Michaela Santowski

Brich mein Herz


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Handgriffe ausführten. Er war eigentlich ganz süß. Sie mochte seine fröhliche Ausstrahlung. Sein Lachen war ansteckend, und in seiner Gegenwart gab es selten schlecht gelaunte Menschen. Aber das alleine reichte eben nicht. Er war keine Herausforderung für Larissa. Die Männer kapierten einfach nicht, dass sich eine Frau schnell langweilte, wenn der Mann bereits nach einer Woche den Boden küsste, wo sie langging! Sie seufzte. Wenn er wenigstens das nötige Kleingeld gehabt hätte, ihre Langeweile durch angemessene Geschenke zu vertreiben. Aber weit gefehlt! Er hatte sogar an den Wochenenden jobben müssen, um sein Studium zu finanzieren. Spätestens da hätte sie die Bremse ziehen sollen. Aber sie hatte noch weitere zwei Wochen ausgehalten. Dafür hätte sie eigentlich eine Auszeichnung verdient. Wer tat sich schon freiwillig zwei Wochen Langeweile ohne Bezahlung an? Ihr war durchaus bewusst, was für einen Ruf sie hatte. Aber nichts davon war ihre Schuld. Sie sah gut genug aus, um jeden haben zu können, den sie wollte. Sie wäre schön blöd, den Mann an ihrer Seite nicht zu ersetzen, wenn er sie langweilte. Außerdem verliebte sie sich gerne neu. Niemand konnte ihr nachsagen, dass sie nicht in jeden ihrer Freunde am Anfang heiß verliebt gewesen war. Die Schmetterlinge im Bauch vor dem ersten Kuss, die Vorfreude, wenn sie wusste, sie würde ihn gleich wiedersehen. Nur leider ebbte diese Verliebtheit ziemlich schnell ab, sobald sie feststellte, dass sie mit ihrem jeweiligen Partner machen konnte, was sie wollte. Wer würde sich da nicht langweilen?

      „Nichts davon ist meine Schuld“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, zog die Lippen noch einmal nach und verließ das Bad.

      „Ich wollte schon den Schlosser rufen, um die Tür aufsperren zu lassen.“ Missmutig blickte ihr Bruder Samuel sie an. „Wie kann man nur eine Stunde im Bad verbringen und dann lediglich mit geschminkten Lippen heraus kommen?“

      „Das, mein herzallerliebster Bruder, würdest du nicht verstehen. Die Kunst des Schminkens besteht darin, nicht geschminkt auszusehen. Und da es dir nicht aufgefallen ist, habe ich diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit aller erfüllt.“

      „Weißt du was, Prinzessin, das ist mir völlig egal! Ich muss an die Uni, und du blockierst das Bad!“

      „Um diese Uhrzeit?“ Erstaunt sah sie Samuel an.

      „Stell dir vor, mein herzallerliebstes Schwesterchen, es gibt in den höheren Semestern auch Nachmittagsvorlesungen. Irgendwann kommst du da auch mal hin.“

      Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Wir sollten nochmal mit Papa reden, ob er dir nicht doch eine eigene Wohnung kauft. Das Zusammenleben gestaltet sich mehr als schwierig.“

      Samuel lachte auf. „Erstens, kleine Schwester, werde ich aus dieser Wohnung ganz bestimmt nicht ausziehen. Sie gefällt mir sehr gut. Wenn dich hier etwas oder jemand nervt, musst du ausziehen. Zweitens will Papa, dass ich ein Auge auf dich habe, was unmöglich ist, wenn du deine eigene Wohnung hast.“

      „Und drittens?“, fragte sie nach.

      „Drittens kannst du gar nicht ohne mich leben.“ Er ging an ihr vorbei und warf ihr einen Luftkuss zu.

      „Blöder Idiot!“, rief sie lächelnd der geschlossenen Tür zu. Sie liebte ihren Bruder abgöttisch und teilte sich gerne eine Wohnung mit ihm. Meistens jedenfalls. Samuel war nur knapp ein Jahr älter und lediglich zwei Semester über ihr. Er hatte zwar die gleichen grünen Augen wie sie, aber sein Haar war dunkelblond, eher Straßenköter-Farbe, wie Larissa ihn öfter ärgerte. Er trug es modisch kurz, brauchte allerdings jeden Morgen gefühlte fünf Stunden bis er es mit Geld so in Form gebracht hatte, als wäre er gerade erst aufgestanden. Er war etwas über 1,90 Meter groß, schlank und sportlich. Larissa nahm an, dass er durchaus gut aussah, da er aber ihr Bruder war, machte sie sich darüber keinerlei Gedanken. Im Gegensatz zu ihrer besten Freundin Mareike, die heimlich von ihm schwärmte. Larissa nahm Sams Sprüche schon lange nicht mehr ernst. Sie hatten nahezu den gleichen Freundeskreis und verbrachten außerhalb der Uni viel Zeit miteinander. Samuel hielt nicht vor den Berg mit seiner Meinung, was Larissas diverse Liebschaften betraf. Er verstand sie in der Hinsicht nicht und war sich auch nicht zu schade, jeden seiner Freunde vor ihr zu warnen. Ihre Mutter war schon früh verstorben, und ihr Vater hatte nie wieder geheiratet. Die Erziehung hatte er diversen Au Pair Mädchen überlassen. Trotzdem war er für Larissa der beste Vater der Welt.

      „Ich geh´ zur Maniküre und treffe dich später auf der Party.“

      „Verschwinde schon, Prinzessin“, kam es durch die geschlossene Tür. „Nicht auszudenken, wenn du zu spät zu deiner Malerin kommst.“

      Vier Stunden später klingelte Larissa bei Mareike. Sie kannten sich bereits seit der Grundschule. Mareike trug ihre kurzen blonden Haare heute zu einem braven Seitenscheitel. Ihre blauen Augen waren silbrig glänzend geschminkt, die vollen Lippen knallrot angemalt, was einen tollen Kontrast zu der unschuldigen Frisur bildete. Mareike arbeitete für ein bekanntes Modelabel, sodass sie immer die neuesten Klamotten trug. Diesmal war es ein schräg geschnittenes, seidiges, blaues Shirt zu engen schwarzen Jeans und blauen Turnschuhen.

      „Du kommst spät!“, echauffierte sich Mareike. „Das Taxi ist bereits da.“

      „Kein Problem. Ich ziehe mich nur schnell um.“

      Mareike holte tief Luft. „Nur schnell umziehen“, äffte sie ihre Freundin genervt nach. „Das hast du noch nie geschafft. Ich sage dem Fahrer, dass er warten soll.“

      „Tu das“, entgegnete Larissa unbeeindruckt und stolzierte an Mareike vorbei. „Schließlich wird er dafür bezahlt.“

      Mareike schüttelte den Kopf. „Ich möchte bloß wissen, warum ich überhaupt noch mit dir befreundet bin? Kannst du nicht ein bisschen mehr wie Samuel sein?“

      „Frech und ungehobelt?“, konterte Larissa, während sie sich das Top über den Kopf zog.

      „Normal und überhaupt nicht arrogant.“

      „Mareike, du weißt, dass Samuel dich als Frau überhaupt nicht wahrnimmt“, grinste Larissa. „Wann hörst du endlich auf, von ihm zu schwärmen?“

      „Wenn du aufhörst, dich wie eine Diva zu benehmen. Und jetzt beeil dich. Ich möchte heute noch ankommen. Außerdem wartet Felix bestimmt schon sehnsüchtig auf dich.“

      „Wir haben uns getrennt.“

      „Nicht schon wieder!“, rief Mareike entsetzt und verdrehte die Augen.

      „Mir blieb gar nichts anderes übrig. Er hatte keine eigene Meinung, sondern hat der Einfachheit halber meine angenommen.“

      „Larissa Natalia! Hast du schon mal überlegt, den Männern das zu sagen und ihnen eine zweite Chance zu geben?“

      „Nein“, antwortete sie ehrlich erstaunt. „Es gibt genug Männer da draußen. Warum sollte ich mich abmühen, mir einen so zurecht zu biegen, wie ich ihn gerne hätte?“

      „Man biegt einen Mann nicht zurecht“, empörte sich Mareike. „Man kämpft um eine Beziehung. Das ist ein Unterschied. Aber warum erkläre ich dir das überhaupt? Du wirst das erst verstehen, wenn du dich richtig verliebst und nicht nur von irgendeinem Sunnyboy schwärmst.“

      „Und bis dahin habe ich meinen Spaß.“ Larissa trat in engen Jeans und mit einem grünen, trägerlosen Top aus dem Bad. Ihre rote Lockenmähne fiel ungebändigt über ihren Rücken.

      „Und brichst reihenweise Männerherzen. Ich bin bloß froh, dass ich eine Frau bin.“

      Larissa hakte sich bei ihrer Freundin unter. „Können wir endlich gehen?“

      Mareike ersparte sich eine Antwort.

      „Wie immer zu spät“, wurden sie an der Tür von irgendeiner Tussi begrüßt, die Larissa noch nie gesehen hatte. Jedenfalls nicht bewusst.

      „Zu spät kann man zu einer Studentenparty gar nicht kommen“, konterte Larissa und betrat, die Tussi ignorierend, die Wohnung.

      Mareike hob entschuldigend die Schultern und folgte ihrer Freundin.

      Die beiden betraten