Michaela Santowski

Brich mein Herz


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meinen Kaffee nicht mehr alleine trinken zu müssen.“

      „Soll ich dir einen blasen für den Kaffee?“

      Er hatte auch diese Anspielung von Astrid übergangen und ihr ein wenig über die Einrichtung erzählt: Dass confianza das spanische Wort für Vertrauen und Hoffnung war, dass hier niemand etwas von ihr erwartete, dass sie jederzeit kommen und gehen konnte. Es gäbe nur zwei Regel: keine Waffen und keine harten Drogen. Dennoch dauerte es weitere vier Wochen bis Astrid wirklich glauben konnte, dass tatsächlich niemand etwas von ihr erwartete. Sie konnte essen und trinken und schlafen, ohne dass eine Gegenleistung verlangt wurde. Sie konnte kommen und gehen wie sie wollte. Paula und Nico waren einfach für sie da. Ohne Forderungen. Nico hatte schon lange erkannt, dass das der beste Weg war an die Klienten, wie die Jugendlichen genannt wurden, heranzukommen. Aber Astrid war anders. Irgendwie hatte sie sich in Nicos Herz geschlichen. Die Kleine war zäh, ließ sich nicht unterkriegen. Und sie war intelligent.

      Nico seufzte und schloss die Akte. Ihm war schon länger klar, dass er den für seine Arbeit dringend benötigten Abstand bei Astrid verloren hatte. Die Vorschriften besagten in so einem Fall, sich zurückzuziehen. Paula hätte übernehmen müssen. Aber Astrid hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Paula zwar mochte, ihre Bezugsperson aber Nico war. Und eins war sicher: Sollte sich das ändern, würde sie nicht wiederkommen und sie hätten sie verloren.

      „Nico!“, vernahm er Paulas Stimme vom Treppenaufgang. „Ich könnte hier Hilfe gebrauchen.“ Ihre Stimme klang ruhig. Dennoch wusste Nico, dass es dringend war.

      Als er den Essensraum betrat, sah er, dass zwei ihrer Klienten in Streit geraten waren und sich jetzt wütend gegenüberstanden. Einer von ihnen hatte ein Messer in der Hand und fuchtelte damit bedrohlich in der Luft herum. Paula stand direkt neben ihm und redete beruhigend auf ihn ein. Auch auf die Entfernung erkannte Nico, dass die Emotionen bereits so hochgekocht waren, dass Reden nicht mehr helfen würde. Ohne zu zögern trat er hinter den Jungen, griff nach der Hand mit dem Messer und drehte ihm den Arm auf den Rücken.

      „Jetzt gehen wir langsam hier raus, Timo.“ Nico bewegte sich rückwärts und hielt Timo fest, während dieser schrie und zappelte. Paula kümmerte sich derweil um den anderen Jungen.

      Nico beförderte Timo ohne große Probleme auf die Straße.

      „Du weißt, dass Messer hier nicht erlaubt sind“, stellte er klar.

      „Ach, leck mich!“ Wütend stapfte Timo die Straße hinunter und verschwand hinter der nächsten Ecke.

      „Hast du jemals in der ganzen Zeit, die du hier bist, so ein Angebot angenommen?“, vernahm Nico Astrids Stimme hinter sich. Sie saß auf der Treppe und hielt eine Kippe in der Hand. Er ließ sich neben ihr nieder.

      „Nein“, erklärte er ernst.

      „Das solltest du aber.“

      „Warum denkst du das?“, fragte er.

      „Du wirkst ein wenig verkrampft. Sex entspannt.“

      „Sagt wer?“

      Astrid drückte die Zigarette auf der Treppe aus und schmiss den verbleibenden Stummel in den Blumentopf, der für solche Zwecke aufgestellt worden war. Dann sah sie ihn aus braunen Augen an, die so viel älter waren als zwölf. „Ich habe davon gehört.“

      „Ich auch“, grinste Nico.

      Sie blickten sich an und prusteten gleichzeitig los. Nico stand auf, zog Astrid mit sich hoch und gemeinsam betraten sie das Haus.

      Acht Stunden später streckte Nico sich. Er hatte Feierabend. Sven war vor einer halben Stunde gekommen und würde die Spätschicht übernehmen. Bis auf den Zwischenfall vom morgen war es trotz des großen Andrangs weitestgehend ruhig gewesen. Gerade als sich Nico seine Jacke anziehen wollte, erschallten von oben wütende Stimmen.

      Wäre ja auch zu schön gewesen, dachte er resignierend.

      „Du Penner. Nimm deine Drecksgriffel von mir oder ich schlitze dich auf!“

      „Leg das Messer weg“, vernahm er Svens ruhige aber bestimmte Stimme.

      „Sonst was?“, verhöhnte ihn jemand.

      Nico zögerte nicht und eilte die Treppe hoch. Vor ihm sah er Sven, der von einem etwa 14jährigen Jungen in die Ecke gedrängt wurde. Timo stand schräg dahinter und wirkte erstaunt. Ein blondes Mädchen lag wimmernd am Boden, schien aber unverletzt.

      „Was ist hier los?“, machte sich Nico mit lauter Stimme bemerkbar.

      Der Jugendliche, der Sven bedroht hatte, fuhr herum.

      „Wo kommst du Wichser denn her?“

      Das Mädchen rappelte sich auf. „Der Kerl hat mich betatscht“, schluchzte sie.

      Nico frage sie sanft: „Ist dir etwas passiert?“

      Bevor sie antworten konnte, lachte der Typ auf. „Was soll der schon passiert sein? Nichts, was sie auf der Straße nicht sowieso anbietet.“

      Nico zwang sich, ruhig zu bleiben. Wut half nicht weiter.

      „Du verschwindest jetzt besser!“, forderte er ihn auf.

      „Sonst was?“, wiederholte sich der Typ und trat einen Schritt auf Nico zu, das Messer drohend erhoben.

      „Mensch, Arno“, ließ sich Timo vernehmen. „Lass gut sein. Komm, wir hauen ab!“

      „Du solltest auf deinen Freund hören“, antwortete Nico.

      Arno lachte dreckig auf. „Ja klar. Aber das Mädchen nehme ich mit. Ich hatte schon lange keinen guten Fick mehr.“

      Ehe Arno reagieren konnte, umschlang Sven ihn von hinten mit den Armen, während Nico ihm das Messer entwand. Brüllend schlug er um sich.

      „Ihr elenden Schweine! Lasst mich sofort los oder ihr werdet es bereuen!“

      Nico bekam einen Schlag ins Gesicht, ehe er es schaffte, Arnos Arme unter Kontrolle zu bekommen. Gemeinsam beförderten sie Arno auf die Straße.

      „Du bist hier nicht willkommen“, sagte Sven, immer noch ruhig, aber mit einem wütenden Funkeln in den Augen.

      Arno spuckte auf die Straße. „Wer braucht euch schon!“ Dann verschwand er. Timo warf Sven und Nico noch einen entschuldigenden Blick zu und eilte Arno hinterher.

      Sven atmete tief durch und entspannte sich. „Das war knapp“, stellte er fest.

      Nico fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und spürte Blut. „Stimmt“, seufzte er. „Ich hasse es, wenn diese Kids auf Droge sind.“

      Sven wandte sich ihm zu. „Ich glaube, der war nicht auf Droge. Der ist einfach nur gefährlich.“

      „Das macht es nicht wirklich besser.“

      „Vielleicht sind wir ihn ja los. Komm, wir versorgen erstmal dein Auge. Und dann verschwinde gefälligst. Du hast schon längst Feierabend.“

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