Berndt Strobach

Privilegiert in engen Grenzen


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zu kommen. Kaum war die Bezahlung alter Schulden geregelt, da erschien der Hofbankier mit einem neuen Angebot, dem August der Starke in seinem Luxusbedürfnis fast immer erlag.“57 Die Wortwahl suggeriert den raffgierigen, teuflischen Versucher.

      Schnee identifiziert sich hier in den 1950er Jahren durch seine Wortwahl mit den antijüdisch eingestellten Ständen des 18. Jahrhunderts, weit davon entfernt, den Juden im Sinne der Menschenrechte ein Bleiberecht zuzugestehen.

      Durch die Erwähnung einer großen Menge unsystematisch aufgezählter Riesensummen, mit denen er Lehmann umgehen lässt, schafft er ein krasses Gegenbild zu dem noch kaum angetasteten Helden- und Heiligenbild in den jüdischen Lehmann-Biographien: Der Resident wird bei ihm zu einem äußerst geschickten, ja raffinierten Geld-, Waren- und Nachrichtenagenten, dem es gelingt, die jüdische Population und deren Einfluß bedeutend zu vermehren, der allerdings am Ende (Subtext: gerechterweise) genauso kometenhaft verschwindet, wie er emporgekommen ist.

      Bei aller ideologischen Einfärbung hat Schnee durch seine umfangreiche Archivarbeit allerdings auch dafür gesorgt, dass Lehmanns Geschäftstätigkeit konkreter greifbar wurde.

      Pierre Saville

      Der Autor geht mit spürbar großer Sympathie für den Talmud-Mäzen und ‚Schtadlan’* Lehmann ans Werk; das Vorwort des Werkes stammt von dem berühmten Antisemitismusforscher Léon Poliakov. Saville zitiert aus einer Reihe von polnischen Geschichtswerken mit ihrem originalsprachigen Titel, so dass er möglicherweise polnisch-jüdische Wurzeln hatte.

      Diese Ungenauigkeit kennzeichnet leider das ganze Werk: In äußerst gepflegtem literarischen Französisch entwirft er, erzählend, ein Lebensbild aus viel Legende („tradition orale“) und aus mehr oder weniger gesicherten Fakten, die er aus Vorgängerwerken übernommenen hat. Wo das direkte biographische Material spärlich fließt, beschreibt er ausführlich die allgemeinen historischen Vorgänge, z.B. die französische Seite der polnischen Königswahl Augusts des Starken und den Nordischen Krieg.

      Seine Sicht Berend Lehmanns ist in der Nachfolge Auerbachs und Marcus Lehmanns von Begeisterung für die historische Ausnahmefigur des „résident royal“ geprägt.

      Er malt uns einen geradezu genialen Berend Lehmann, dessen Einfluss auf das Weltgeschehen den der Marcus-Lehmannschen Romanfigur noch übersteigt. Durch geschickte psychologische Kombination extrapoliert er das, was der Wortlaut der Quellen scheinbar nur zufällig nicht hergibt.

      Manfred R. Lehmann (1922−1997)