Hazel McNellis

Gefangene der Welten


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kniff der Mann Jack in die Rippen. „Sehr kräftig bist du ja nicht. Aber bestimmt lässt sich ein hübsches Sümmchen für dich herausschlagen. – Hey, Pete! Komm‘ mal her und bring mehr Licht!“

      Eine Fackel in seiner Hand haltend, trat Pete näher. Sein kurzes Haar glänzte schmierig im Schein des Feuers und seine kleinen Schweinsaugen stierten Jack lange an. Sein Angreifer machte dagegen einen erstaunlich gepflegten Eindruck. Dessen dunkles Haar war sauber zurückgekämmt und das helle Grau der Augen strahlte mit beunruhigender Klarheit auf Jack herab. Dunkle Stoppeln zierten das Kinn und die Wangen. Der Druck des Messers lockerte sich und der Mann nahm Jacks Kiefer zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen und musterte ihn konzentriert. Offenbar fiel sein Urteil positiv aus, denn er grinste.

      „Ich glaube, wir nehmen dich lieber mit. Meinst du nicht, Pete?“ Pete nickte träge mit dem runden Kopf und seine winzigen Augen leuchteten begeistert.

      Plötzlich erhob sich der Mann und fesselte Jack die tauben Hände vor dem Bauch, ehe er ihn mit sich zog und die Hände an eines der zwei Pferde, die etwas abseits zwischen den Bäumen grasten, band. Jack schluckte nervös.

      Er war sich sicher:

      Er konnte von Glück sagen, wenn er seine Freundin noch einmal zu Gesicht bekam…

      Die Pferde trotteten durch den Wald und nur Jacks stolpernde Schritte brachten den gleichmütigen Klang ihrer Hufe durcheinander. Das Seil um seine Hände schnitt in seine Handgelenke. Fieberhaft überlegte er, wie er aus diesem Schlamassel wieder herauskommen konnte. Sydney schien ihm entfernter denn je zu sein. Seine Chancen, sie je wiederzufinden, schwanden mit jedem Schritt. Er hatte Glück, als er die Spuren gefunden hatte, doch was hatte er jetzt noch für Möglichkeiten? Frustriert schnaubte er. Der Mann an ihrer Spitze drehte sich im Sattel und blickte zu Jack zurück.

      „Na, na. Unser Gast scheint ein wenig undankbar zu sein. Meinst du nicht auch, Pete?“ Beide Männer lachten kurz und hart auf.

      „Vielleicht sollten wir ihm erst noch ein paar Manieren beibringen, ehe wir ihn als Sklaven verkaufen. Oder Pete?“

      „Ja, Sir!“ Pete war von der Idee ganz begeistert und Jack verzog das Gesicht.

      Pete war nun wirklich keine Person, die man kultiviert nennen konnte. Viel eher erweckte er den Eindruck einer dreckigen Kanalratte. Stinkend und ungepflegt, sowohl in äußerlicher Hinsicht als auch in seinem Verhalten.

      Der Anführer zügelte seinen Fuchs und kam auf ihn zu. Man hatte ihn an den Sattel von Petes grauer Stute gebunden und nun zögerte Pete nicht, ihm beim Zügeln des Pferdes einen kräftigen Tritt in die Leber zu verpassen. Jack krümmte sich vor Schmerz und ihm blieb die Luft weg.

      Was hatten sie vor?

      „Pete, du sollst nicht so ungeduldig sein. Wie oft soll ich dir das noch sagen?“, sagte der grauäugige Bastard und stieg geschmeidig ab.

      Der Mann blieb vor Jack stehen und griff unter dessen Kinn, um seinen Kopf zu heben. Jack blickte in diese stahlgrauen Augen und wünschte sich fast, er wäre nie durch den Schleier getreten. Der folgende Faustschlag traf ihn in die Nieren. Er japste nach Luft und klappte in der Mitte zusammen.

      „Ah, sieh doch nur, Pete!“, höhnte er. „Die Verbeugung klappt schon einmal. Aber wir wollen doch einmal sehen, ob er auch stramm stehen kann, was, Pete?“

      Pete klatschte in die Hände und lachte ein dreckiges, höhnisches Lachen. Bei dem schrillen Laut standen Jack die Haare zu Berge, als ihn auch schon der Kinnhaken traf und seinen Kopf nach hinten schleuderte. Der metallische Geschmack von Blut lag ihm auf der Zunge. Er hustete und spukte es aus – direkt auf die Stiefelspitze seines Entführers. Dieser blinzelte nicht einmal, sondern verpasste ihm stattdessen einen weiteren Schlag in die andere Niere, sodass ihm erneut die Luft wegblieb. Jack sackte zusammen und wäre zu Boden gesunken, wenn er nicht mit dem Seil am Pferd festgebunden wäre.

      „Ich finde, unser Gast hat seine heutige Lektion gelernt. Wir wollen nun weiterreiten, damit wir vor Anbruch der Dunkelheit im Ort ankommen.“

      „Jawohl, Sir!“ Petes Stimme überschlug sich fast vor überschwänglicher Begeisterung. Benommen registrierte Jack, dass der Mann sich mit einem blütenweißen Taschentuch die schwarz-glänzende Stiefelspitze abwischte, ehe er zu seinem Pferd zurückkehrte, aufsaß und sie sich wieder in Bewegung setzten. Jack stolperte neben dem Pferd her und schluckte das Blut herunter. Seine Nieren, die Leber und sein Kiefer schmerzten ohne Unterlass und auch ohne einen Spiegel war er überzeugt davon, dass sich die betroffenen Stellen bereits blau und lila färbten.

      7.

      „Ihr müsst die Auserwählte sein, nehme ich an?“

      Richard saß am Feuer und stocherte mit einem dünnen Zweig in der Glut herum. Überraschung zeichnete sich in Sydneys Gesichtszügen ab. Auserwählte? Was hatte das zu bedeuten?

      „Entschuldigung, aber was meinen Sie damit?“, fragte sie.

      Richard hob den Blick und blinzelte sie erstaunt an. Dann sah er zu Damian, der an einem Baum lehnte. „Weiß sie es denn nicht?“

      Sydney brannte vor Neugier. „Was weiß ich nicht?“

      Ihr Blick huschte zwischen den beiden Männern hin und her. Damian warf ihr einen Blick aus halbgeschlossenen Lidern zu und murmelte: „Nein. Noch nicht.“

      Richard betrachtete seinen Freund nachdenklich. Dann lächelte er und wechselte das Thema.

      „Ich habe im Übrigen in Kaldoran mit einem alten Schmied gesprochen. Leider war er zunächst nicht sehr gesprächig, aber das hat sich recht schnell geändert, möchte ich behaupten.“

      Das Grinsen seines Freundes erwidernd, sagte Damian: „Davon bin ich überzeugt, mein Freund.“ Ihre Blicke trafen sich kurz. „Was hatte er zu sagen?“ Das Lächeln verblasste aus Richards Zügen.

      „Leider nicht viel. Er sagte, er habe sie zuletzt vor Jahren gesehen. Seitdem wisse niemand, wo sie sei. Der Alte äußerte, dass er vor einiger Zeit die Hufe eines Pferdes beschlagen habe, deren Besitzerin erstaunlich gut auf die Beschreibung passe.“

      Gedankenverloren schärfte Damian seinen Dolch.

      „Wen hat der Mann zuletzt vor Jahren gesehen?“

      Diese beiden Männer, einfach gekleidet und äußerlich wie altertümliche Krieger daherkommend, weckten Sydneys Interesse. Mehr sogar, als sie selbst es für möglich gehalten hätte. Um wen es in ihrer Unterhaltung wohl ging? Wer war diese Frau, die Damian offenbar suchen ließ?

      Richard blickte sie an. Bedauern legte sich wie ein Schatten über sein Gesicht, als Damian es war, der ihr antwortete: „Das tut nichts zur Sache. Verschwendet Eure Gedanken nicht an dieses Thema.“

      Sydney sah ihren Entführer an. Sein Blick bohrte sich in ihre Augen und hielt sie mit unnachgiebiger Härte gefangen. Er blinzelte nicht einmal und es war schließlich Sydney, die sich abwandte. Es verärgerte sie, dass er sie wie ein Kind behandelte. Er war es doch, der sie entführt hatte! „Habe ich denn kein Recht etwas mehr über die Hintergründe meiner Entführung zu erfahren?“

      „Ihr seid meine Gefangene. Daher habt ihr keine Rechte. Diese Thematik hat außerdem nicht das Geringste mit Euch oder Eurer Entführung zu tun. Schlaft jetzt! Morgen reiten wir weiter.“

      Düster funkelte er sie an. Er duldete keinen Widerspruch.

      Wütend presste Sydney die Lippen zusammen und kehrte den beiden Männern verstimmt den Rücken zu.

      „Warum hast du es ihr nicht erzählt?“

      Richards Stimme durchschnitt die klare Nachtluft, als Sydney längst schlief. Damian zuckte gleichgültig mit den Schultern.

      „Das ist Lan’tashs Aufgabe. Es macht keinen Sinn, es ihr jetzt zu erzählen. Ich bin es schließlich, der mit ihr durch den Wald reiten muss.“

      Er