Claus-Peter Bügler

Chong


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entgegnete Chong ebenso eisig.

      Chengs Grinsen wurde schlagartig breiter. >>Wir wär's mit einem kleinem Trip? Wolltest du nicht schon immer mal wissen wie es sich anfühlt, wenn Dope durch deine Adern rauscht? Haltet den Scheißkerl fest ... <<

      Chong musste hilflos mit ansehen, wie sein Gegenüber eine aufgezogene Spritze aus einem kleinen Koffer entnahm. Es dauerte nicht lange, bis sich die Kanüle scharf in seine rechte Armvene bohrte. Er hatte plötzlich das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren, so als ob Zeit und Raum sich in Luft auflösen würden. Chengs Gesicht schwoll zu einer überdimensionalen, dämonischen Fratze an, während Chong auf einer rasanten Achterbahnfahrt durch ein diffuses Meer aus Licht und Farben raste. Er streckte unbeholfen seine Hand aus, doch sie fühlte sich seltsam taub und tot an. Er versuchte verzweifelt auf die Beine zu kommen und schlug der Länge nach hin. Cheng blies den Rauch von sich, beugte sich hinab und drückte die Zigarette auf Chongs Arm aus.

      >>Das hier ist nur das Vorspiel, mein Freund. Du wirst um deinen Tod noch winseln, verlass' dich drauf.<<

      >>Vorher werde ich dich töten<<, stieß Chong mühsam zwischen den Lippen hervor.

      >>Du denkst wohl nie ans Aufhören, was?<< Unverhofft und brutal trat Cheng zu ...

      ***

      Als die Schüsse losdonnerten, tat Mina instinktiv das einzig Richtige: Sie ließ sich gerade noch rechtzeitig mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser treiben und stellte sich tot.

      Nach einer endlos langen Ewigkeit wagte sie es schließlich den Kopf ein wenig aus dem Wasser zu heben und nach Luft zu schnappen. Alles um sie herum schien unter einer geradezu erdrückenden Stille zu leiden. Sie sah die weiße Jacht unmittelbar vor sich, sah wie sich kleine Wellen sanft an ihrem Bug brachen.

      Langsam schwamm sie weiter.

      Ihr Herz hämmerte in wildem Rhythmus, denn sie rechnete jede Sekunde damit, dass irgendwer an Bord sie unter Beschuss nehmen würde, doch bislang blieben die tödlichen Kugeln aus. Sie umschwamm das langsam dahintreibende Schiff und machte bald darauf am Heck eine wichtige Entdeckung: Keine 50 Zentimeter über der Wasseroberfläche befand sich ein mehr als zwei Meter breites Gitter, auf welchem ein motorbetriebenes Schlauchboot befestigt war. Eine mannsbreite Leiter führte dahinter am Heck des Schiffes in die Höhe. Mina löste mit zittrigen Fingern die beiden Taue, mit denen das Boot festgezurrt worden war. Es kostete sie keine große Mühe das Schlauchboot ins Wasser zu ziehen. Schließlich stemmte sie sich mit beiden Händen in die Höhe und zog sich an Bord. Der Motor sprang laut und rasch an wie das Brüllen eines Löwen.

      >>Verdammte Scheiße! Diese elende, ausgelutschte Fotze versucht mit dem Schlauchboot abzuhauen.<<

      Dann zerhackte das Rattern von mehreren Maschinenpistolen die Stille über dem Wasser und Mina wusste, dass sie alles, wirklich alles tun würde, um zu überleben. Vielleicht würde sie irgendwo auf Hilfe treffen. Sie steuerte das Boot mit Vollgas geradewegs auf einen kleinen schwarzen Punkt am Horizont über den Wellen zu. Der Punkt wurde rasch größer und mutierte zu einem Schiff — einem Patrouillenboot der französischen Küstenwache. Doch sie war nicht allein mit der Küstenpolizei auf dem Wasser, denn die weiße Jacht hatte nunmehr ihre Fahrt wieder aufgenommen und jagte wie der Teufel hinter dem schlanken Boot der Asiatin her. Das Patrouillenboot änderte plötzlich seinen Kurs, bis es sich fast quer zur Fahrtrichtung der jungen Frau befand, während die Jacht stetig aufholte.

      >>Achtung! Hier spricht die Polizei! Ändern Sie unverzüglich Ihren Kurs und halten Sie das Boot an, oder wir eröffnen das Feuer!<<, dröhnte eine kalte, emotionslose Männerstimme über das Wasser.

      >>Ich will, dass ihr diesen verdammten Scheißkahn versenkt. Legt sie um. Jagt sie verdammt noch mal zum Teufel<<, schrie Cheng mit sich vor Wut überschlagender Stimme dazwischen.

      Einer der Männer an Bord der Jacht begann lässig einen schweren Granatwerfer zu laden, als mit röhrenden Motoren zwei weitere Schnellboote der Küstenwache heranrauschten. Chong musste hilflos mit ansehen, wie das erste Boot von einer Granate förmlich auseinandergerissen wurde und in einem riesigen Feuerball explodierte. Noch immer lähmten die Drogen in seinem Blut sein Denken. Er fühlte sich seltsam taub und benommen, als hätte man ihm mit einem Baseballschläger den Schädel zertrümmert, doch sein unbändiger Überlebenswille ließ ihn schließlich instinktiv das Richtige tun: Er warf sich mit ganzer Kraft gegen den Kerl zu seiner Linken, torkelte weiter und sprang mit einem gewagten Satz über Bord.

      >>Chong, hierher!<<, kreischte Mina aus vollem Hals, als der Kerl mit dem Granatwerfer das zweite Schnellboot ins Visier nahm und abdrückte.

      Ein lauter Knall ertönte, als das schmale Boot, von dem Geschoss getroffen, meterhoch in die Luft geschleudert wurde. Einer der beiden uniformierten Männer an Bord riss entsetzt die Augen auf, denn er musste hilflos zusehen, wie sein Kollege förmlich in Stücke gerissen wurde und ein widerlicher Regen aus Blut, Fleischfetzen und Knochenfragmenten auf ihn niederging. Dann zerbarst das Boot in einem riesigen Feuerball, als der Benzintank explodierte. Die grellen Todesschreie des an Bord verbliebenen Mannes hallten grauenhaft über das Wasser, bis auch sein Körper in Tausend Stücke zerrissen wurde.

      Im dritten Patrouillenboot, das wild und zügellos über die Wellen preschte, ergriff einer der beiden Beamten sein Funkgerät und setzte einen Hilferuf ab, während sein Kollege die Jacht unter Beschuss nahm.

      >>Wir haben sie erwischt<<, jubelte einer der Männer an Bord der Jacht, doch seine Worte wurden schlagartig von seinem eigenen Todesröcheln erstickt. Blut schoss aus seinem Mund. Von einem Dutzend Kugeln zerfetzt sackte sein Körper leblos zusammen.

      Mina lenkte ihr Boot so schnell es ihr möglich war in Chongs Richtung. Der ergriff mit glasigen Augen ihre Hand und ließ sich von der zierlichen Frau völlig entkräftet an Bord ziehen, was für die Thailänderin eine ziemliche Anstrengung bedeutete. Über ihren Köpfen pfiffen die Kugeln.

      >>Lasst die beiden nicht entkommen! Legt sie um!<<, brüllte Maurice Cheng hysterisch hinter dem davonschießenden Schlauchboot her, als hoch oben am Himmel ein winziges Insekt auftauchte.

      Das Insekt wurde rasch größer und entpuppte sich als Hubschrauber. Fünf schwer bewaffnete Männer in dunkler Kleidung zielten aus der Seitenluke mit Maschinenpistolen und Schnellfeuergewehren in die Tiefe.

      >>Scheiße<<, schnaubte einer der Männer an Chengs Seite. >>Was tun wir jetzt? Die werden uns an den Eiern kriegen, außerdem können wir mit dieser Scheißjacht in keinem französischen Hafen mehr anlegen. Wir können uns mit diesem verfluchten Pott unter dem Arsch überhaupt nirgends mehr sehen lassen.<<

      >>Achtung hier spricht die Polizei! Legen Sie unverzüglich Ihre Waffen nieder und heben Sie die Hände!<<, hallte eine metallische Männerstimme durch die Luft.

      Einer von Chengs Männern verlor die Nerven und drehte durch. Mit einem wilden, entschlossenen Schrei feuerte er das gesamte Magazin seiner MP leer. Die Frontscheibe des Hubschraubers zersplitterte. Der Pilot sackte blutüberströmt auf seinem Sitz zusammen. Der Helikopter begann zu zittern wie ein Blatt im Wind, um kurz darauf wie ein Stein abzusacken.

      Geistesgegenwärtig schnappte sich Cheng eine der umliegenden Taucherausrüstungen. Er schlüpfte hastig hinein und sprang von Bord, als der Hubschrauber mit voller Wucht auf die Jacht prallte und explodierte.

      Es war, als hätte die Hölle von einer Sekunde zur anderen ihren grauenvollen Schlund geöffnet, um alles zu verschlingen. Eine gewaltige gelbe Stichflamme zuckte hoch in den Himmel und im gleichen Augenblick explodierte die Jacht. Schwarzer, beißender Rauch begrub schließlich die auf dem Meer treibenden Trümmer unter sich. Maurice Cheng schluckte mit zusammengebissenen Zähnen seine Wut notgedrungen runter und tauchte weiter, weg von dem Ort, an dem gerade sein Boot in die Luft geflogen war.

      >>Das wirst du bereuen, du verdammter Hurensohn<<, stieß Cheng hasserfüllt hervor. >>Ich werde mich dafür revanchieren. Ich werde dir das nehmen, was du am meisten liebst ... <<

      Dann verschwand