Claus-Peter Bügler

Chong


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... ganz schön heftig ... <<

      >>Zugleich kursierte unter den internationalen Drogendealern das Gerücht, dass ich derjenige gewesen sei, der Cheng ans Messer geliefert hatte. Die chinesischen Behörden bereiteten einen Haftbefehl für mich vor. Eine Bombe jagte kurze Zeit später vor meinen Augen meinen Wagen in die Luft. Ein Sniper ballerte nachts vom Dach eines Hauses durch das Fenster meines Motelzimmers ... Diese Drecksäcke werden keine Ruhe geben, bis du in der Kiste liegst, sagte Heller damals zu mir. Heller meinte, ich könne momentan nicht nach Peking zurück, wegen der in meinem Appartement gefundenen Drogen. Im Gegensatz zu den Chinesen waren die Amerikaner von meiner Unschuld überzeugt. Der einzige Schutz für mich wäre eine neue Identität. Neuer Name. Neuer Pass. Neues Outfit ... neues Leben ... unbehelligtes Leben. Heller habe ich es zu verdanken, dass man mich in den USA damals in eine Art Zeugenschutzprogramm aufgenommen hat — vor allem wegen sich wiederholender Mordanschläge seitens der Drogenmafia gegen mich. Das war die Geburt von Li Chong Hanzhiou. Ich erhielt einen neuen Pass, veränderte ein wenig mein Äußeres — kürzere Haare, Bart weg ... und reiste damals unbehelligt auf Hellers Anraten hin nach Frankreich, wo ich seiner Meinung nach am Sichersten war. In Wahrheit saß ich all die Jahre in Paris mit dem Teufel unter einem Dach. Es war ein dämonisch cleverer, geschickter Schachzug Hellers, mich nach Frankreich zu entsenden, denn zum einem kannte Heller als Chengs Komplize in spe meine wahre Vergangenheit. Und zum anderen hatte Cheng seinen Feind unmittelbar in nächster Nähe, sodass er ihn praktisch jederzeit kontrollieren und nötigenfalls auch eliminieren konnte. Cheng, der nach seiner vermeintlichen Exekutierung seine Geschäfte von den USA nach Paris verlegt hatte wusste von mir, aber nicht umgekehrt, was ihm einen enormen, riesigen Vorteil verschaffte. Ich bin sicher: wenn Cheng in den letzten Jahren auch nur den Hauch einer Ahnung verspürt hätte, dass ich ihm auf den Fersen wäre, dann hätte er mich ohne zu zögern ausgepustet.<<

      Chong erschrak. All die Jahre unter neuem Namen hatte er sich und seine Familie in Sicherheit geglaubt, doch in Wirklichkeit schwebte bereits seit Langem ein unsichtbares Damoklesschwert über ihnen. Er erschauderte bei der Vorstellung, dass einer von Chengs Schergen jederzeit aus einem Hinterhalt auf seine Frau hätte schießen können — oder seine Tochter entführen. Oder beides. Oder Schlimmeres. All die Jahre, die er sich in Sicherheit wähnte ...

      Er dachte an seine Tochter und schickte in Gedanken ein flehendes Gebet zum Himmel, dass ihr der fremde Mann doch ja nichts antun möge. Und er dachte an seine Frau, die jetzt längst nach Hause gekommen sein musste. Vermutlich war sie dem Eindringling längst über den Weg gelaufen. Nein, Chong konnte und wollte jetzt nicht daran denken, das würde ihn vor Sorge fast in den Wahnsinn treiben.

      >>Die amerikanischen Behörden haben dir geholfen, trotz der Drogen, die man damals in deinem Appartement gefunden hat?<<, holte Minas Stimme Chong in die Gegenwart zurück.

      >>Auch das hatte Heller zu meinen Gunsten gedreht. Er war überzeugt — und überzeugte auch seine Vorgesetzten — dass mir irgendjemand die Drogen untergeschoben hatte. Wahrscheinlich der mysteriöse, korrupte Maulwurf, auf den es die Pekinger Behörden abgesehen hatten.<<

      >>Aber schließlich wurde doch der Verdacht auf dich gelenkt. Man ging davon aus, du könntest der gesuchte Maulwurf sein.<<

      >>Den Verdacht schürte Heller vermutlich, nachdem ich meine neue Identität hatte, weil Ermittlungen gegen ihn wegen möglicher Bestechung bevorstanden. Wahrscheinlich wollte er einfach von sich ablenken, dieses Aas. Du liebe Güte, wie blind und dumm ich doch gewesen bin. Heller ist seit jeher die Schlüsselfigur in dem ganzen Spiel. Er war es, der mir die Idee ans Herz legte nach Frankreich auszureisen ... mitsamt einer neuen Identität. Er wusste von Anbeginn über meine wahre Vergangenheit Bescheid und konnte mir jederzeit die Hölle bereiten, indem er den falschen Leuten die Wahrheit über mich zukommen ließ. Er konnte mir jederzeit Chengs Drogenmafia oder den chinesischen Geheimdienst auf die Fersen hetzen.<<

      >>Ich glaube nur, das wird in Anbetracht unserer derzeitigen Situation nicht mehr nötig sein, oder?<<

      Chong widersprach: >>Solange wir am Leben sind, haben wir noch eine Chance.<<

      >>Irgendeine Idee? Ich meine ... wie wir hier raus kommen?<<

      >>Nicht die mindeste<<, gestand Chong ehrlich. >>Aber ... wenn die Typen uns hätten umlegen wollen, dann wären wir schon tot. Das lässt hoffen. Da steckt anderes dahinter. Es hat vermutlich damit zu tun, dass die Kerle über meine Vergangenheit im Bilde sind.<< Chong rutschte nach hinten gegen eine Wand, zog die Füße an und stemmte sich in die Höhe. >>Sieht ganz danach aus, als würde man uns in einer Art Metallcontainer gefangen halten. Wenn wir uns gegen die Tür stemmen, würde das vermutlich einen Höllenlärm erzeugen, und dann würde möglicherweise eine ganze Horde bewaffneter Killer hier reinströmen. Wir müssen uns etwas einfallen lassen. Als Erstes sollten wir versuchen uns von diesen dämlichen Stricken an den Handgelenken zu befreien.<<

      Das Loswerden der Fesseln stellte sich für beide als nicht sonderlich schwierig heraus, denn ihre Gegner hatten sich damit nicht viel Mühe gemacht. Das war schließlich auch nicht notwendig gewesen, denn immerhin hielt man sie wie Frischfleisch in einer fest verschlossenen Konservenbüchse gefangen.

      >>Wir müssen etwas tun, was ihre Aufmerksamkeit erregt, ohne dass sie misstrauisch werden ... <<

      Chong schwieg einen kurzen Moment, dann kam ihm eine Idee. >>Kannst du einen Orgasmus vortäuschen?<<

      >>Du stellt vielleicht Fragen ... <<

      >>Ich möchte dich nur bitten, dass du gleich laut und aus vollem Hals zu stöhnen beginnst. Kriegst du das hin?<<,

      >>Ja ... ich glaub' schon.<<

      Chong tastete sich an der Wand entlang bis er sicher war, dass er die verschlossene Tür des Containers vor sich hatte, und postierte sich seitlich daneben.

      >>Alles klar. Dann leg' mal los ... zeig's mir, Baby ... <<

      Mina zuckte gleichgültig mit den Achseln, holte tief Luft und begann zu stöhnen, was das Zeug hielt.

      Chong horchte angestrengt, doch anscheinend tat sich draußen nichts.

      >>Das haben sie wohl nicht gehört. Versuch's noch ein wenig lauter.<<

      >>Dann schrei' ich mir fast die Lunge aus dem Hals.<<

      >>Mach schon.<<

      Mina startete ihren nächsten Stöhnversuch, während Chong weiterhin aufmerksam lauschte.

      Da war etwas ... Schritte ... Schritte von schweren Stiefeln ... Sie kamen näher ... und näher ...

      Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Das einfallende Licht schmerzte und blendete Chongs Augen. Im Türrahmen erschien die Silhouette eines bulligen Mannes, vor dessen Brust eine Maschinenpistole baumelte.

      >>Wenn dein Stecher mit dir fertig ist, du geile, dreckige Schlampe, und du mal einen Fick mit einem richtigen Mann ... <<

      Der Kerl stolperte über Chongs Fuß und knallte auf den Boden. Ehe er richtig begriff was passiert war, hatte sich Chong bereits mit seinem ganzen Gewicht auf ihn geworfen und seinen Hals gepackt. Mit aller Kraft drückte er seinem Gegner die Luftröhre ab, bis dieser röchelnd erschlaffte. Im Anschluss wurde der Ganove an Händen und Füßen gefesselt. Chong stopfte ihm zur Sicherheit noch ein Taschentuch in den Mund, damit er nicht auf die Idee kam, um Hilfe zu rufen.

      >>Schau' mal ganz vorsichtig nach draußen, wie das Wetter ist ... <<

      >>Aber ganz vorsichtig<<, entgegnete Mina, wobei sie behutsam durch die offenstehende Tür hinausspähte. >>Alles ruhig. Verdächtig ruhig ... <<

      Es war heller Tag und sie befanden sich an Deck irgendeines Schiffes. Überall waren mannshohe Kisten zu erkennen, doch so sehr Mina auch umherspähte, sie konnte nirgends auch nur eine einzige Menschenseele entdecken. >>Am anderen Ende des Schiffes sehe ich ein rechteckiges Loch ... vermutlich