Claus-Peter Bügler

Chong


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sich bemühte, seine Gedanken auf die Reihe zu kriegen. Verdammt noch mal, was war bloß passiert? Pfefferspray!, wurde ihm klar. Das war so ziemlich das Gemeinste und Effektivste im ganzen Arsenal an frei verkäuflichen Selbstverteidigungswaffen. Seine Augen waren gerötet, als hätte er sich einen Tripper eingefangen, und er musste unablässig blinzeln.

      >>Jetzt haben wir dich, du Sackgesicht. Hier<<, kreischte der Kerl mit dem Elektroschocker, wobei er den Taser am ausgestreckten Arm gefährlich nahe in Chongs Richtung hielt.

      >>Ja, mach ihm Feuer unterm Arsch<<, rief ein anderer fanatisch.

      Chong zuckte zusammen, als er von einem Tritt im Rücken getroffen wurde und vornüber zu Boden stürzte. Instinktiv wälzte er sich zur Seite, wodurch ein herabsausender Stockschlag seinen Kopf um Haaresbreite verfehlte.

      >>Jetzt machen wir dich fertig!<<, hörte Chong einen anderen brüllen. Da wurde ihm blitzartig bewusst, dass es Zeit wurde den Rückzug anzutreten. Doch er ahnte nicht im Entferntesten, dass auf der anderen Seite des Gitters der Tod auf ihn wartete.

      Er sprang etwas unbeholfen auf die Beine und hielt sich den ersten Angreifer mit einem harten Sidekick vom Leib. Wie ein Footballspieler rannte er mitten durch die Männer, genau auf das silbrig schimmernde Rollgitter zu, ließ sich zu Boden fallen und rollte auf die andere Seite. Da merkte er, dass er vom Regen in die Traufe gekommen war, als er das blasse, angsterfüllte Gesicht der jungen Thailänderin über sich entdeckte.

      >>Wenn du auch nur einmal ungefragt mit dem Schwanz zuckst ist deine hübsche kleine Freundin hier tot, hast du mich verstanden?<<, stieß der Kerl kalt hervor.

      Chong nickte widerwillig.

      Ein weiterer Mann tauchte auf. Chong erkannte, dass er irgendeine Decke trug, in die sorgfältig eine Maschinenpistole eingewickelt war.

      >>Dieser Chinese ... der interessiert mich. Ich bin irgendwie sicher, dass er ein Profi ist ... ich will mehr über ihn erfahren<<, sagte der Mann namens Bertrand leise zu dem anderen.

      >>Meinst du dass er 'n Bulle ist?<<

      >>Ich bin mir nicht sicher. So etwas in der Richtung. Nur ein Verrückter oder ein Lebensmüder legt sich leichtfertig mit der Pariser Unterwelt an. Und der Hundesohn hier ist alles andere als wirr in der Birne.<<

      >>Also ein Profi?<<

      >>Sag' ich doch ... <<

      Ohne Vorwarnung krachte der Lauf der MP hart gegen Chongs Schläfe. Das Letzte was er wahrnahm war das grinsende Gesicht des Kerles über sich, von dem ihm der Hieb verpasst worden war, dann wurde es finstere Nacht um ihn ...

      Als er wieder zu sich kam und mühsam die geschwollenen Augen öffnete, musste er feststellen, dass er von tiefschwarzer, undurchdringlicher Dunkelheit umgeben war. Langsam, fast zögernd setzte sein Denken wieder ein, während er sich vergeblich abmühte, seine hinter dem Rücken gefesselten Hände ein wenig zu bewegen.

      >>Bist du in Ordnung?<<, flüsterte ganz in der Nähe eine unsichtbare Frauenstimme.

      >>Sagen wir, ich lebe noch ... halbwegs ... auch wenn mir ziemlich der Schädel brummt, als hätte jemand meinen Kopf als Abrissbirne benutzt. Und du?<<

      >>Ich bin okay.<<

      Mina rutsche auf ihrem Hintern ein Stück über den Boden, bis sie ihn fast mit der Schulter berühren konnte. Ihre Hände waren ebenfalls mit fingerdicken Seilen gefesselt.

      >>Was ist hier los? Wo sind wir?<<, stöhnte Chong schwerfällig.

      >>Auf einem Frachter in Richtung Taiwan.<<

      >>Was?<<

      >>Bertrand hat in deinen Klamotten einen Ausweis gefunden. Ich habe mitbekommen, wie er mit einem Typ telefonierte. Ein mächtiger, einflussreicher Drogenboss. Ich glaube, weil Betrand irgendwie misstrauisch geworden war, wollte er unbedingt mehr über dich herausfinden ... tja, und das hat er auch ... <<

      Chong war fassungslos. Konnte das sein? Nein, das war unmöglich, oder?

      >>Jedenfalls ... dieser Kerl, mit dem Bertrand telefonierte ... ich glaube, er hieß Maurice oder so … er erwähnte ... <<

      >>Maurice? Maurice Cheng ... das kann nicht sein<<, widersprach Chong erregt. >>Cheng ist tot ... <<

      >>Am Telefon hörte er sich aber sehr lebendig an. Du kennst den Typen? Das dachte ich mir ... <<

      Chong schüttelte in der Dunkelheit stumm den Kopf. Maurice Cheng, der Sohn eines französischen Leutnants und einer chinesischen Hure, einst der Kopf einer brutalen Drogenmafia, die ihre Ware im asiatischen Raum bezog und sie schließlich über Frankreich nach Europa und in die USA exportierte, war tot, es sei denn ...

      >>Dieser Maurice, jedenfalls ... soviel habe ich mitbekommen ... unterhält Verbindungen in den USA zu einem Kerl namens Hiller ... von der CIA ... der wird wohl von der Drogenbrigade ordentlich geschmiert, damit die Bullen die Auslieferung der Ware nicht stört ... <<

      Chong hatte schlagartig das Gefühl, in ein abgrundtiefes Loch zu fallen.

      >>Dieser Verbindungsmann in den USA heißt nicht Hiller sondern Heller. Specialagent Heller von der CIA, mein Gott<<, flüsterte Chong entsetzt. >>Jetzt passt alles zusammen.<<

      >>Jedenfalls ... kennt dieser Hiller oder Heller deine Vergangenheit als Topagent des chinesischen Geheimdienstes. Vor etlichen Jahren wurde das Gerücht gestreut, dass ranghohe Politiker in Peking korrupt seien und mit der Drogenmafia gemeinsame Sache machten. Die damalige Connection über Asien nach Frankreich und von dort in die übrige Welt war den Bullen längst bekannt. Man wollte in Peking allerdings herausfinden, ob es tatsächlich so etwas wie einen Maulwurf in Regierungskreisen gab, jemand also, der den Drogendealern immer die nötigen Tipps und Informationen zuspielte, die sie benötigten, um ungestört zu agieren. Und so versuchte man, einen Topagenten bei der Bande einzuschleusen. Du wurdest allerdings gehörig verarscht ... <<

      Chong lachte bitter. >>Mehr als das ... << Jetzt begriff er allmählich die Wahrheit. >>Dieser Maulwurf ... dieser ominöse, korrupte Informant saß nicht in Peking, sondern in den USA, mitten in der CIA. Damals ging meine Behörde in Peking davon aus, dass Maurice Cheng von Florida aus operierte. Nach außen hatte der Kerl so eine weiße, saubere Weste wie der Papst, es war ihm nichts nachzuweisen. Keine Vorstrafen ... nichts. Die amerikanischen Behörden waren erst auf ihn aufmerksam geworden, als eine Nutte wegen unerlaubter, illegaler Prostitution und Drogenbesitzes vorübergehend festgenommen wurde. Die Frau gab als ihren festen Wohnsitz Chengs Adresse an. Cheng lebte auf ziemlich großem Fuß, hatte 'ne Riesenvilla mitsamt Ferrari vor der Tür. Der Verdacht lag nahe, dass Cheng ihr Zuhälter war, was die Lady jedoch energisch bestritt. Eine heimliche Observierung Chengs hatte zunächst nicht sehr viel eingebracht, außer, dass er sich mit allerlei zwielichtigem Gesindel traf. Aber das allein ist ja nicht strafbar. Heller hatte offenbar mitbekommen, dass man seinem Busenfreund Cheng am Hintern klebte und warnte ihn vermutlich. Er war es schließlich auch, der lauthals behauptete er könne beweisen, dass Cheng in den internationalen Drogenhandel verstrickt war. Jetzt verstehe ich auch, warum. Die ganze Aktion war getürkt. Der Plan, Cheng mitten in seiner Villa hochgehen zu lassen, hatte letztlich nur den Zweck, ihn von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Die Bullen sollten glauben er sei tot, während er in Wirklichkeit seine Geschäftchen woanders unbehelligt weiterführen konnte. Schließlich war er ja durch Heller vorgewarnt worden. Heller selbst stand durch den ihm zu verdankenden Schlag gegen den vermeintlichen Drogenboss Cheng wie ein Heiliger in glänzendem Licht da. Dieses verdammte Schwein, mein Gott, dass ich nicht schon früher darauf gekommen bin ... <<

      >>Für dich lief die ganze Sache damals allerdings nicht so gut ... <<

      Chong nickte im Dunkel neben ihr. >>Während meines Aufenthaltes in den USA erhielten die Pekinger Drogenfahnder einen anonymen Tipp, dass ich mit den Drogendealern gemeinsame Sache machen würde. In meiner Abwesenheit