Andreas Mistele

Getting Pro - kompakt


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leiser oder ganz aus machen.

      3.2.2Gruppenaufnahmen und Backing-Vocals

      Bei Gruppenaufnahmen wie Chören oder Vocal-Ensembles ist es zwar manchmal möglich, jedem Sänger ein eigenes Mikrofon zur Verfügung zu stellen, sinnvoll ist es aber meist nicht. Zum einen fängst du dir schnell Phasenprobleme ein und zum anderen sollte so ein Sängerverbund idealerweise auch als Einheit abgebildet werden.

      Der Chor als Summe ist das Instrument. Besteht der Chor aus mehreren Reihen, sind die Mikrofone so zu platzieren, dass nicht nur die erste Reihe abgenommen wird. Daher schauen die Mikrofone dann eher von oben über mehrere Reihen hinweg.

      Um eine tonale Ausgeglichenheit zu erlangen, kannst du in einem Chor die tiefen Sänger tendenziell in die Mitte positionieren und die mittleren und hohen Lagen um sie herum platzieren. Wie wir wissen, lassen sich tiefe Töne nicht so gut orten wie höhere. Die beschriebene Anordnung kommt dieser Eigenschaft sehr entgegen und erzeugt einen Gesamtklang mit zentralem Fundament und aufgefächertem Obertonbereich, was den Stereoeffekt unterstützt.

      Für ein natürliches Abbild muss ein Chor in Stereo abgenommen werden. Die Möglichkeiten und Regeln der Stereomikrofonierung haben wir bereits in einem der vorangegangenen Kapitel erörtert.

      Daher folgt hier nur eine kurze Rekapitulation:

       Willst du eine Aufnahme mit detaillierter Richtungsinformation, nutzt du eine Mikrofonierung zur Intensitätsstereophonie.

       Für einen breiten, aber etwas verschwommenen Klang nutzt du Techniken der Laufzeitstereophonie.

       Ist eine besonders dicke Klangfülle gefragt, ist ein Laufzeitpaar aus zwei Kugeln interessant.

      Bei der Aufnahme von Chören musst du stets die akustische Täuschung bei der Umwandlung des Klangkörpers in ein Stereosignal beachten. Die Personen, die am nächsten zu den Mikrofonen stehen, werden immer am lautesten und deutlichsten abgebildet. Das heißt: Ein auf einer geraden Linie aufgestellter Chor wird mit einem Stereomikrofon oder einer XY- bzw. ORTF-Aufstellung immer kreisförmig abgebildet. Bei einer A/B-Aufstellung wird der gerade stehende Chor wellenförmig verzerrt.

      Um ein homogenes Klangbild zu erhalten, musst du also die Aufstellung des Chors immer mit der Position der Mikrofone abgleichen. Bei einem Stereomikrofon in der Mitte muss der Chor kreisförmig um das Mikrofon stehen. Bei A/B-Mikrofonierung muss der Chor wellenförmig in zwei sich überlagernden Kreisen aufgestellt werden.

      Diese Arbeitsweise gilt natürlich nicht nur speziell für Chöre. Ebenso bei Big-Bands, Orchestern oder anderen breiten Klangkörpern solltest du diese Denkweise im Hinterkopf behalten.

      Akustische Täuschung bei breiten Objekten (Mistele)

      Natürlich sind nicht nur Chöre oder Ensembles Gruppenaufnahmen, sondern auch einfache Backing-Vocals. Auch diese kann man als verschiedene Einzelspuren anlegen, bei unterschiedlichen Sängern kann es aber für das Feeling positiv sein, mehrere Sänger gleichzeitig mit einem Mikrofon aufzunehmen. Die verschiedenen Stimmen ergänzen sich auf natürliche Weise und der Gruppeneffekt beim Einsingen befreit und führt zu einem satten Klang. Üblicherweise nimmst du hierfür zwei bis vier Monospuren auf, die dann im Panorama verteilt werden.

      Mit dieser Technik und beispielsweise drei Sängern kannst du sehr schnell einen schicken Chor erzeugen, der mit 12 Stimmen auf verschiedenen Panoramapositionen schon recht mächtig klingt!

      Bei der Aufnahme von Backings hast du häufig mit einem „Konsonantengewitter“ zu kämpfen. Dies entsteht, wenn die Sänger und die unterschiedlichen Spuren zueinander nicht synchron genug sind. Über eine Phrase hinweg fällt dies nicht stark auf und kann sogar gewünscht sein. Problematisch ist es aber immer am Ende eines Takes.

      Wenn hier das finale „S“ oder ein „T“ zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zusätzlich aus verschiedenen Panoramarichtungen intoniert wird, ist das irritierend und einfach nicht schön!

      Was tun? Das Beste ist natürlich: Üben! Alternativ können die Sänger die kritischen Konsonanten einfach abschwächen oder gar weglassen. Besonders dann, wenn die Backings mit gleichem Text unter dem Hauptgesang liegen, fällt das Weglassen einiger Backingkonsonanten am Ende einer Phrase absolut nicht auf und hält den Track sauber.

      Ein guter Leadsänger ist übrigens meist kein guter Backgroundsänger! Es ist für viele recht schwer, sich beim Singen in ein Backinggefüge einzugliedern. Dies können meist nur sehr erfahrene Sänger, die eine gute Disziplin und eine reflektierte Sicht über ihre Kunst haben. Probieren kann man es natürlich immer!

      3.3Doppeln

      Mit dem Doppeln von Gesangsspuren schaffst du eine Dichte und Präsenz in der Stimme, die insbesondere bei etwas schwächeren Sängern von Vorteil sein kann. Aber auch als reiner Effekt klingt ein gedoppelter Part sehr interessant und verleiht dem Teil eine natürliche Schwebung, die der eines Chorus' ähnelt, aber etwas organischer klingt.

      Für eine saubere Doppelung muss der Sänger konzentriert sein und sein Handwerk verstehen. Es ist in der Tat nicht leicht, eine Zeile mehrfach annähernd gleich zu intonieren und sogar das Vibrato oder das Brechen der Stimme zu reproduzieren. Daher sollte der Sänger, wenn es zur Aufnahme kommt, immer genau wissen, wie er die zu doppelnde Phrase singen wird und dies auch üben.

      Je mehr gedoppelte Spuren zusammenkommen, desto dicker klingt der Teil. Je dicker der Klang wird, desto schwammiger wird er allerdings auch. Üblich sind daher zwei Dopplungen, die im Panorama etwas links und rechts neben der Hauptstimme gemischt werden.

      Grundsätzlich werden die Doppelspuren in den Hintergrund gemischt, sie sind schließlich keine zweiten Stimmen! Wie bei vielen Effekten sind sie genau dann richtig dimensioniert, wenn man erst beim Abschalten merkt, dass etwas fehlt.

      Besonders interessant können verschiedene Doppelspuren sein, die zwar gleich gesungen, aber mit einem anderen Abstand zum Mikrofon eingefangen werden. Hierdurch schaffst du einen natürlichen und sehr organischen Hintergrundklang für mehr Abstand von der Hauptspur. Diese Technik eignet sich natürlich insbesondere für die Aufnahme von Backing-Vocals, wird aber auch für geschmeidige Lead-Vocals eingesetzt.

      Eine weitere Möglichkeit, einen dichteren Klang zu erhalten, ist die Verwendung einer anderen Mikrofon/Preamp-Kombination für die Dopplungen. Meist erzeugt die Abwechslung eine tonale Ausgeglichenheit, wodurch der Gesamtklang dichter und größer erscheint.

      3.4Monitoring

      Beim Gesangsmonitoring ist das Monitoringwerkzeug – also der Kopfhörer – sehr nahe am Mikrofon. Daher solltest du unbedingt einen geschlossenen Kopfhörer verwenden. Ansonsten läufst du Gefahr, Übersprecher aus dem Playback oder den Klicktrack einzufangen.

      Klassischerweise wird der Kopfhörer natürlich mit Bügel nach oben getragen. Nach meiner Erfahrung kann es aber sehr hilfreich sein, wenn bei der Aufnahme ein Ohr offen bleibt, der Kopfhörer also nur einseitig getragen wird. Dadurch hat der Sänger das Playback und seinen natürlichen Gesangsklang im Raum gleichzeitig zur Verfügung. Auf diese Weise fühlt sich der Sänger nicht so sehr von sich und seinem Eigenklang abgetrennt und kann natürlicher singen. Diese Technik hilft zudem bei Intonationsproblemen oder wenn es darum geht, sehr sauber zu singen.

      Der technische Vorteil liegt darin, dass auf diese Weise auch kleine Latenzen überdeckt werden können, falls dein Rechner bei den Gesangsaufnahmen schon an seinem Limit kratzt! Falls es dadurch zu Übersprechungsproblemen durch die offene Ohrmuschel kommt, drehst du den nicht abgehörten Kanal einfach weg.

      Grundsätzlich ist es für den Sänger sehr komfortabel, wenn er über die Lautstärke in seinem Kopfhörer entscheiden kann. Daher hast du idealerweise einen Kopfhörerverstärker beim Sänger und nicht fix im Rack eingebaut!

      Wenn du das Gefühl hast, der Sänger könnte noch mehr Kraft in seine Performance legen, kannst du probieren,