuer saßen. Sie unterhielten sich nicht miteinander und machten auch keine Anstalten, Vorräte auszupacken und etwas zu essen. Stattdessen legten sie immer mehr Holz in das Feuer, bis es einen Durchmesser von über einem Meter hatte. Die Flammen loderten hoch in den Himmel.

      Nach weiteren Minuten tat sich etwas abseits des Lichtscheins. Schattenhafte, hastige Bewegungen waren zu erkennen. Dann ein greller, kreischender Schrei.

      „Ein Iylla!“, zischte Zzorg.

      „Ich glaube, er ruft um Hilfe“, sagte Rall. Unruhig nahm er den Kurzbogen in die Hand und legte einen Pfeil bereit.

      „Lass das!“, sagte Macay. „Es sind zu viele Karaquz dort unten. Mit denen werden wir nicht fertig.“

      Sie beobachteten weiter. Noch einmal drang ein gellender Schrei zu ihnen, der in ein leises Fiepen überging.

      Zwei Karaquz kamen aus der Dunkelheit. Sie zerrten einen offenbar noch jungen Iylla ins Licht des Lagerfeuers.

      „Sie haben ihn gefangen genommen“, flüsterte Macay. „Führen sie Krieg gegen die Iyllas?“

      Das Geschehen unten auf dem Lagerplatz an der Quelle beantwortete seine Frage auf furchtbare Weise. Einer der Karaquz zog seinen Dolch aus der Schärpe und führte mit einer schnellen Bewegung einen Schnitt unterhalb des Kopfes seines Gefangenen durch. Der junge Iylla zappelte kurz, dann war er tot. Blut floss pulsierend aus der Halswunde.

      Doch der Mörder war damit nicht zufrieden. Er stach sein Messer noch an mehreren Stellen zwischen die festen Bänder an Bauch und Rücken, wobei er den Körper auf dem Boden hin und her wälzte. Die Blutlache wurde schnell größer. Der Dolch war nicht scharf genug, um die Panzerbänder des Iyllas zu zerschneiden. Macay sah, wie das Messer mehrmals an ihnen abglitt. Die Natur hatten die kleinen Wesen fast perfekt geschützt. Aber eben nur fast.

      Macay musste Rall festhalten, um zu verhindern, dass der Katzer den Mörder mit einem Pfeil bedachte.

      Zwei der Karaquz packten den toten Iylla und warfen ihn auf das Lagerfeuer. Während die Flammen zischend über dem bluttriefenden Körper zusammenschlugen, saßen die zehn Wesen im Kreis und beobachteten ihr Opfer in den Flammen. Dabei redeten sie miteinander. Ihre Stimmen waren unerwartet tief und knarrend. Die Szene sah aus, als würde eine Gruppe von Jägern fröhlich beisammensitzen und sich über die Erlebnisse des Tages unterhalten.

      Macay, Rall und Zzorg blieben bewegungslos in ihrem Versteck oberhalb des Lagerplatzes. Allerdings schloss Macay irgendwann die Augen, um nicht mehr den toten Iylla sehen zu müssen, der im Feuer verbrannte. Schon der Geruch des anbrennenden Fleisches genügte, um ihn vor Ekel würgen zu lassen.

      Nach einer Stunde schreckte ihn ein lautes Knallen auf, das aus Richtung des Lagerplatzes kam. Es wiederholte sich mehrere Male. Nun sah Macay wieder hin. Das Lagerfeuer war heruntergebrannt, aber sicherlich immer noch sehr heiß. Zunächst konnte er nicht erkennen,