Claus-Peter Bügler

Chong


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mühelos:

      >>Ist von Este Laure ... für nur 100 Dollar ... in New York ... Schnäppchen ... <<

      >>So günstig ... 100 Dollar zahl' ich allein für mein Katzenfutter ... <<.

      >>Hallo Hanni, grüß dich ... auch wieder im Lande? Fahr bloß nicht per Anhalter ... du wirkst schon mitgenommen genug ... <<, frotzelte die Erstere grinsend, als sie im Vorbeigehen Han-Yeun neben sich gewahrte.

      >>Danke für das Kompliment. Ich hoffe, dein nächster Flieger muss in der Antarktis notlanden, damit sich die Pinguine über deine Witze einen Frack lachen können<<, konterte Han prompt.

      >>Ach, die Kälte würde nichts ausmachen. Ich hab' nämlichen 'n heißen Arsch ... <<

      Die beiden lachten lauthals miteinander und Han war heilfroh als die beiden endlich weiterzogen, denn ihre Ohren schmerzten bereits. Wenig später trat sie hinaus auf den Personalparklatz und sog die nächtliche Luft tief ein. Ihr ganzer Stolz stand am anderen Ende des Platzes und ließ ihr Herz pulsieren: eine Harley Davidson Goldwing ... Schon als Kind war Han verrückt nach Motorrädern gewesen, nicht zuletzt, weil einer ihrer älteren Brüder damals ein begeisterter Motocrossfahrer gewesen war. Mit ihren großen, schwarzen Augen hatte sie damals jedes Mal nahe an der Rennstrecke gestanden und die vorbeisausenden Motorräder verfolgt.

      Han stülpte sich lächelnd den Helm über ihren Kopf und schwang sich auf die reichlich Platz bietende Sitzbank. Sie machte als zierliche Frau auf einem fünf Zentner schweren Motorrad vermutlich den gleichen Eindruck wie eine Fliege auf einem Elefanten, aber das war ihr egal. Sie steckte den Zündschlüssel ins Schloss, bis die Maschine unter ihrem Hintern ein erstes, startbereites Grollen ertönen ließ.

      Das erste Mal mit Harleys in Kontakt gekommen war sie einige Jahre zuvor bei einem Flug in die USA. Da sie zwischen den Flügen immer eine bestimmte Aufenthaltsdauer am Zielort hatte, war es ihr in den Sinn gekommen, eine Motorradmesse zu besuchen. Und die Harley war es gewesen, die spontan ihr Herz erobert hatte. Chong hatte sie kurzerhand nach Europa importieren lassen, um sie ihr zum Geburtstag zu schenken.

      Mir den Zehenspitzen konnte Han gerade noch mal so eben den Boden berühren. Es stellte jedes Mal einen wahnsinnigen Kraftakt für sie dar, die Maschine nach vorne zu schubsen, um die Stützen einzuklappen, aber irgendwie schaffte sie es doch. Schließlich glitt die Harley mit sanftem Donnern langsam vorwärts. Han kuppelte, schaltete und gab Gas. Eine Erfahrung, die jedes Mal einzigartig war und die von jedem eingefleischten Harleyfahrer bestätigt werden konnte.

      Das Motorrad preschte durch nächtliche, schwach befahrene Straßen dahin, während Hans Gedanken zum Telefonat mit ihrer Tochter zurückkehrten. Chong war im Grunde genommen ein sehr pflichtbewusster und gewissenhafter Mann und dass er so spät in der Nacht noch weggegangen war erschien ihr recht ungewöhnlich, noch dazu ohne eine Nachricht zu hinterlassen. An der nächsten Kreuzung blickte sie flüchtig auf ihre Armbanduhr, die ihr zehn vor zwei signalisierte. Nachdem die Ampel endlich auf Grün geschaltet hatte ließ sie das Motorrad kurzerhand einige Meter entfernt an den Straßenrand rollen und hielt an. Hastig kramte sie ihr Handy aus der Jackentasche hervor und tippte mit dem Daumennagel, doch diesmal meldete sich nicht ihre Tochter ...

      >>Ja?<<, vernahm sie eine schnöde, mürrisch klingende Stimme und schlagartig legte sich eine kalte, eisige Hand um ihr Herz.

      >>Falsch verbunden<<, stieß sie mühsam hervor und beendete rasch mit zittrigen Fingern das Telefonat. >>Mein Gott, was geht da vor?

      Sie hatte sich eindeutig nicht verwählt, hatte ihre Nummer gewählt, doch anstelle ihres Mannes antwortete am frühen Morgen ein Unbekannter, der sich alles andere als freundlich anhörte.

      >>Du liebe Güte. Was soll ich jetzt nur tun?<<

      ***

      Die peinigenden Kopfschmerzen schienen sie fast in den Wahnsinn zu treiben, dabei hatte sie bereits unzählige hoch dosierte Aspirinpillen mit Mineralwasser die Kehle hinunter gespült. Als der mächtigste Mann der Welt das Oval Office betrat wurde das Pochen in ihren Schläfen nicht besser, im Gegenteil ...

      >>Mister President ... <<

      Das Gesicht des Staatsoberhaupts der USA wirkte äußerst angespannt. Tiefe Ringe hatten sich unter seine braunen Augen gelegt. Er hörte sich die Ausführungen seiner Sicherheitsberaterin über den jüngsten Anschlag im New Yorker Hauptbahnhof an und ertappte sich dabei, wie er unaufhörlich mit der Rechten am Knoten seiner Krawatte herumzunesteln begann, als würde sie ihm die Luft abschnüren.

      >>Mein Gott ... gibt es ... haben wir eine konkrete Schadensbilanz? Anzahl der Opfer ... der Verletzten ... genaue Hinweise über die Drahtzieher?<<

      Die Sicherheitsberaterin deutete auf die beiden stumm und ehrfürchtig schweigenden Männer — hochrangige Vertreter von FBI und CIA, verantwortlich für die innere Sicherheit des Landes — zu ihrer Linken. Ein Mittfünfziger im dunklen Nadelstreifenanzug trat schließlich einen Schritt vor. Er hatte ein rosiges, fülliges Vollmondgesicht und sein ansonsten kahler Schädel wurde von einem dünnen silbrigen Haarkranz umrahmt. Der Mann genoss sichtlich die ihm zuteilgewordene Aufmerksamkeit, rückte ruhig, fast schon bedächtig seine dicke, altmodische Hornbrille zurecht und tat einen tiefen Atemzug, der die Fleischmassen über seinem Gürtel in Bewegung brachte.

      >>Burke? Kommen Sie endlich zur Sache, oder sollen wir Ihnen vielleicht von den Lippen ablesen?<<, mahnte die Sicherheitsberaterin, woraufhin der Angesprochene schuldbeflissen seine klugen, listigen Augen zu Boden senkte.

      >>Verzeihung.<<

      >>Also?<<

      >>Eine konkrete, verlässliche Aussage über die Höhe der entstandenen Schäden lässt sich zurzeit leider nicht erstellen. Die Aufräum- und Bergungsarbeiten dauern wahrscheinlich noch Tage, wenn nicht gar Wochen. Viel schlimmer sieht es aus in Bezug auf die Opfer. 47 wurden direkt oder unmittelbar durch die Explosion getötet. Darunter auch der Attentäter. Das, was von seinem Körper noch übrig geblieben ist, ist für eine Identifizierung nicht geeignet. Gewebe und Knochenfragmente wurden über Hunderte von Meter verstreut. Derzeit wissen wir weder mit Sicherheit, wer er ist, noch wo er herkam. Die Gerichtsmediziner versuchen zurzeit, durch Untersuchungen von DNA und Zahnsplittern weiterzukommen. 229 Verletzte haben die Rettungskräfte bislang registriert, von denen vermutlich elf in den nächsten Tagen an ihren schweren Verletzungen sterben werden. Doch es hätte schlimmer kommen können, viel schlimmer ... <<

      Burke berichtete von dem mit Kerosin beladenen Güterzug.

      >>Wir alle sind Specialagent Jamal zutiefst zu Dank verpflichtet. Er war zufällig vor Ort, hat anscheinend einen kühlen Kopf bewahrt und die Ausweitung der Katastrophe damit verhindert ... <<

      Burke fuhr mit einer kurzen Beschreibung von Jamals Lebenslauf fort.

      >>Ein ehemaliger Harvardabsolvent ... cum laude ... dann United-States-Marine-Korps ... brachte es dort bis zum Lieutenant, bevor er von uns ... ich meine natürlich von der Regierung angeheuert wurde ... einer unserer besten und zuverlässigsten Männer — erfahren, hochintelligent, körperlich absolut topfit, hohes Maß an Selbstkontrolle, auch unter Stress ... spricht fließend mehrere Sprachen ... ein überaus integerer, loyaler und zuverlässiger Charakter ... <<

      >>Ich werde ihn mit dem Silverstar auszeichnen lassen<<, erwiderte der President.

      Price, die Sicherheitsberaterin, kannte Jamal schon seit seinem Eintritt in den Staatsdienst und war von seinem Charme genauso fasziniert, wie von seiner bescheidenen, normalerweise zurückhaltenden Art. >>Es gibt sichere Hinweise, dass Karem-Abu Jossr hinter dem Anschlag steckt. Das letzte Lebenszeichen von Jossr stammte aus Frankreich ... um genau zu sein: Paris ... <<

      >>Dann wird es, glaube ich, höchste Zeit, dass wir einen unserer Männer nach Europa schicken, um diesen Hundesohn bei den Ei... <<

      >>Mister President!<< Price war eine solche Ausdrucksweise ihres Vorgesetzten alles andere als gewohnt.

      >>Entschuldigung