Manfred Rehor

Planet der Magie


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kam.

      Schließlich wandte sich Rall an ihn: „Es ist schwierig, aber ich konnte ihnen klar machen, dass wir aus weiter Ferne kommen und den alten Mann im Wald nicht kannten. Die Iyllas machen uns übrigens nicht für die Explosion des Raumschiffs verantwortlich. Sie halten das für eine Schikane einer anderen Rasse, die hoch im Norden dieser Welt lebt.“

      „Frag sie, ob hier früher schon einmal ein Raumschiff gelandeten ist.“

      Rall schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass ich ihnen das verständlich machen kann. Wichtig ist jetzt vor allem, dir Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Wenn sie dich nicht mit den anderen, von ihnen gehassten Menschen gleichsetzen, ist schon viel gewonnen.“

      „Warum hassen sie uns?“

      „Ich weiß es nicht. Der alte Mann war der zweite Mensch, den sie im Laufe der letzten Jahre getötet haben. Es kann sein, dass sie die Morde aus Notwehr begangen haben, auch wenn ich nicht verstehe, warum.“

      Die Iyllas sprachen nun noch einmal miteinander. Dieses Gespräch artete in eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen der Dorfvorsteherin und den beiden Jüngeren aus. Dabei wurden ihre Stimmen immer lauter und kreischender. Das war das Geräusch, das Macay vor einiger Zeit aus seinem Schlaf geweckt hatte.

      Der Streit dauerte lange. Macay folgerte daraus, dass die Dorfvorsteherin keine eigentliche Macht ausübte, sondern auf die Zustimmung ihrer Begleiter angewiesen war.

      Rall versuchte, sich mit Gesten und fiependen Tönen Gehör zu verschaffen. Vergebens. So blieb den drei Menschen nur, das Ergebnis der Diskussion abzuwarten. Doch die Iyllas enttäuschten sie. Immer noch kreischend öffneten sie die Tür und verließen die Hütte. Rall folgte ihnen.

      „Das ganze Dorf scheint gespalten zu sein in der Meinung darüber, was mit dir geschehen soll, Macay“, berichtete Rall, als er zurückkam. „Hoffen wir, dass die Gemäßigten sich durchsetzen.“

      Es dauerte lange, bis draußen Ruhe einkehrte. In der Hütte war es dunkel geworden, als die Tür sich öffnete. Herein kam ein Iylla, der eine Fackel in Händen hielt. Er entzündete mit ihr die Fackeln, die schräg an den Wänden der Hütte angebracht waren. Als er wieder gehen wollte, hielt Rall ihn zurück und versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Doch der Iylla schüttelte unwirsch den Kopf und ging hinaus.

      „Ein gutes Zeichen“, meinte Zzorg.

      „Warum?“, fragte Macay. „Er war ziemlich unfreundlich.“

      „Aber er hat keinen Hass gegen dich erkennen lassen. Du hättest die Iyllas sehen sollen, die während der ersten Tage hier hereinkamen. Wir hatten immer Angst, einer von ihnen könnte versuchen, dich zu töten, als du im Fieberschlaf lagst.“

      Am folgenden Morgen ging Rall nach draußen, um das Frühstück zu holen. Als er zurückkehrte, berichtete er, die Dorfvorsteherin werde in Kürze zu ihnen kommen. Die Iyllas hatten sich geeinigt.

      Als sie hereinkam, stand Macay vom Bett auf. Er fühlte sich völlig genesen.

      Mit ausladenden Gesten, die wegen ihrer kurzen Arme eher komisch als beeindruckend wirkten, fiepte die Dorfvorsteherin eine lange Erklärung. Dann zeigte sie nacheinander auf die drei Bewohner der Hütte und sagte, wenn auch kaum verständlich: „Rall. Zzorg. Macay.“ Anschließend zeigte sie auf sich und ihre Begleiter: „Ifili. Rifo. Lofi.“

      „Ifili“, sagte Macay und deutete auf die Dorfvorsteherin.

      Die klatschte zur Bestätigung in die Hände und begann eine von vielen Gesten begleitete Unterhaltung mit Rall.

      „Rifo. Lofi“, sagte Macay zu den jungen Iyllas und deutete auf sie. Doch die gaben nur kurze Laute der Bestätigung von sich und wandten sich ab.

      Ifili und Rall sprachen lange miteinander. Beide Seiten gaben sich große Mühe, sich verständlich zu machen. Erst nach Stunden verließen die drei Iyllas die Hütte wieder. Macay konnte durch die geöffnete Tür den Schein eines großen Lagerfeuers erkennen. Vielleicht brannte es in der Dorfmitte, anstatt dass in jeder einzelnen Hütte ein Feuer entfacht wurde.

      Rall unterbrach seine Gedanken. „Ich konnte einiges in Erfahrung bringen. Zu allererst, Macay: Kein Iylla aus diesem Dorf wird dir künftig mehr nach dem Leben trachten. Ich konnte sie davon überzeugen, dass wir aus einem sehr fernen Land kommen. Mit den Menschen, wie man sie hier kennt, haben wir nichts zu tun.“

      „Kann ich mich jetzt frei bewegen?“

      „Das wirst du nicht tun. Denn ich habe endlich verstanden, warum die Iyllas einen solchen Hass auf Menschen wie dich haben. Dieser Hass geht nämlich gar nicht von ihnen aus, sondern von dem Herrscher eines Landes im Norden. Dieser Herrscher bedroht jeden, der einen Menschen unterstützt. Falls der Herrscher erfährt, dass sich hier im Dorf ein Mensch aufhält, wird er eine Strafaktion gegen die Iyllas starten. Nur deshalb haben die Iyllas den alten Mann ermordet. Es soll vorgekommen sein, dass der Herrscher ein ganzes Dorf niederbrennen und die Bewohner töten ließ, nur weil ein Mensch zufällig in der Nähe war.“

      „Wenn dieser Herrscher herausfindet, dass ich hier bin, bestraft er das Dorf? Kein Wunder, dass man mich töten wollte. Ist eine Belohnung auf die Ergreifung oder Ermordung von Menschen ausgesetzt?“

      „Das scheint nicht der Fall zu sein. Die Methode dieses unbekannten Herrschers ist viel effektiver als eine Belohnung. Wer nicht bestraft werden möchte, muss jeden Menschen, dem er begegnet, sofort beseitigen.“

      „Also werde ich diese Hütte nicht verlassen, auch wenn ich es jetzt darf. Sonst bringe ich die Iyllas in Gefahr.“

      „So ist es.“

      „Hoffen wir, dass es hier keine Verräter gibt“, warf Zzorg ein.

      „Da es keine Belohnung gibt, lohnt sich Verrat vermutlich nicht.“

      „Aber diese neue Erkenntnis ändert nichts an unserem Plan. Wir müssen das gelandete Raumschiff und seine Besatzung suchen. Hast du darüber etwas in Erfahrung bringen können, Rall?“

      „Ich habe nicht danach gefragt, denn das wäre sinnlos gewesen. Außerdem bleibt uns sowieso nur ein Weg, um von hier wegzukommen, nämlich nach Süden.“

      „Wieso das?“

      „Weil wir das Land dieses menschenfeindlichen Herrschers meiden sollten. Im Osten und Westen liegen unwirtliche Gebirgszüge. Also können wir uns nur nach Süden wenden. Die Iyllas werden uns mit allem unterstützen, was sie haben.“

      „Das glaube ich gerne“, meinte Macay. „Hoffentlich geben sie uns auch Waffen mit. Pfeil und Bogen besitzen sie. Vielleicht auch Dolche oder Stichwaffen. Frage sie unbedingt danach, wenn du das nächste Mal mit der Dorfvorsteherin sprichst.“

      Sie überlegten, welche anderen Vorräte und Ausrüstungsgegenstände sie sich erbitten sollten, wenn sie ihre Gastgeber verließen. Da diese nur zu froh sein dürften, ihre Besucher loszuwerden, würden sie bestimmt alles mitgeben, was sie konnten.

      Jäger und Opfer

      Die Hütten der Iyllas mit ihren grasbedeckten Dächern waren schon aus ein paar Hundert Schritten Entfernung nicht mehr von grünen Hügeln zu unterscheiden. Ihre Tarnung war fast perfekt. Nur der Weg, der zwischen ihnen hindurchführte, verriet den Zweck dieser Erhebungen in der Landschaft.

      „Jetzt verstehe ich, warum wir das Dorf bei unserem Flug mit dem Beiboot nicht entdeckt haben“, sagte Macay. „So robust die Iyllas körperlich sind, so ängstlich scheinen sie darauf bedacht zu sein, sich zu verbergen.“

      „Eine seltsame Rasse“, stimmte Zzorg zu. „Als sie uns die Waffen mitgaben, schienen sie froh zu sein. Sie wollten diese Werkzeuge des Tötens so schnell wie möglich aus ihrem Dorf weghaben.“

      „Und doch haben sie den alten Mann ohne Bedenken ermordet. Dabei war er nach der Explosion unter einem Baumstamm eingeklemmt. Er war bewusstlos und folglich ohne jede Chance, sich zu wehren.“ Macay war nicht von der Friedfertigkeit der Iyllas überzeugt. „Auch mich hätten sie getötet.“