Manfred Rehor

Planet der Magie


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Leuchten drang nun so intensiv durch das Blätterdach, dass es schmerzte. Rall mit seinen Katzenaugen war davon besonders betroffen; Tränen rannen über sein fellbedecktes Gesicht.

      Ein fernes Dröhnen brachte die Bäume und den Boden zum Vibrieren. Das nahm Macay als Zeichen, es sicherheitshalber dem alten Mann gleichzutun.

      „Was geschieht mit dem Raumschiff?“, fragte er.

      „Seine Triebwerke und Reaktoren gehen gleich hoch“, antwortete der Alte. Seine Stimme klang dumpf und undeutlich. „Vermutlich wird die ganze Gegend verseucht. Wir müssen hier verschwinden, sobald das Schlimmste überstanden ist, kapiert?“

      Die Erde unter den Liegenden rumpelte und schien sich in Wellen aufzuwölben. Lautes Donnern dröhnte über den Wald hinweg.

      Obwohl er die Augen geschlossen hatte und das Gesicht dem Boden zuwandte, sah Macay einen so hellen Blitz, dass er fürchtete, zu erblinden. Für einen Moment lastete ungeheurer Druck auf ihm. Unfähig, sich zu bewegen, spürte er, wie etwas auf ihn fiel. Vielleicht war einer der kleinen Bäume umgestürzt, die an dem Hang hinunter zum Bachbett wuchsen.

      Macay wusste hinterher nicht zu sagen, wie lange es dauerte, bis er sich wieder regen konnte. Es kam ihm vor wie Stunden. Alles tat ihm weh. Aber die ersten vorsichtigen Bewegungen bewiesen, dass er sich nichts gebrochen hatte. Das Dröhnen in seinen Ohren ließ nach. Nur sehen konnte er nichts außer hellen Flecken zwischen dunklen Schatten.

      Er versuchte, sich aufzurichten. Nun erst bemerkte er das Gewicht, das auf ihm lastete. Er griff mit den Händen danach und spürte Blätter und Holz. Es war tatsächlich ein Baum auf ihn gefallen. Er wälzte sich herum und tastete nach dem Stamm. Der war kaum drei Finger dick und ließ sich nach ein paar Versuchen beiseite drücken.

      Als Macay es fast geschafft hatte, riss ihm ein heftiger Ruck den Stamm aus den Händen. Gleich darauf fühlte er sich gepackt und hochgezogen. Ein Zischen drang durch das Dröhnen in seine Ohren: „Alles in Ordnung?“ Es war Zzorg. Dessen widerstandsfähiger Körper hatte die Belastung besser verkraftet.

      Macay nickte. Er schwankte und wäre hingefallen, wenn ihn Zzorg nicht gestützt hätte.

      „Ich bringe dich zum Bach“, zischte Zzorg.

      Nachdem sich Macay an das Ufer gekniet und mehrere Male mit den Händen das kalte Wasser über den Kopf geschöpft hatte, fühlte er sich besser. Auch seine Sehkraft kehrte langsam zurück.

      Er stand auf und blickte sich um. Die Senke des Bachbettes war angefüllt von einem Chaos aus umgestürzten Bäumen und herabgerissenen Ästen. Macay hatte Glück gehabt, dass nur ein dünner Stamm auf ihn gefallen war. Er sah nach oben. Das Blätterdach des Waldes war stark gelichtet. Weit entfernt stand eine schwarze Wolke am Himmel - dort, wo vorhin das Raumschiff gewesen war.

      Der alte Mann hatte Recht gehabt.

      Macay sah sich nach ihm um. Der Alte lag unter einem kleinen Hügel aus abgebrochenen Ästen und Bäumen und rührte sich nicht. Sein Kopf war zu sehen und ein Fuß ragte heraus, alles andere war durch Blätter und Schmutz verdeckt.

      Zzorg war bei Rall und versuchte, dem Katzenmenschen zu helfen. Der war immer noch bewusstlos.

      „Wir müssen Rall und den Mann zu Bewusstsein bringen“, sagte Macay, „und dann nach dem Beiboot sehen. Hoffentlich haben die drei Menschen dort überlebt.“

      „Rall kommt gerade zu sich. Kümmere du dich um den alten Mann.“

      Macay machte sich daran, die größeren Äste wegzuziehen, die den Körper des Mannes bedeckten. Doch es gelang ihm nicht so recht. Schließlich kam ihm Zzorg zu Hilfe.

      „Lebt er noch?“, fragte Zzorg.

      „Er reagiert nicht, wenn ich ihn anspreche.“

      Gemeinsam wuchteten sie einen Baum beiseite, der zwar nicht direkt auf dem Körper des Mannes lag, aber mit seinen Ästen auf ihn gestürzt war.

      Plötzlich hob der Alte den Kopf und stieß einen gurgelnden Schrei aus. Dann sackte der Kopf wieder zu Boden. Erschrocken hielt Macay inne. Er glaubte, durch das Wegstemmen des Baumes hätte er dem Mann unabsichtlich weitere Verletzungen zugefügt.

      Doch dann entdeckte er zwischen dem Laub einen buntgefiederten Schaft. Jemand hatte den Mann mit einem Pfeil in den Rücken getroffen!

      Macay wollte sich umdrehen, um sich den Angreifern zu stellen. Da spürte er einen stechenden Schmerz in der Schulter. Ein Schlag traf ihn von hinten auf den Kopf. Ohnmächtig brach er zusammen.

      Gefangene der Iyllas

      Macay lag in einer Hütte und starrte hoch zum Dach. Es bestand aus einem Holzgerüst, auf dem getrocknetes Gras oder Schilf lag. Lange schien es ihm, als würde die ganze Welt nur aus diesem Anblick bestehen. Irgendwann schob sich ein Gesicht dazwischen. Das Gesicht eines Katzers.

      „Rall“, krächzte Macay. Er versuchte, sich aufzurichten, doch Rall hielt ihn zurück.

      „Du bist verletzt, bleib liegen.“

      Das Gesicht verschwand. Die Zeit schien stillzustehen. Macay wusste nicht, ob er zwischendurch einschlief oder immer mit offenen Augen dalag. Ein Singsang kam ihm zu Bewusstsein. Wie lange hörte er diese Melodie schon? Rall setzte solche monotonen, wohltuenden Gesänge als Heilmittel ein, wenn er seine Kräuter nicht zur Verfügung hatte.

      Erst jetzt fiel Macay auf, dass er keine Schmerzen spürte. Seinen Körper nahm er nur als eine weiche, warme Masse wahr. Er schlief wieder ein.

      Ein Schrei weckte ihn. Er fuhr hoch. Seine Reflexe, die sich während vieler Abenteuer herausgebildet hatten, ließen ihn seitlich von seinem Platz wegrollen. Er wollte nach der bereitliegenden Waffe greifen.

      Aber es war keine Waffe da und statt auf einer Decke an einem Lagerfeuer lag er auf einer niedrigen Bettstatt in einer Hütte. Er wäre auf den Boden gefallen, hätte ihn nicht im letzten Moment ein starker Arm aufgefangen.

      „Streng dich nicht an“, sagte Zzorg. „Du bist noch nicht völlig genesen.“

      Wieder erklang ein Schrei, ganz in der Nähe. Die Stimme war hoch und kreischend, wie von einer alten Frau, die auf einem Markt einem dreisten Dieb hinterher keift, der ein paar Äpfel geklaut hat. Aber das war eine Erinnerung aus Macays Kindheit, an den Markt in seiner Heimatstadt Mersellen. Er brachte da etwas durcheinander, das fiel ihm jetzt auf. Er ließ sich zurücksinken.

      „Rall ist draußen bei den Iyllas“, sagte Zzorg. „Er versucht, ihnen verständlich zu machen, dass wir Heilkräuter benötigen. Diese Schreie haben nichts mit uns zu tun. Rall sagt, sie seien Teil einer Feier, die sie ausrichten, weil sie dich besiegt haben.“

      „Mich?“ Macay dachte einen Moment nach. Es fiel ihm schwer. „Wieso nur mich? Ihr seid doch auch hier.“

      „Die Iyllas interessieren sich nicht für Rall und mich. Sie halten uns für Angehörige einer ihnen unbekannten Spezies aus einem anderen Teil dieser Welt. Aber sie hassen Leute wie dich: normale Menschen. Deshalb haben sie im Wäldchen den alten Mann getötet und sind über dich hergefallen. Rall und mich lassen sie in Ruhe. Wir hatten Mühe, zu verhindern, dass sie dich töten.“

      „Danke.“

      Es wurde für einen Moment heller in der Hütte und Rall erschien in Macays Blickfeld.

      „Ich kann ihnen nicht verständlich machen, was ich benötige“, sagte er. „Sie scheinen eine gesunde Rasse zu sein, diese Iyllas. Sie kennen offenbar den Zustand der Krankheit nicht. Entweder man ist gesund oder man ist tot. Aber wahrscheinlich ist das ein Irrtum von mir. Ich versuche, ihre Sprache zu lernen, aber es wird noch dauern, bis ich mich mit ihnen unterhalten kann.“

      „Kannst du sie fragen, warum sie etwas gegen mich haben?“, bat Macay.

      „Ich habe versucht, mit Hilfe von Gesten eine Erklärung aus ihnen herauszubekommen. Es ist mir nicht gelungen. Aber solange du in dieser Hütte bleibst, stehst du unter unserem Schutz. Wenn du sie verlässt, töten dich