Michaela Santowski

Brich mein Herz


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nicht. Und jetzt besaufe ich mich, damit ich sie morgen vergessen habe.“

      „Tobias!“, schrie Felix aus seinem Zimmer. „Es hat an der Tür geklingelt. Ungefähr zehn Mal“, fügte er missmutig hinzu und zog sich die Bettdecke wieder über den Kopf.

      „Habe ich gehört!“, gab Tobias erschöpft zurück. Stöhnend schwang er die Beine aus dem Bett, stieg über eine leere Whiskeyflasche, die mitten im Flur lag, und schlurfte zur Tür. Als er sie öffnete, war er erstaunt, seinen Cousin davor stehen zu sehen.

      „Nico“, begrüßte er ihn. „Was machst du denn hier? Und das zu so einer unchristlichen Zeit“, fügte Tobias nach einem Blick auf die Uhr hinzu.

      Nico drängte ihn zur Seite, betrat die Wohnung, warf einen kurzen Blick auf die leeren Flaschen und reichte seinem Cousin eine Packung Aspirin. „Nur zu deiner Info, liebster Cousin. Es ist bereits halb elf durch, andere sind zu dieser Zeit schon an der Uni. Und ich bin hier, weil ihr mich gestern mit völlig besoffenen Kopf angerufen und mir sozusagen befohlen habt, heute Morgen auf jeden Fall zu einer dringenden Besprechung unter Männern zu erscheinen.“

      Dankbar nahm Tobias die Tabletten entgegen. „Haben wir das?“, fragte er nach, während er sich ein Glas Wasser eingoss und gleich drei Tabletten auf einmal einwarf.

      „Habt ihr. Wo ist dein unmöglicher Mitbewohner?“ Nico räumte einen leeren Pizzakarton von einem Stuhl und setzte sich.

      „Hier bin ich“, kam es aus Richtung Tür. „Was willst du denn hier? Solltest du nicht arbeiten?“

      Tobias reichte Felix ein Glas und die Tabletten. „Wir haben ihn anscheinend gestern angerufen.“

      „Haben wir das?“ Zweifelnd blickte Felix Nico an.

      „Habt ihr.“

      „Was wollten wir denn von dir?“

      Nico grinste. „Ihr habt mir gesagt, wie verdammt gut ich aussehen würde und dass ich bestimmt jede Frau rumkriegen würde.“

      „Gleich muss ich kotzen“, warf Felix ein und gab Würggeräusche von sich.

      „Dann habt ihr mich aufgefordert, Miss Arrogant eine Lektion zu erteilen und ihr das Herz bei lebendigem Leibe rauszureißen.“

      Tobias seufzte.

      „Gleich darauf habt ihr festgestellt, dass der Tod zu gut für sie wäre. Da ich bestimmt ein absolut einfühlsamer Liebhaber sei und es keine Frau gibt, die mir widerstehen kann, soll ich sie verführen und dann eiskalt abservieren.“

      „Jetzt gehe ich definitiv kotzen.“

      Tobias grinste. „Das haben wir tatsächlich gesagt? Ich erinnere mich an absolut gar nichts mehr.“

      Nicos Blick fiel auf ein Foto, das auf dem Tisch lag. „Ist sie das?“, fragte er, während er danach griff.

      „Jau. Das ist Larissa Natalia von Aragon.“

      Nico schmunzelte. „Passender Name.“ Von dem Foto sah ihm eine umwerfende Rothaarige entgegen. Sie hatte langes, lockiges Haar, gehalten von einer Sonnenbrille, die ihr lässig im Haar steckte, und endlos lange Beine. Auf den ersten Blick erkannte Nico, dass die Klamotten, die sie trug, wahrscheinlich seinen ganzen Monatslohn gekostet hatten. Sie lehnte an einem roten Audi TT Cabrio und blickte lächelnd in die Kamera.

      „Diese Frau hat also Felix´ Herz herausgerissen.“

      „Nicht nur meins. Die hat einen Männerverschleiß, der sich sehen lassen kann.“

      „Na ja, bei ihrem Aussehen“, warf Nico ein und griff dankbar nach dem Kaffee, den Tobias ihm reichte.

      „Wahre Schönheit kommt von innen“, philosophierte Tobias und setzte sich seinem Cousin gegenüber. „Larissa ist eine arrogante Hexe, die im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden wäre“, klärte er diesen auf. „Sie benutzt Männer, einfach, weil sie es kann.“

      „Das glaube ich gerne.“

      „Deine Kommentare sind wenig hilfreich.“ Felix gesellte sich zu ihnen. „Irgendjemand muss dieser Hexe das Herz brechen. Sie muss selber fühlen, was sie anderen antun.“

      „Und dieser jemand soll ich sein“, stellte Nico fest und trank einen Schluck Kaffee.

      „Anscheinend. Sonst hätten wir dich nicht angerufen.“

      Nico schwieg. Felix sah ihn erwartungsvoll, Tobias eher amüsiert an.

      „Ich will sie kennenlernen. Dann entscheide ich, ob ich der gleichen Ansicht bin wie ihr“, stellte Nico nach einer Weile fest.

      „Ja!“, schrie Felix euphorisch und sprang auf, was er gleich darauf bereute. Mit einem Stöhnen hielt er sich seinen Kopf und sank langsam wieder auf den Stuhl zurück. „Das ist klasse.“

      „Noch habe ich nicht zugestimmt. Das ist normalerweise nicht meine Art. Aber da Tobias anscheinend auch der Meinung ist, lohnt sich ein Blick auf die Dame auf alle Fälle. Aber vergesst nicht, dass wir nicht wissen, ob ich ihr überhaupt gefalle.“

      „Da hege ich keine Zweifel dran. Sie mag Männer aus der Unterschicht, die sich die Hände schmutzig machen.“

      „Vielen Dank“, erwiderte Nico gleichzeitig amüsiert und empört.

      „Du weißt, wie ich das meine“, winkte Felix ab. „Sie wird auf dich abfahren. Aber bevor sie dich abservieren kann, servierst du sie ab. Das ist ihr in ihrem ganzen Leben noch nie passiert.“ Er rieb sich die Hände. „Du musst nur dafür sorgen, dass sie dir völlig verfallen ist, bevor du sie abschießt. Dann fängt sie endlich mal an, nachzudenken.“

      Nico verzog seinen Mund zu einem amüsierten Lächeln. „Ihr tut das alles also nur, um einen besseren Menschen aus ihr zu machen.“

      „Genau“, erwiderte Felix im Brustton der Überzeugung. „Ich denke nur an die mir nachfolgenden Männer.“

      „Ihr seid zu gut für diese Welt“, spottete Nico.

      „Darauf trinke ich!“, grinste Tobias und hob seine Kaffeetasse. „Jetzt lass uns überlegen, wo und wie du sie unauffällig kennenlernen kannst.“

      Als Nico später auf dem Weg nach Hause war, dachte er noch einmal über den Vormittag nach. Die ganze Sache widerstrebte ihm eigentlich. Es war definitiv nicht seine Art, Frauen zu benutzen. Und nichts anderes verlangten die beiden da von ihm. Andererseits war er seinem Cousin eng verbunden. Tobias hatte ihn noch nie um etwas gebeten, was nicht Hand und Fuß hatte. Gut, gestern Abend hatte er die beiden nicht ernst nehmen können. Aber heute Morgen sah die Sache anders aus. Sie hatten ihm dargelegt, was Larissa mit nahezu jedem Mann anstellte, der ihr unter die Finger kam. Ihre längste Beziehung war tatsächlich Felix gewesen. Aber Nico war im Zweifel für den Angeklagten. Vielleicht hatte sie ihre Gründe gehabt. Oder man sagte ihr einfach die ganzen Beziehungen nach, weil sie im Grunde unnahbar war und die Männer sich die Zähne an ihr ausbissen.

      Wie auch immer. Er würde sie kennenlernen und dann beurteilen. Danach konnte er entscheiden, ob er sich auf den Kram einließ oder nicht. Schlussendlich hatte Tobias in einem Recht: er war der absolut perfekte Mann für diesen Sache. Nicht, weil er sich für unwiderstehlich hielt, sondern weil er nie mit dem Herzen dabei war. Sein Beruf als Streetworker hatte ihn vorsichtig werden lassen. Leider litt sein Privatleben darunter. Er weigerte sich schlicht und einfach, sich zu verlieben. Insofern würde auch eine noch so bildhübsche Larissa von Aragon ihn nicht um den Finger wickeln können. Er ließ niemanden emotional an sich heran. Und wer war besser geeignet für so einen Job als jemand, der gefühlsmäßig völlig unbeteiligt war?

      Larissa stand vor dem Spiegel in ihrem geräumigen Bad und überprüfte ihr Make-up. Gleich hatte sie einen Termin bei der Maniküre, wofür sie schon ziemlich spät dran war. Allerdings war sie der Meinung, dass man ruhig auf sie