Britta Bendixen

Puppenspiel mit Dame


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Ständig war er sich mit der Hand durch die blonden Haare gefahren, und als sie ihm glücklich um den Hals gefallen war hatte sie an seiner Erleichterung gemerkt, wie aufgeregt er gewesen war.

      Nachdem sie das Bett gemacht und abgewaschen hatte nahm sie ein Staubtuch und begann, die Bilder auf dem Kaminsims abzustauben. So richtig ablenken konnte das Aufräumen und Putzen sie jedoch nicht. Ständig fiel ihr Blick auf das Telefon, das beharrlich schwieg. Das einzige Geräusch kam vom Ticken der Uhr an der Wand, ein Ton, der ihre Nervosität noch steigerte. Sie stellte das Radio an, nicht zu laut, damit sie keinesfalls das Klingeln des Telefons überhörte.

      David, ruf endlich an! dachte sie entnervt. Ich halte diese Ungewissheit nicht mehr aus!

      Das Staubtuch fuhr über das Bild ihres älteren Bruders. Wieder einmal staunte sie über die Ähnlichkeit, die Jonathan und sie aufwiesen. Beide hatten sie kastanienbraunes Haar und große dunkle Augen. Wenn sie lächelten sahen sie beinahe wie Zwillinge aus, dabei war Jonathan drei Jahre älter als sie.

      Er war siebenundzwanzig und stand kurz vor dem Abschluss seines Jurastudiums. Seit er in Harvard studierte hatten sie wenig Kontakt. Ihr letztes Telefonat war allerdings erst wenige Tage her. Jonathan hatte angerufen, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Es war ein Gespräch gewesen, wie es zwischen ihnen typisch war.

      „Alles Gute zum Geburtstag, du alte Schachtel!“

      „Sehr witzig. Aber trotzdem danke, du Greis.“

      „Immerhin sehe ich jünger aus als du“, hatte Jonathan behauptet.

      „In deinen Träumen!“ hatte sie lachend erwidert. „Kämmst du dir die Haare eigentlich schon nach vorn auf die hohe Stirn?“

      Gelächter war an ihr Ohr gedrungen. Er hatte gut lachen, denn sein Haar war nach wie vor üppig.

      „Wie geht’s Mom und Dad?“

      „Bestens, wie immer. Und was treibst du so?“

      „Na, was wohl?“ stöhnte er. „Lernen, lernen und dann noch ein wenig lernen.“

      „Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Eine faule Socke wie du? Mich wundert, dass sie dich überhaupt in Harvard zugelassen haben.“

      „Mit jedem Jahr, das du älter wirst, wirst du frecher“, beschwerte sich ihr Bruder. Jasmin überhörte den Vorwurf, aber nur, weil sie ihm ihre Neuigkeiten erzählen wollte. Sie ließ sich auf die Couch fallen, strich ihre widerspenstige Haarsträhne hinter das rechte Ohr und legte die Füße hoch.

      „Brüderchen, stell dir vor, Ben und ich sind verlobt!“

      „Gratuliere! Hat er sich endlich getraut, dich zu fragen?“

      „Oh ja“, lächelte sie verträumt. „Es war sehr romantisch.“

      „Ich freue mich für euch. Wann wollt ihr heiraten?“

      „Das wissen wir noch nicht genau. Vielleicht im Herbst.“

      „Da möchte ich auf jeden Fall dabei sein.“

      „Na gut, dann schicken wir dir eben doch eine Einladung“, grinste sie.

      Er tat empört. „Ziege!“

      Dann berichtete sie ihm von dem Vorsprechen.

      „Mein Agent hat mir einen Castingtermin besorgt für die weibliche Hauptrolle im neuesten Steve-Conelly-Film. Ich bin jetzt in der Endauswahl. Nächste Woche ist das entscheidende Vorsprechen. Drück mir bitte die Daumen.“

      „Ja, klar. Und was für ein Film soll das sein?“

      „Eine romantische Komödie. Ich bin total nervös.“

      „Du schaffst das schon. Ich denk an dich. Sag mir Bescheid, wie es gelaufen ist.“

      „Klar, mach ich.“

      „Sorry, aber ich muss Schluss machen, die Vorlesung fängt in zehn Minuten an. Liebe Grüße an Mom und Dad. Und dir viel Glück, Kleine!“

      Als sie gerade das Waschbecken im Badezimmer schrubbte klingelte das Telefon. Für einen Moment blieb Jasmin das Herz stehen. Sie hielt mitten in der Bewegung inne und sah kurz in den Spiegel.

      „Okay“, murmelte sie, „dies ist die Stunde der Wahrheit.“

      Sie atmete tief durch und eilte ins Wohnzimmer, wobei sie sich die Gummihandschuhe von den Händen streifte. Ihre Hand zitterte leicht, als sie nach dem Hörer griff.

      „Hallo?“

      „Jasmin, hier ist David.“

      „David! Na endlich!“

      „Ed Carpenter hat angerufen“, berichtete David.

      Ed Carpenter war der Leiter des Castings. David fuhr fort. „Sag mal, raucht der Mann Kette? Seine Stimme klang heute noch schlimmer als sonst, als müsste sie dringend geölt werden.Verglichen mit ihm steht Joe Cocker noch vor dem Stimmbruch. “

      Jasmin setzte sich vorsorglich auf einen Sessel.

      „Keine Ahnung. Jetzt sag schon, David. Hab ich die Rolle?“

      Das Café Condesa in Greenwich Village war ein kleines, kubanisch angehauchtes Café, in dem es mittags eine große Auswahl an köstlichen Omelettes gab und außerdem die besten Weine. Anne Tyler liebte dieses Café besonders wegen der leckeren Salate. Sie und Leon aßen häufiger hier.

      Ihre Füße wippten im Rhythmus der karibischen Musik während sie auf ihre Tochter wartete. Jasmin hatte vor einer halben Stunde angerufen und sie gebeten, sich mit ihr zu treffen. Sie habe interessante Neuigkeiten hatte sie gesagt.

      Nach zehn Minuten und einem heißen starken Kaffee sah Anne ihre Tochter vor der Eingangstür aus einem Taxi steigen. Sie hatte sich das Haar hochgesteckt und trug ihren langen braunen Mantel. Um den Hals hatte sie sich gegen die Kälte einen dicken roten Schal geschlungen, so groß, dass er aussah wie ein kommunistisches Statement.

      Als sie durch die Eingangstür trat sah sie sich suchend um, bis sie ihre Mutter entdeckte. Sie trat auf ihren Tisch zu, beugte sich zu Anne hinab und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

      „Hi Mom. Schön, dass du Zeit hattest.“

      „Die habe ich mir gern genommen. Aber nun setz dich hin und sag mir, was los ist. Ich platze gleich vor Neugier.“

      Jasmin hing seelenruhig ihren Mantel und den Schal an den in der Nähe stehenden Garderobenständer. Dann drehte sie sich wieder zu ihrer Mutter um. „David hat vor einer halben Stunde angerufen“, sagte sie betont beiläufig.

      „David?“

      „Jasmin rollte mit den Augen. „Mein Agent! Es geht um die Rolle in dem Steve-Conelly-Film.“

      „Oh ja, richtig.“ Annes Augen wurden größer. Gespannt sah sie zu ihrer Tochter auf, die immer noch neben dem Tisch stand. „Und? Was hat er gesagt? Hast du die Rolle?“

      Jasmin behielt ihren ernsten Gesichtsausdruck noch einen kurzen Moment bei, doch dann hielt sie die Maskerade nicht mehr durch und strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe die Rolle!!“

      Mit einem spitzen Schrei sprang Anne auf und nahm sie in die Arme. Beide kreischten vor Freude, doch als sie die vielen anderen Gäste bemerkten, die sich mit missbilligenden Blicken zu ihnen umgedreht hatten, dämpften sie rasch die Lautstärke und setzten sich hin.

      „Das ist großartig, Engel“, jubelte Anne. „Ich freue mich ja so für dich!“ Sie winkte dem Ober. „Zwei Gläser Champagner, bitte.“ Und an Jasmin gewandt: „Das muss begossen werden! Und jetzt erzähl!“

      Jasmin lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Ich hatte den Text so intensiv gelernt, dass ich ihn sogar aufsagen könnte, wenn du mich aus der Tiefschlafphase holen würdest“, behauptete sie. „Trotzdem hatte ich total weiche Knie, als es endlich soweit war. Ich habe mich so gut ich konnte in die Figur hineinversetzt, habe versucht, an alles zu denken, was ich auf der