Elke Bath

Émile, Étienne und all die Anderen


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wohnt in einem Wohnwagen auf dem Grattlerhof.

      Alle wohnen da in Wohnwagen, auch Lori und ihr „copain“, Manu, Portugiese. Es gibt einen Wohnwagen für die Hühner. Für die Nacht, damit der Fuchs sie nicht holt. Es gibt einen Wohnwagen für die Waschmaschine, einen für die Karnickel usw.usw… eine unglaubliche Wirtschaft ist das da, deswegen auch mein „Grattlerhof“. Ich würde wirklich gerne mal aufräumen bei denen.

      Dass zum Ensemble noch mehrere Hunde gehören versteht sich von selbst. Keine Katzen. Lori hasst Katzen. Das wären dann schon drei!! Lori, Elvis und ich…

      * * *

      Zementwerk. Gutes Stichwort, das muss ich noch erzählen.

      Nochmal zurück zu unserem ersten Abend in B., also 16.12.2007. Das Zauberbett war für die Nacht gerichtet, wir hatten Hunger und fuhren in eine Kneipe am Hafen und bestellten irgendwas. Da geht die Tür auf und fünf Herren treten ein, setzen sich an den Nebentisch und fangen an zu reden – auf deutsch! Wir natürlich schon die Ohren gespitzt und kurz drauf, na klar, sind wir in der Unterhaltung mit drin. Ich muss vorher noch erwähnen, dass wir in einer westfälischen Kleinstadt gewohnt hatten, und in einer Nachbarstadt befand sich ein – ebenso grottenhässliches Zementwerk, wie das hier in B. Und nun stellt sich heraus, dass die Herren von einer westfälischen Firma abbeordert waren, um im hiesigen Zementwerk Ingenieursarbeiten zu tätigen. Da waren wir schon am ersten Abend länger als geplant umtriebig. Hatten viel Spaß!

      Und hört mir auf mit Zufall!

      Die allgemeine Wohnsituation habt Ihr jetzt klar: bisschen außerhalb, inmitten von Weinfeldern, einsam, aber einpaar direkte Nachbarn.

      Hier kommt ein neuer Mieter. Der Gefängniswärter ist nach Nîmes versetzt worden. Der Neue (No.5) hat eine Vertretung für Hundefutter. Will eine Hundepension mit -schule aufmachen. Hier! Hat zwei große Hunde, Rottweiler! Wird man sehen, was das gibt.

      Besuch von unserer Pariser Freundin Chantal. Sie hat als erstes unse-ren Hund umgetauft. Er heißt jetzt „Louis Quattorze“, weil er sich auf den Sofas breitmacht und die feinsten Schnürzelchen vom Kalbsbraten erschleicht. Durch seinen herzerweichenden Blick. Ich glaube, ihm gefällt der Name, wenn er dann mit „Majestät“ angeredet, ins Körbchen geschickt wird, leistet er sich durchaus subtile Knurrungen.

      * * *

      Die unendliche Geschichte mit der Autoummeldung ist schließlich auch ausgestanden. Wir haben jetzt ein französisches Kennzeichen! Beim 7. Anlauf (!!) hat es endlich geklappt. Sieben Mal ist der Gatte zur Préfecture nach Nîmes gefahren, immer mit Nummern ziehen, warten, jedes Mal saß eine andere Maus hinter dem Schalter. Wieder fehlte irgendeine Unterlage, von der die vorherige Angestellte nichts gesagt hatte. Einmal hatte der Gatte gebeten, doch etwas langsamer zu sprechen, denn schnell reden zusammen mit dem für uns noch ungewohnten provenzalischen Argot, das ist nicht so leicht. Da hat die Dame dem Gatten doch wirklich den unverschämten Vorschlag gemacht, er möge beim nächsten Mal einen Dolmetscher mit-bringen. Auf sein Ansinnen, einen Vorgesetzten sprechen zu wollen, hat sie kühl entgegnet, dass dieser erst nachmittags käme. Grrr. Ihr könnt Euch vorstellen, wie angefressen der arme Mann jedes Mal nach Hause kam.

      Unsere Erfahrung: die französische Bürokratie übertrifft die deutsche um Längen!

      Bei dieser Aktion in Nîmes hat der Gatte einen neuen Vornamen ver-passt gekriegt. Er hat einen sehr deutschen Rufnamen, der auch noch mit „H“ beginnt, den kriegt hier keiner ausgesprochen. Dann wäre da noch ein „Ernst“ im Angebot, aber auch der ging dem Amtsschimmel noch nicht leicht genug über die Lippen. Und so taucht nun überall ein „Ernest“ auf, na bitte, meinetwegen. Dass unsere deutsche Kran-kenversicherung erstmal die Rückzahlung einer Arztrechnung verwei-gert hat, weil ein „Ernest“ nicht bekannt sei, war da schon zu erwarten.

      * * *

      Ich bin in Gedanken noch immer im Sommer. Da war so viel los, von dem ich Euch noch nicht erzählt habe. Darf ich das noch einschieben, bitte? Im Hochsommer ist hier in jedem kleinsten Nest was los. „Fête Votif“, Fête de la Musique“, Internationale Tanzgruppen, Klassik nachts unter Platanen. Donnerstags abends in Nîmes! Da gibt es Musik an jeder Ecke, hier Jazz, dort Flamenco, Country oder Tango. Überall Wein-stände, Imbissbuden, man lässt sich treiben durch das Gewusel, trinkt hier ein Schlückchen, isst ein Häppchen, schaut zu, hört hin.. und alles im leichten Sommerkleidchen. Und ich rede von „Sommerkleid ohne Jacke“!!

      In B. am Hafen und in der Stadt ist freitags Remmidemmi. Kirmesbu-den, Bands an jeder Ecke, eine Mischung aus ländlichem Krammarkt, Oktoberfest und Schleswig-Holstein-Festival. Die Straße, die um den Hafen führt, ist dann autofrei, und die Kneipen weiten sich mit ihren Tischen aus, rappelvoll alles, gute Gelegenheit sich mit Freunden zu treffen und gemütlich zusammen zu spachteln und einen warmen Sommerabend zu genießen. Im Sommerkleid! Und nein, freitags im Sommer regnet es nicht.

      Kulturelle Seiten der Stadt B. haben wir klar auch schon kennen- ge-lernt. Haben an Führungen, historischen Rundgängen teilgenommen, die Burg besichtigt… wenn Gäste kommen, muss man doch was er-zählen können, und Vorschläge machen können, zu dem was se-henswert ist.

      Dieses B., nunmehr unsere Heimatstadt, war mal eine sehr wohl-habende Handelsstadt. Sie hatte nämlich über einen Zeitraum von 400 Jahren (ca. 1460 – 1860) jedes Jahr in der letzten Juliwoche eine Art Messe, die „Fête de la Madelaine“, Madeleine ist die Schutzheilige der Stadt.

      In dieser Woche sind die Händler aus ganz Europa gekommen, um hier Handel zu treiben. Im 19. Jhdt., sagt die Stadtchronik, kamen sogar Kaufleute aus Übersee. Sie mieteten Häuser in der Altstadt oder präsentierten ihre Waren in Zelten, die auf dem riesigen Platanenareal an der Rhône standen. Grad da, wo vor kurzem noch die Autos geschwommen sind.

      Nicht Wenige aus B. sind über diesen Handel zu Reichtum gekommen und konnten sich davon – für die Sommerfrische – ein Mas vor den Toren der Stadt leisten. Siehe Monsieur Roustan von „unserem“ Mas Roustan. Ich habe mich inzwischen bei der Gesellschaft für Stadtfor-schung von B. kundig gemacht, weil mich die Geschichte vom Mas interessiert. M. Roustan war tatsächlich ein überaus wohlhabender Kaufmann, der hier draußen eine Pferdezucht betrieben hat. Gewohnt hat er, wie schon bekannt, im Haus, das wir jetzt bewohnen, und die Stallungen fingen direkt neben der Küche an. Da ist jetzt ein zugemauerter Rundbogen, wo früher sicher eine Tür war. Diese Rundbögen setzen sich nebenan fort bis in den rechten Arm vom U. In diesen Rundgewölben (vôutes, fr.) waren die Stallungen untergebracht. An den Wänden sind heute noch, hier und da, die dicken Eisenringe zu sehen, an denen die Pferde angebunden werden konnten.

      Das Archiv gibt leider nicht mehr her zum Thema „Roustan“. Man möchte doch gern mehr wissen, war er verheiratet, hatte er Nach-kommen, was passierte nach seinem Tod mit dem Mas. Aber das Ar-chiv hat mehr nicht hergegeben.

      Der Handel in B. gedieh natürlich auch prächtig durch die Rhône und den Kanal. B. galt als Hafen von Nîmes, von hier wurden die Trauben bis Bordeaux verschifft. Gepanscht – nein versetzt – wurde schon immer!

      Mit Beginn der Eisenbahnzeit war das Alles zu Ende, B. fiel in einen Dornröschenschlaf, aus dem es bis heute nicht erwacht ist. Die Stadt ist eher arm, vieles verfällt, so viele Ladenlokale stehen leer. Es gibt durchaus Initiativen, um das Geschäftsleben wieder auf den Weg zu bringen, aber es ist mühsam. Zudem hatte sich die Bevölkerungs-struktur nach dem Ende des Algerienkrieges grundlegend geändert. Nein, B. ist nicht mehr annähernd in der Blüte, wie zu Zeiten der „Madeleine-Messe“:“

      Es ist zynisch, wenn ich sage:“ gut für uns“, denn dadurch ist B. kein hochpreisiges Touristennest wie z.B. St. Remy um die Ecke, wo reiche Pariser (und Caroline von Monaco) Besitz haben und damit die Preise hochtreiben.

      Gut also für uns, obschon teuer genug. Aber wir wollten ja partout hier hin!

      Letzte Neuigkeiten vom „Unhold“. Ein „Etablissement“ hat er doch eher nicht. Den Gedanken haben wir verworfen. Wir tippen jetzt eher so auf „Waschsalon“. Das ist doch nicht normal, fünf bis sechs Trom-meln pro Tag bei zwei Personen. Der älteste Sohn wohnt nicht mehr hier. Irgendwann im Sommer ratterte dann die Waschmaschine