Hazel McNellis

Gefangene der Welten


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und versuchte, Geduld zu beweisen. Mr. Jameston, der Polizist, stellte ihm dieselbe Frage nun schon zum dritten Mal.

      Er war ein kleiner, untersetzter Mann mit einem Hang zur Fettleibigkeit. Ganz offensichtlich verbrachte er zu viel Zeit auf seinem Bürostuhl. Der Stift in seiner Hand klopfte ungeduldig gegen seinen Notizblock, den er gezückt hatte, kaum dass er das Haus betreten hatte. Seine blau-grünen Augen fixierten Jack, während die schmalen Lippen zusammengepresst waren. Jack konnte ihn nicht leiden und war sich beinahe sicher, dass diese Gefühlsregung durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

      Er setzte erneut zur Erklärung an.

      „Ja, ich bin sicher. Wie ich eben erklärte, habe ich geschlafen, als sie mich auf den Mann aufmerksam machte. Er stieß mich gegen die Wand, ich erlitt eine Platzwunde und Sydney war verschwunden. Ich habe nur den Schürhaken gefunden, der im Gras vor der Hütte lag.“

      Er warf einen Blick auf Paul, der an einem der Fenster stand und vorgab nicht zu hören, was Jack und Mr. Jameston besprachen. Die verschränkten Arme unterstrichen dabei die innere Anspannung, die seinen Körper beherrschte.

      Mit einem entschieden gesetzten Punkt auf seinem Notizblock, klappte Mr. Jameston ihn zu und schenkte Paul seine Aufmerksamkeit.

      „Mr. Abernathy, ich wäre dann soweit fertig. Ich kann Ihnen keine Versprechungen machen, aber ich versichere Ihnen, dass wir tun werden, was nötig ist, damit Sie Ihre Tochter bald wiedersehen.“

      Paul nickte, wandte den Blick jedoch nicht von der Szenerie vor seinem Fenster ab.

      „Ich bringe Sie noch zur Tür.“

      Jack erhob sich, entschlossen, den Polizisten hinauszubefördern.

      „Danke, ich finde von selbst hinaus.“

      Sein Blick war eisig und in dem Moment fiel es Jack wie Schuppen von den Augen: Man verdächtigte ihn, etwas mit Sydneys Verschwinden zu tun zu haben. Bevor der Polizist durch die Tür verschwand, drehte er sich noch einmal um.

      „Mr. Carson, ich möchte Sie darum bitten, die Stadt nicht zu verlassen.“ Sein Blick traf auf Jacks. „Falls wir noch weitere Fragen an Sie haben.“

      „Sicher. Ich habe nicht vor zu gehen.“

      Jack war wütend. Er war es gewesen, der die Polizei informiert hatte. Welchen Grund sollte er haben, Sydney etwas anzutun? Geschweige denn, dass er selbst verletzt war. Seine Gedanken führten ihn zurück zu der letzten Nacht. Sydney hatte ein Geräusch gehört. Waren sie zu dem Zeitpunkt womöglich schon nicht allein gewesen? Hätte er ihrer Besorgnis gründlicher nachgehen sollen? Hätte er sich deutlicher davon überzeugen sollen, dass kein Grund zur Sorge bestand?

      Er schloss die Tür hinter Mr. Jameston. Der bittere Beigeschmack von Schuld lag ihm auf der Zunge.

      3.

      „Was? Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“

      Sydney fühlte sich verlegen. Damian rollte genervt die Augen, ehe er zu einer Erwiderung ansetzte, deren Tonfall keine Widerrede duldete.

      „Wir sind schneller, wenn Ihr mit mir auf Schara’k reitet.“ Das Weib raubte ihm den letzten Nerv. „Es gibt keine andere Möglichkeit, nein. Besser, Ihr gewöhnt Euch an den Gedanken. Wir haben zwei Tage, ehe wir ankommen. Und ich dulde nicht, dass Ihr neben dem Pferd lauft und unsere Reise sich weiter verzögert.“

      Damian betrachtete seine Reisegefährtin. Er erwischte sich – nicht zum ersten Mal – bei dem Gedanken, wie närrisch, töricht und durch und durch weibisch sich seine Verlobte verhielt.

      Er war sich nicht sicher, ob er sie lieber zurücklassen wollte, damit er sie endlich wieder los war und die ewige Diskussion ein Ende hatte, oder ob er ihr berichten wollte, was ihr die nahe Zukunft bereithielt, um sie zum Schweigen zu bringen.

      Sicher, von ihrem Standpunkt aus betrachtet war es wohl keine angenehme Art zu reisen, doch Damian war nicht gewillt, ihr auch nur ein weiteres Zugeständnis zu machen. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er ihr die Fesseln abgenommen hatte.

      Beim Gedanken daran, wie er ihr seine Version ihrer Zukunft demonstrieren könnte, schlich sich ein wölfisches Grinsen auf sein Gesicht.

      Beunruhigt trat Sydney einen Schritt zurück. Was ging ihm nun wieder im Kopf herum? Dass es nichts Gutes für sie sein konnte, dessen war sie sich sicher. Sie räusperte sich und ließ ihren Blick zwischen Damian und dem schwarzen Wallach schweifen. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Auch wenn ihr Entführer attraktiv war, so wollte sie ihm in keinster Weise näher an sich heranlassen als notwendig. Wenn es nötig war, dass sie vor ihm im Sattel Platz nahm, würde sie sich fügen - wenn auch nur widerwillig. Sie wollte schließlich nicht schon wieder gefesselt und wie ein Sack Kartoffeln herumgeworfen werden.

      „Na schön. Wenn es denn unbedingt sein muss.“

      Das Grinsen war aus Damians Gesicht wie weggewischt. Nach einem Blick in Sydneys Augen, wandte er sich Schara’k zu und saß geschmeidig auf. Er lenkte Schara’k neben sie und blickte auf sie hinab.

      Das Pferd war riesig! Wie sollte sie da heraufkommen? Sydney schluckte nervös. In ihrem ganzen Leben hatte sie nicht einmal auf einem Pferd gesessen. Dass sie nun auf ein solches Monstrum aufsteigen sollte, ließ sich ihren Magen verkrampft zusammenziehen. Ihr Blick fiel auf die mächtigen Hufe. Was war, wenn das Pferd ausschlug? Oder ihr gar auf die Füße trat? Ihre Füße wirkten neben den Pferdehufen geradezu lächerlich winzig.

      Eine Hand erschien vor ihrem Gesichtsfeld.

      Damian blickte auf ihren Scheitel herab und fragte sich, was diese kleine Närrin nun wieder für ein Problem hatte. Es war wahrlich nervenaufreibend. Insbesondere, da er, Damian, nie geduldig gewesen war. Niemals hatte man es gewagt und seine Befehle missachtet oder gar in Frage gestellt. Seine Männer wussten, wer die Befehlsgewalt hatte. Dass ausgerechnet seine Zukünftige seine Geduld derart auf die Probe stellte, ließ ihn genervt mit den Zähnen knirschen. „Wollen wir?“ presste er hervor.

      Sydneys Kopf fuhr hoch.

      Eine schleichende Röte breitete sich von ihrem Hals über ihre Wangen und ihr Gesicht aus.

      Er fragte sich, ob diese nicht ganz unansehnliche Röte auch andere Partien ihres Körpers einnahm? Bevor er diesen Gedanken jedoch näher verfolgen konnte, griff sie nach seiner Hand und richtete ihren Blick auf das Pferd.

      Vorsichtig tätschelte sie den kräftigen Hals des Wallachs. Als sie „Ganz ruhig, Schwarzer!“ flüsterte, hätte er fast laut gelacht. Offensichtlich hatte seine zukünftige Braut mehr Angst vor einem Pferd, als vor ihm. Er grinste.

      „Setzt euren Fuß auf meinem, dann zieh ich Euch herauf.“

      Einen Moment später fand sich Sydney hoch zu Ross wieder. Ihre Hände umklammerten den Sattelknauf. Wenn sie nun herunterfiel? Es war so tief! Als sie bäuchlings mit ihm durch den Schleier geritten war, hatte sie gar keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Doch jetzt…?

      Ihre Gedanken wirbelten in einem Strom nahe der Panik umher und Damian bemerkte besorgt, wie sich ihre Atmung beschleunigte. Er legte seine Arme um sie.

      „Lehnt Euch an meine Brust. Euch kann nichts geschehen. Schara’k ist ein angenehmer Genosse. Trittfest und gelassen. Seid unbesorgt.“

      Obwohl er ihr einen Teil der Furcht nahm, missfiel es Sydney, dass ihre Gefühlslage derart offensichtlich war.

      „Ich habe keine Angst!“ erwiderte sie betont gelassen und Damian schnaubte.

      „Euer Rücken ist derart angespannt, dass man glauben könnte, ich transportiere eine Statue! Auch, wenn ihr keine Angst haben mögt, so wäre es für die Reise hinderlich, derart verkrampft zu sitzen. Deshalb befehle ich Euch: Lehnt Euch zurück!“

      „Ihr erteilt mir Befehle?“ brauste sie sofort auf.

      Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Sie drehte den Kopf und funkelte Damian an. Ihre Augen waren zu wütenden Schlitzen