Elke Bath

Émile, Étienne und all die Anderen


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Beispiele sind zahlreicher.

      Morgen wird der Möbelwagen kommen.

      Warum fühle ich kein Fitzelchen Wehmut?

      Die Kinder schon…dieses Haus war ihr Elternhaus, hier haben sie ihre Kinder- und Jugendjahre verbracht. Ich bin in meinem Leben so oft umgezogen, da ist das anders.

      Nein, anders ist es deswegen, weil diesmal ein Möbelwagen nach Sü-den fährt, wir hinterher und direkt dahin, wo aus einem Traum Leben werden soll.

      Es gießt übrigens den ganzen Tag, - als wenn uns da jemand zeigen wollte, dass dort wegzukommen, das Höchste ist.

      Montag, 14. Dezember, 9.00 Uhr. Der Möbelwagen ist da. Acht Leute verstauen in drei Stunden unseren gesamten Hausrat. Wagen und Anhänger pickepackevoll.

      Mittags setzen sie sich mit zwei Leuten Besatzung in Bewegung in Richtung Süden.

      Die Käuferin des Hauses kommt kurz darauf und strahlt, als sie die Schlüssel kriegt. Schicksal auch das!

      Wie viele nörgelige Möchtegernkäufer/Immobilientouristen sind durch unser Haus geschlichen! Herabsetzende Kommentare – sicher auch um den Preis zu drücken - …“ offenes Wohnen, geht überhaupt nicht, und die Kinder im Keller!“ Die hatten einen eigenen Eingang zum Souterrain, den sie geliebt haben, besonders als die Zeit der Dis-cobesuche herankam.

      Bei jedem, der unser Haus runtergeredet hat, ist mir schwerer ums Herz geworden.. und dann kommt jemand durch die Tür, sieht das offene Wohnen und sagt: „ ja, das ist es!“ Hört mir auf mit Zufall!

      15. Dezember: unsere Abfahrt nach Frankreich.

      Hinten im Auto, das Wichtigste: der Hund! Elvis, unser Jack-Russell.

      Was noch? Das „Zauberbett“, so ein superbequemes, aufblasbares Monstrum, die Federbetten, ein Aktenkoffer, bisschen Kleidung fürs erste, ein Werkzeugkoffer, ein Picknickset…

      Es war Mittag, als wir am 16. Dezember in B. ankamen, eine Über-nachtung war irgendwo bei Dijon eingeschoben worden.

      Auf dem Weg zur Autobahn am nächsten Morgen musste der Gatte noch rasch in einen Baum kraxeln, um einen dicken Mistelzweig zu schneiden. Im Burgund sind die prächtig vertreten.

      Gartenschere und Klappspaten habe ich immer im Auto – und Weih-nachten ohne Misteln geht überhaupt nicht.

      Dem Besitzer hatte ich eine Mail geschickt, in der ich darum bat, dass man ein von Gelumpe und Müll bereinigtes Haus vorzufinden wün-sche! Was war? Nichts, aber auch gar nichts hatte er getan, es sah genau noch so aus wie im Oktober.

      Widerwillig schleppte er dann mit seinem Sohn das ganze Graffel raus. Bei einem Bücherregal versuchte er noch, uns ein Angebot zu machen. („Tout neuf“, eine seiner Lieblingsfloskeln!)

      Er hatte das Regal kaum nach draußen gewuchtet, - da fiel es auch schon in sich zusammen!

      Dann versuchte er, den Ölofen in Gang zu kriegen. Mit Hilfe von Lulu, einem seiner Hiwis. Es war doch Dezember, und, jawohl, in der Pro-vence kann es da richtig kalt werden.

      Wir hatten ebenfalls per Mail darum gebeten, den Ofen schon mal zwei Tage vor unserer Ankunft anzuwerfen, damit es schon ein klein wenig gemütlich sein möchte, aber nein!

      Er „bricolierte“ herum. Wunderbares Wort! Bedeutet soviel wie: „Herumwerkern, Heimwerkeln..! Eher nichtfachmännisch! Von der Sortierung „Technikaktionismus“ hat er in den Jahren, die folgen soll-ten, noch hundertfach Zeugnis abgelegt!

      Der Ölofen leckte also. Nächste Baustelle: das Gäste-WC. Es funktio-nierte nicht. Wir wussten gleich, dass er seit Oktober nicht in dem Haus gewesen ist, um möglicherweise das Eine oder Andere zu regeln. Nach drei Stunden rumwurschteln, ist er dann – murrend – losgefahren und hat ein neues gekauft. Hat es mit Lulu zusammen eingebaut.

      All die Typen, die ab jetzt so erwähnt werden, könnt Ihr Euch merken, Müsst Ihr aber nicht, sie tauchen sowieso wieder auf.

      Und spätestens dann, damals, hätten wir die Zeichen sehen müssen, dass wir da an einen Vermieter geraten waren, der „ pas très catholi-que“ ist. Auch schöner Ausdruck. Schlitzohr, nicht vertrauenswürdig, ach, all die bösen Wörter, die wir später in seinem Zusammenhang noch haben lernen müssen!

      O-Ton mein Tagebuch, 16.12.: „ ich glaube, dem müssen wir auf die Finger gucken!“

      Wir sind zwar in unser Paradies gekommen, - aber leider war der Teu-fel schon vor uns da.

      Eine Woche später war immer noch gebändigtes Chaos. Aber: die dicke Mistelkrone hing im Durchgang zwischen Esszimmer und dem, was mal die Bibliothek werden würde.

      Der Essplatz war fertig, die Küche soweit funktionstüchtig, zwei Sessel vor dem Kamin, für eine Woche Arbeit war das blendend. Ich hatte mir sogar Zeit genommen, eine Bodenvase mit Zweigen von Oli-venbäumen, Kiefern und Eukalyptus zu füllen als Baumersatz. Steht ja alles vor der Haustür.

      Am 23. waren wir nochmal beim Carrefour zum Einkaufen. Blöder Zeitpunkt, klar, 1 000 000 Franzosen deckten sich ein für das Fest. Und bei solchen Gelegenheiten schlägt der Franzose richtig zu.

      Alle Einkaufswagen waren brechend voll. Im Mittelgang all die Köst-lichkeiten, auf die man auf keinen Fall verzichten möchte. Foie Gras, die gibt es bis hin zum 5 Kilopack. Austernberge.. und die berühmten 13 Köstlichkeiten, die „13 délices“, die zum Dessert nie fehlen dürfen. Datteln, Trauben, kandierte Früchte, Nougat Mandeln..knallebunt und zuckersüß. Es dürfen mehr sein als dreizehn, aber NIEMALS weniger. So will es die provenzalische Tradition.

      * * *

      24.12. Schöne Bescherung!

      Ich hatte mir beim Heben und Schleppen einen Halswirbel ausgerenkt. Passiert mir öfter mal, und ist ganz fies.

      Da die Stadt B. kein Krankenhaus hat, sind wir in das von Tarascon gefahren. Zum Glück hatte ein Arzt Dienst, der bestens einrenken konnte.

      Sehr erleichtert habe ich so am Abend die Austern schlürfen können. Und den Champagner. Die 13 Desserts gab es nicht.

      Auf unser erstes Weihnachtsfest in der Provence!

      Kapitel 2 - März – Juli 08

      Heute gibt es „MÄRZENBECHERGRÜßE“ und Neues vom Mas.

      Wie war unser erstes Vierteljahr, wie ist unser neues Leben in unserer neuen Heimat?

      Das klappt aber nur deshalb mit dem Schreiben, weil seit zwölf Stun-den ein heftiger Mistral weht, draußen wurschteln wäre jetzt unan-genehm. Es war ja schon fast frühsommerlich warm zwischendurch, aber dieser Wind, dieser böse Wind, der drückt dann die Temperaturen wieder runter.

      Ich erzähle, während der Gatte eine neue Lichtleiste im Ankleide-zimmer anbringt. Wir sind sowas von vornehm geworden! Bei den vielen Gemächern hätte man gut und gerne auch ein Séparée für den Hund einrichten können.

      Dann müssen noch ein paar Bilder im Gästezimmer aufgehängt wer-den, denn ab der nächsten Woche sind wieder Gäste zu erwarten.

      Im Haus gibt es natürlich immer noch viel zu tun, aber wir wurschteln uns voran. Eigentlich ist es schon jetzt saugemütlich, und manchmal, wenn wir so abends geschafft vor dem Kamin sitzen, mit einem Glas Rouge, dann staunen wir immer noch über unser Glück.

      Ich sitze grad so bequem, da werde ich Euch ein bisschen erzählen von B., unserer neue Heimatstadt.

      Es ist ein typisches Provencestädtchen, als Sahnehäubchen hat es einen Hafen im Zentrum; die meisten Besitzer der Boote, die dort vor Anker liegen, wohnen ganzjährig auf ihren Schiffen: Holländer, Belgier, Engländer, Franzosen. Am Anfang wurden wir immer gefragt, ob wir vielleicht auch auf einem Boot wohnen würden….

      Parallel zum Hafen ist ein großer Platz mit Platanen bestückt, wie das so ist im Midi.

      Genau