Manfred Rehor

Planet der Magie


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dass zwei Arbeiter fehlten und die Karaquz deshalb nicht mit dem schweren Wagen zurechtkamen. Er sah sich nach Zzorg um. Der Echser verfügte über gewaltige Kräfte. Doch während eines Kampfes hatte er vor einiger Zeit drei Finger der rechten Hand verloren. Das behinderte nicht nur seine magischen Fähigkeiten, bei deren Ausübung er bestimmte Gesten ausführen musste, sondern er konnte auch nicht mehr richtig zupacken.

      Zzorg verstand den Blick. Er griff mit seiner gesunden linken Hand in eine der Schlaufen und zog mit der ganzen Kraft seines Echsenkörpers daran. So schaffte er es alleine, den Wagen herauszuziehen.

      Die Karaquz hüpften vor Freude um ihn herum. Sie schnarrten und knarrten mit ihren Stimmwerkzeugen, dass es jedem noch so fremdartigen Wesen klar sein musste, wie dankbar sie waren. Dann griffen sie in die Schlaufen und begannen, den Wagen davon zu ziehen. Sie schienen keine weitere Hilfe zu erwarten. Zzorg stellte sich ihnen in den Weg.

      „Nicht so schnell“, sagte er, obwohl er wusste, dass sie ihn so wenig verstehen konnten wie er sie. „Wir hätten als Gegenleistung gerne ein paar Informationen. Wie weit ist es bis zu eurer Stadt?“ Er zeigte die Straße entlang, die in Sichtweite nach Süden abbog, und dann auf die Sonne, wobei sein Arm einen Bogen beschrieb, um zu zeigen, wie die Sonne über das Firmament zog.

      Die Karaquz blieben stehen und unterhielten sich untereinander. Einer von ihnen klopfte dann mit der Klaue auf den Wagen, um anschließend ebenfalls in den Himmel zu zeigen. Sein Arm beschrieb einen kleinen Bogen.

      „Sie werden noch etwa vier Stunden brauchen, bis sie den Wagen zu ihrem Ziel gebracht haben“, folgerte Zzorg. „Wir würden wohl nur die Hälfte der Zeit benötigen. Jetzt müssen wir noch herausbekommen, ob sie wirklich zu einer Stadt unterwegs sind und nicht nur zu einem Bauernhof.“

      Macay suchte nach einer ebenen, staubigen Stelle auf der Straße. Als er eine fand, winkte er die Karaquz zu sich. Sie kamen und sahen interessiert zu, wie er sich hinkniete und mit dem Finger die Umrisse von mehreren Häusern in den Staub malte. Dann deutete er abwechselnd die Straße entlang und auf die Abbildung.

      Einer der Karaquz streckte seinen Fuß vor. Es war ein dürres Gebilde mit kurzen Klauen. Mit dem Fuß wischte er Macays Zeichnung weg und zeichnete zwei Dreiecke in den Sand. Eines wies mit der Spitze nach oben, eines mit der Spitze nach unten, an der Basis waren sie miteinander verbunden.

      Ratlos sah Macay seine beiden Freunde an, doch die konnten sich auch nicht erklären, was der Karaquz mit diesem Bild meinte.

      „Vielleicht haben sie dreieckige Häuser oder bauen Pyramiden“, sagte Rall. „Aber warum steht eine mit der Spitze nach unten?“

      Macay ging zu dem Acker neben der Straße und kam mit einer Handvoll feuchter Erde zurück. Daraus formte er neben der Zeichnung der Karaquz eine kleine Pyramide. Er deutete auf die Zeichnung und auf die Pyramide.

      Mit dem Fuß drückte der Karaquz die Kanten der Pyramide glatt, so dass ein Kegel entstand. Dann begann er im Dreck zu scharren, als wolle er ein Loch in die Straße graben. Anschließend nahm er den Dreckkegel vorsichtig und tat, als wolle er ihn mit der Spitze nach unten in dieses imaginäre Loch stecken.

      „Verstanden!“, rief Macay. „Es ist ein Doppelkegel. Die eine Hälfte ist über der Erde, die andere unter der Erde. Aber ist das eine Stadt oder nur das Haus eines einzelnen Karaquz?“

      Auch das fand er schnell heraus. Er malte neben die Zeichnung des Doppelkegels ein etwa halb so großes Strichmännchen, mit einem großen Kopf, um einen Karaquz anzudeuten.

      Der Karaquz wischte das Strichmännchen weg und zeichnete etwas so Winziges in den Staub, dass es nicht zu erkennen war. Aber seine Absicht war eindeutig: Der Doppelkegel war riesig im Vergleich zu einem Karaquz. Eine Stadt, also!

      Nun gab Zzorg den drei Wesen den Weg frei. Ohne zu zögern, griffen sie in die Schlaufen und schleppten den Wagen davon.

      „Eine Stadt in Form eines riesigen Kegels, die sich unter der Erde in umgekehrter Form fortsetzt“, sagte Rall. „Es sind die Abkömmlinge von Insekten. Wahrscheinlich handelt es sich um einen gewaltigen Ameisenbau.“

      „Bleibt nur noch die Frage, ob man dort ebenso gelassen auf unser Erscheinen reagiert, wie es diese Arbeiter getan haben“, sagte Zzorg.

      „Wir werden sehen. Gehen wir, dann sind wir gegen Mittag dort.“

      Sie überholten den Wagen und winkten im Vorbeigehen den Arbeitern zu. Doch die reagierten nicht. Sie zogen mit kurzen, kräftigen Schritten ihre Ernte die Straße entlang, als wären sie alleine.

      Nach einer Stunde sahen sie in der Ferne den Kegel. Entgegen ihrer Erwartung war er nicht spitz und hoch, sondern eher flach.

      Rall blieb stehen und musterte die Stadt und deren Umgebung. „Ich schätze den Durchmesser auf zwei Meilen und die Höhe auf eine halbe Meile“, sagte er. „Gewaltig! Vor allem, wenn man bedenkt, dass es unter der Erde noch einmal so viel sein soll. Aus was mag diese Stadt erbaut worden sein?“

      „Ameisen nehmen, was sie in der Natur finden“, antwortete Macay. „Termiten dagegen produzieren ihr Baumaterial selbst. Aber für so ein riesiges Bauwerk dürfte beides nicht ausreichend sein. Siehst du die hellen Streifen, die von der Spitze herunterlaufen?“

      „Ja. Ich habe es zunächst für Flüssigkeit gehalten. Aber es sind goldfarbene Bänder. Vielleicht sogar echtes Gold, das den Reichtum der Stadtbewohner zum Ausdruck bringen soll.“

      „Wir wissen nicht, ob Gold auf Bundara wertvoll ist oder nur der Verzierung dient.“

      Die Stadt lag in einer Ebene in der Nähe eines Flusses, der aus dem Westen kam. In der weiteren Umgebung der Kegelstadt gab es weder Wälder noch Hügel. Die Felder, die bisher links und rechts der Straße angelegt gewesen waren, gingen in eine flache Wiese über, auf der Tiere weideten. Aus allen Richtungen näherten sich Straßen dieser Stadt. Sie mündeten in einen großen, runden Platz, auf dem - soweit es beim Näherkommen auszumachen war - unzählige Karren und größere Wagen standen. Es wimmelte dort vor Karaquz. Wahrscheinlich brachten sie die Ladung der Wagen in die Kegelstadt.

      „Wir gehen näher an die Stadt heran, bis wir genau erkennen können, was dort geschieht“, schlug Rall vor. „Bevor wir sie betreten, sollten wir sie einige Stunden beobachten.“

      „Es gibt ein Problem dabei“, sagte Macay. „Wir können uns nirgendwo verstecken. Die Ebene von hier bis zu der Stadt ist leer, jeder kann uns sehen. Wenn wir stehenbleiben, fallen wir auf. Alle Wesen, die in Sichtweite sind, bewegen sich; keiner hält inne, keiner rastet.“

      „Du hast Recht“, gab Rall zu. „Wobei die Straße, auf der wir unterwegs sind, die am wenigsten genutzte ist. Was mag der Grund dafür sein?“

      „Wir kommen aus dem Gebiet der Iyllas“, sagte Zzorg. „Die anderen Straßen sind vermutlich Verbindungen zu größeren Siedlungen oder Städten.“

      „Eine gute Erklärung. Gehen wir also weiter, um nicht aufzufallen.“

      Sie schlenderten auf die Kegelstadt zu und versuchten, möglichst viel von dem, was dort vor sich ging, in sich aufzunehmen.

      Bald sahen sie die riesigen Eingangstore, durch die man Waren in die Stadt trug. Eigentlich hätten mehrere große Wagen nebeneinander problemlos durch jedes dieser Tore gepasst. Trotzdem wickelten unzählige Karaquz den Transport ab. Sie nahmen bündelweise Waren von den Wagen und trugen sie in die Stadt.

      „Keine Fenster“, stellte Macay fest. „Schaut euch die Außenfläche an. Sie ist unregelmäßig mit den Goldstreifen verziert. Aber nirgends sieht man Sonnenlicht, das von einem Fenster reflektiert wird. Es muss völlig dunkel sein dort drinnen.“

      „Da die Karaquz ihre Stadt auch unter die Erde gebaut haben, dürfte ihnen das egal sein“, meinte Zzorg. „Sie werden sich auf andere Weise orientieren.“

      „Die Karaquz vielleicht. Aber was tun wir, wenn wir in eine stockdunkle Stadt kommen?“

      „Warten wir ab, bis es so weit ist.“

      Als sie nahe genug an dem großen Platz waren,