Berndt Strobach

Privilegiert in engen Grenzen


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Ruhm des Libanon [gilt ihm]11, der den vorläufigen Tempel [die Synagoge] baute, das Lehrhaus [Bet ha-midrasch], welches Fundament und Grundstein liefert.

      Sein Dahinscheiden aus der Welt verursachte Aufsehen, im Palast und im Saal erweist man ihm Ehre. [...]

      Viele Waisenknaben und –mädchen hat er mit seinem Geld verheiratet [d.h. mit der notwendigen Mitgift ausgestattet]. [...]

      Geboren am 24. Nissan des Jahres [5]421 [des jüdischen Kalenders, im christlich-gregorianischen Kalender: 23.4.1661], gestorben, satt an Tagen [d.h. in hohem Alter], am 24. Tammuz des Jahres [5]490 [9.7.1730]‚ ein gerechter und reiner Mensch’.

      Der Herr erinnere seine Seele mit den Seelen Abrahams, Isaaks und Jakobs, Moses‘ und Arons, Davids und Salomos und mit den Seelen aller anderen Gerechten und Heiligen, die sich im Land der Lebenden befinden, und seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens mit den anderen Gerechten des Weltfundaments im Paradies, Amen, Sela.“

      Wie man sieht, stehen also im Vordergrund für die Gemeinde die Frömmigkeit des Residenten sowie die aus ihr fließenden religiös-institutionellen und sozialen Wohltaten für die eigene und für fremde jüdische Gemeinden sowie sein Erfolg und sein Ansehen in der christlichen Mehrheitsgesellschaft, welche es ihm ermöglichten, als Anwalt der jüdischen Gemeinschaft Einfluß auszuüben.

      Legenden im „Maassebuch“

      Danach enthält es zum Beispiel eine fromme Legende über die Prophezeiung von Lehmanns Größe schon vor seiner (fälschlich in Halberstadt angesiedelten) Geburt, und es berichtet über die mutige Erlegung eines gefährlichen Bären auf Lehmanns Geheiß und über die wundersame Errettung des großen Mannes aus einer Lebensgefahr (beides historisch nicht verifizierbar).

      Benjamin Hirsch Auerbach (1808–1872)

      Auerbach hat an anderer Stelle die klare Einsicht: „Solche Apotheosen, womit in der Regel ganz nebulistische Geister als Ersatz für gründliche Charakterzeichnung [...] uns aufzuwarten pflegen, sind oft sehr ergötzlich und geeignet, fromme Gemüther zu erheben und dem Erfinder Dank zu zollen für die Wärme seines Herzens und die lebendige Phantasie, die seinen Helden so überaus schön und beneidenswerth zu verklären vermochte.“ Er hat offenbar nicht gemerkt, dass er, trotz weiser Erkenntnis im Allgemeinen, im Speziellen mit seinem Berend-Lehmann-Kapitel selbst eine solche „Apotheose“ geschaffen hat.

      Psychologisch ist das gut zu verstehen: Die Emanzipation* der deutschen Juden war noch nicht einmal ganz vollendet, und die Erinnerung an die Zeiten der Ausgrenzung und Bedrückung war noch höchst lebendig. Da musste ein mutiger Vertreter der Protoemanzipation* wie der Resident als Vorkämpfer und Heiliger in strahlendem Licht erscheinen.

      Marcus Lehmann (1831–1890)

      Ein interessantes Zeugnis für die Wirkung, die Marcus Lehmanns Buch noch im 20. Jahrhundert ausgeübt hat, gibt der Enkel Benjamin Hirsch Auerbachs,

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      Abb. 1 (oben) und 2 (unten): Der legendenhafte Roman ‚Der königliche Resident’ des Mainzer Rabbiners Marcus Lehmann aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte nachdrücklich das Berend-Lehmann-Bild orthodoxer Juden. Er wurde in englischer und hebräischer Sprache bis ins späte 20. Jahrhundert neuaufgelegt.