Edgar Rice Burroughs

TARZAN UND SEINE TIERE


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im dichten Dschungel.

      Tarzan blutete aus zahlreichen Wunden, die ihm Molak zugefügt hatte, aber er war es gewohnt, Schmerzen zu ertragen. Dennoch kam ihm zu Bewusstsein, dass er als erstes Waffen schaffen müsste, die ihm zur Verteidigung dienten. Die fernen Stimmen Numas, des Löwen, und Sheetas, des Panthers, erinnerten ihn daran, dass er Tag und Nacht von Gefahren umgeben sein würde.

      Nach langem Suchen fand er einen kleinen Gesteinsbrocken, den er in mühseliger Arbeit so spaltete, dass ein schmaler Streifen übrigblieb, der sich als Messer benutzen ließ. Mit diesem Messer spitzte er den Ast eines Baumes, dessen Holz besonders hart war, so dass er einen primitiven Speer gewann. Bogen und Pfeile folgten, eine schwere Keule vervollständigte die Ausrüstung. Alle Waffen verbarg er im Geäst eines hohen Baumes, auf dem er sich eine Plattform errichtete, die er mit einem Dach aus Palmblättern versah.

      Als er alle Vorbereitungen beendet hatte, meldete sich sein Magen. Er erinnerte sich der zahlreichen Wildspuren, die er an einer Tränke, wenige hundert Meter flussaufwärts, gesehen hatte. Dorthin wandte er sich, indem er sich mit geschmeidigen Bewegungen durch das Geäst der Bäume schwang. Als er die Stelle erreichte, ließ er sich auf die untersten Äste herab und wartete auf seine Beute.

      Er brauchte nicht lange zu warten. Kaum hatte er sich bequem zurechtgesetzt, als Bara, der Rehbock, sich der Tränke näherte. Aber Bara kam nicht allein. Hundert Meter hinter ihm schlich Numa, der Löwe, in Erwartung leichter Beute. Tarzan sah den Löwen, während Bara ahnungslos den Weg fortsetzte. Dann aber warnte ein Geräusch den Rehbock. Sekundenlang verharrte er mit zitternden Flanken, dann jagte er auf die Furt zu, entschlossen, sich vor seinem Verfolger auf das jenseitige Ufer zu retten.

      In dem Augenblick, als Bara unter Tarzan passieren wollte, ließ dieser sich auf den Rücken des Bocks herabfallen, griff nach den beiden Hörnern und brach Bara mit einem Ruck das Genick. Numa setzte heran, kam aber zu spät. Mit einem Hinterlauf des Rehbocks schwang Tarzan sich in die Sicherheit des nächsten Baumes hinauf und stillte seinen Hunger. Nie hatte ihm ein Mahl köstlicher gemundet, selbst die Erinnerung an die Feinschmeckerrestaurants in London verblasste dagegen.

      Numa begleitete die Mahlzeit mit wütendem Brüllen, aber Tarzan ließ sich dadurch nicht im Geringsten stören. Er beendete sein Mahl, stellte die Reste des Fleisches in einer Astgabel sicher und machte sich auf den Weg zu seiner luftigen Behausung, während Numa ihm tief unten folgte. Mit dem behaglichen Gefühl der Sättigung suchte Tarzan sein primitives Lager auf und schlief bis in den späten Morgen hinein.

      Während der nächsten Tage war Tarzan damit beschäftigt, den Dschungel zu erforschen und seine Waffen zu vervollständigen. Er flocht ein langes Seil und benutzte Sehnen des am ersten Tage erlegten Rehbocks für seinen Bogen; Scheide und Griff für sein Jagdmesser folgten, ein Köcher für die Pfeile bildete den Abschluss. So bewaffnet, machte er sich auf, um festzustellen, wo er sich befand. Er wusste, dass es nicht die Ostküste Afrikas war, denn für ihn stand fest, dass die Kincaid nicht Mittelmeer, Suezkanal und das Rote Meer passiert hatte. Aber auch seine gewohnte alte Westküste konnte es nicht sein, denn die Sonne ging hinter dem Meer auf, bevor sie den Dschungel berührte.

      Parallel mit der Küste suchte er sich den Weg durch den Dschungel. Schon sehnte er sich nach Gesellschaft, bedauerte, sich nicht den Affen vom Stamme Molaks angeschlossen zu haben.

      Am zweiten Tage seines Forschens begegnete er Sheeta, dem Panther. Tarzan war froh über diese Begegnung, denn er wollte die starken Därme des Panthers für seinen Bogen verwenden und sich aus Teilen des Felles ein Kleidungsstück anfertigen.

      Als er näherkam, bemerkte er, dass der Panther selbst auf der Jagd war. Auf einer kleinen Lichtung erkannte Tarzan die Affen vom Stamme Akuts. Sie spielten ahnungslos und suchten hinter der Rinde der Bäume nach Leckerbissen. Akut war Sheeta, der sich auf einen starken Ast geschwungen hatte, am nächsten.

      Lautlos bewegte sich Tarzan, bis er auf dem gleichen Baum wie der Panther lag, nur wenig über der großen gefleckten Katze. In der Linken hielt er das Messer aus Stein. Er hätte lieber das Seil benutzt, aber das dichte Laub, das Sheeta umgab, ließ keinen genauen Wurf zu.

      Akut hatte inzwischen auf seiner Wanderung den Baum erreicht, auf dem das Verhängnis wartete. Sheeta zog die Hinterläufe noch weiter an und machte sich sprungbereit. Mit mächtigem Brüllen warf er sich auf den Gorilla. Akut blickte auf und sah den Panther dicht über sich, zugleich sah er den weißen Affen, der ihn einmal herausgefordert hatte, auf dem Rücken des Panthers landen.

      Die Zähne Tarzans gruben sich in Sheetas Nacken, sein rechter Arm hielt die Kehle umschlungen, während die Linke immer wieder den scharfkantigen Steindolch tief in den Leib des Panthers stieß. Akut hatte gerade noch Zeit, zur Seite zu springen, um nicht unter den beiden Kämpfern begraben zu werden.

      Mit dumpfem Poltern landeten sie zu seinen Füßen. Sheeta brüllte vor Schmerz und wahnsinniger Wut, aber der weiße Affe ließ nicht locker. Immer wieder stieß er den Dolch hinter der linken Schulter in den Leib des Gegners, bis dieser zusammenbrach, noch einmal zuckte und dann reglos liegen blieb.

      Tarzan setzte ihm den Fuß auf den Nacken und stieß seinen wilden Siegesruf aus. Akut und seine Affen blickten verwundert auf den toten Körper des Panthers und auf die schlanke Gestalt des Mannes, der die Bestie bezwungen hatte.

      Tarzan war der erste, der sprach. Er hatte Akuts Leben mit voller Absicht gerettet und wusste, dass er den Sinn seiner Handlung klarmachen musste, weil der Intellekt der Affen nicht von allein darauf gekommen wäre.

      »Ich bin Tarzan von den Affen«, sagte er. »Ein mächtiger Jäger. Ein mächtiger Kämpfer. Am großen Wasser verzichtete ich darauf, Akut das Leben zu nehmen, obwohl ich es gekonnt hätte. Jetzt habe ich Akut vor den tödlichen Fängen des Panthers gerettet. Wenn Akut oder der Stamm Akuts in Gefahr ist, und ihr meine Hilfe braucht, so ruft nach mir, wie ich es jetzt vormache...« Er legte den Kopf in den Nacken und stieß den Schrei aus, mit dem Kerchak im Falle von Gefahr seine Stammesangehörigen herbeigerufen hatte.

      »Wenn aber«, so fuhr er fort, »Tarzan nach euch ruft, so denkt an das, was er für Akut getan hat, und eilt ihm auf schnellstem Wege zu Hilfe. Soll es so sein, wie Tarzan sagt?«

      »Huh«, erwiderte Akut, und die Angehörigen seines Stammes stimmten geschlossen in den Ruf ein. Dann gingen sie wieder ihren Beschäftigungen nach, als sei nichts geschehen, und sie brachten auch John Clayton, Lord Greystoke, was er an Nahrung brauchte.

      Tarzan bemerkte, dass Akut sich immer in seiner Nähe hielt und ihn verwundert musterte. Einmal tat er etwas, was Tarzan noch nie bei einem Tier gesehen hatte - er brachte Tarzan einen besonders schönen Leckerbissen, den er gefunden hatte.

      Fast eine Woche lang durchstreifte Tarzan mit seinen neuen Freunden den Dschungel, zum Teil, weil es ihn nach Gesellschaft verlangte, aber auch, weil er wollte, dass sein Anblick sich ihnen einprägte und sie seinen Ruf kennenlernten. Es schien ihm geraten, einen Stamm so kräftiger Bundesgenossen immer zu seiner Verfügung zu haben.

      Schließlich glaubte er, sein Ziel erreicht zu haben, und so beschloss er, seine Erkundungsgänge wieder aufzunehmen. Eines Morgens machte er sich auf den Weg nach Norden und legte, sich parallel zur Küste bewegend, eine große Strecke zurück. Die Nacht verbrachte er in einer Astgabel, wo er vor Überraschungen geschützt war.

      Als die Sonne am nächsten Tage auf ging, sah Tarzan, dass sie fast genau zu seiner Rechten lag, nicht mehr geradeaus, wie es bisher der Fall gewesen war. Daraus schloss er, dass sich die Küste in westlicher Richtung erstreckte. Während des ganzen zweiten Tages setzte er seinen Marsch fort, und als die Sonne unterging, fand Tarzan die Vermutung bestätigt, die er schon lange gehegt hatte.

      Nikolas Rokoff hatte ihn auf einer Insel ausgesetzt!

      Er hätte es wissen müssen. Rokoff hätte keinen raffinierteren Plan fassen können, als ihn hilflos auf einer unbewohnten Insel auszusetzen.

      Zweifellos war der Russe selbst direkt zum Festland gefahren, wo es ein leichtes für ihn sein würde, Tarzans kleinen Sohn bei den grausamen Pflegeeltern abzuliefern, wie er es angedroht hatte. Ein Kannibale!