Anders Aaronson

Thuazar


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quollen.

      Der Xin mit dem abgeschlagenen Bein schrie nicht mehr. Er war schon vor einigen Minuten verstummt.

      Die beiden Menschen, die sich gegenseitig mit ihren Speeren aufgespießt hatten, lagen voreinander in einer riesigen Blutlache.

      Sein Gegner drehte sich schwerfällig um und kam langsam auf ihn zu. Xar’non wusste, dass er dem Kampf nicht ausweichen konnte. Er stellte sich auf den folgenden Schlag ein. Aber der Brak hatte so viel Kraft hineingelegt, dass Xar’non beim Abwehren von der Wucht umgerissen wurde. Schnell rappelte er sich auf. Der nächste Schlag des Braks war auf die Knie des Xins gerichtet. Xar’non versuchte auszuweichen, war aber zu langsam. Auch seine hastig ausgeführte Blockade reichte nicht aus und die Axt streifte seine Schienbeine. Mit einem Aufschrei fiel er auf die Knie und sackte mit seinem Hintern auf die Fersen.

      Jetzt konnte er dem Brak durch die Sehschlitze des Helms in die Augen schauen. Es war Jons. Mit ihm hatte er gestern noch einen gehoben.

      »Es tut mir leid«, kam es blechern unter dem Helm hervor. »Aber du oder ich, so ist das nun mal.«

      Jons hob die Axt unter tosendem Jubel hoch über seinen Kopf. In diesem infernalischen Lärm fiel Xar’non etwas ein. Jons hatte gestern eine Kleinigkeit zu viel erzählt.

      Der Xin ließ sich nach vorne fallen und drehte sich dabei auf den Rücken. Hart fiel er direkt zwischen die Beine des Braks. Die Axt, die in dem Moment nach unten sauste, verfehlte ihn knapp und bohrte sich zwischen seinen Beinen in den Sand der Arena. Durch die Wucht verlor Jons fast den Stand, wobei er die Dornen seiner Stiefel in die Seiten des Xins bohrte. Xar’non beachtete den Schmerz nicht, bekam aber mit, dass der Brak die Axt ein weiteres Mal erhoben hatte, um sie ihm nun in den Bauch zu schlagen.

      Xar’non war schneller. Er stieß sein schartiges Kurzschwert mit beiden Armen von unten zwischen Jons Beine. Ohne Widerstand schob er seine Waffe bis zum Heft in die Eingeweide des Braks, der in seiner Bewegung erstarrt innegehalten hatte. Dann drehte der Xin das Schwert und zog es in einem schrägen Winkel wieder heraus.

      Ein Schwall aus Blut und Exkrementen ergoss sich über seine Brust und seinen Bauch und spritze ihm teilweise ins Gesicht. Rasch rutschte er rückwärts unter dem Brak hervor, der immer noch mit erhobener Axt im Todeskrampf dastand.

      »Du oder ich. Da hast du recht, so ist das nun mal«, murmelte Xar’non und stieß den anderen von hinten mit dem Schwert an. Jons schlug scheppernd auf dem Boden auf. Es herrschte zuerst Totenstille, dann brach die Menge in lauten Jubel aus.

      »Haha. Xar’non. Das Einzige, was von meiner Rüstung nicht geschützt wird, ist das, was ich am meisten gebrauche. Mein Schwanz«, hatte Jons am Abend zuvor lachend herausposaunt. »Gut, das ich so klein bin, da kommt keiner hin. Haha!«

      ›Danke für das Gespräch‹, dachte Xar’non verächtlich lächelnd.

      Dann schaute er an sich herunter und schüttelte den Kopf.

      »Was für eine beschissene Scheiße!«, murmelte er und wischte sich die Innereien des Braks von Gesicht, Brust und Bauch. Brüllend skandierte die Menge im Chor seinen Namen.

      Der Xin befühlte die Rippen. Die Dornen hatten seine Seiten aufgerissen, aber das würde wieder heilen.

      ›Jetzt bin ich frei‹, sinnierte er und grinste breit. Er riss sein Schwert in die Höhe und ließ sich feiern. Die Zuschauer jubelten, schmissen Blumen und duftende Kräuter auf den Kampfplatz.

      Jassum, der Besitzer der Arena, betrat den Schauplatz. Er hob die Arme und die Leute wurden still.

      »Der Sieger des heutigen Hauptkampfes ist Xar’non aus Xin Yaln. Dieses hier war sein letzter Kampf. Er ist ab jetzt ein freier Mann ... ähm Xin. Möge er hingehen, wohin die Winde ihn treiben.«

      Er riss den anderen Arm des Xins hoch und ließ ihn noch mal vom Publikum bejubeln.

      »Komm!«, sagte Jassum zu Xar’non. »Ich habe noch etwas für dich.«

      Zusammen verließen sie die Arena und gingen durch die Unterkünfte der Kämpfer, die sich respektvoll vor Jassum und Xar’non verneigten.

      »Meine Fresse stinkst du. Und beschissen siehst du aus.« Er lachte dem Xin brüllend ins Gesicht und schlug ihm mit der Hand auf die Schulter. Was er aber direkt mit einem angeekelten Gesicht bereute.

      »Ja, ha. Ich lach mich schlapp«, entgegnete der Xin säuerlich. »Was meinst du mit: Ich hab noch was für dich? Gib mir mein Geld und lass mich ziehen.«

      »Jaja. Geh dich erst mal säubern und der Heiler soll sich deiner Verletzungen annehmen. Dann komm zu mir.«

      Im Badehaus reinigte sich Xar’non gründlich und zog sich bequeme, saubere Sachen an. Stiefel und Hose. Das Hemd ließ er erst mal aus, weil seine Wunden am Brustkorb immer noch bluteten.

      Er ging durch die Katakomben der Arena zum Heiler Hiran. Der überlebende Nordmann war gerade fertig verbunden worden. Hiran hatte dem Mann so viele Verbände angelegt, dass er aussah, wie eine Mumie aus den Gräbern der Windreiter.

      Xar’nons Wunden wurden schnell und routiniert versorgt. Es war wirklich nicht so schlimm, wie es sich anfühlte. Dann ging er zu Jassum.

      »Setz dich«, sagte der in die Jahre gekommene, aber immer noch breitschultrige und muskulöse Arenabesitzer. Er schenkte zwei Becher Wein ein und reichte einen davon Xar’non, bevor er sich ihm gegenüber hinsetzte.

      Das Gesicht des alten Mannes war eine Ruine. Ein Ohr fehlte, ein Auge war milchig weiß. Die Brandnarben am Hals waren knotig und wulstig, und die schorfige Narbe quer durch sein Gesicht wollte nie richtig heilen.

      »Was hast du jetzt vor?«, fragte er den Xin.

      Xar’non setzte an.

      »... nein warte«, unterbrach ihn Jassum rau. »Zehn Jahre hast du jetzt für mich gekämpft. Du warst und du bist der Beste. Was hältst du davon, mein Partner zu werden? – Guck nicht so blöde. Ich bin alt und werde auch bald wieder zu Staub und zu meinen Ahnen zurückkehren. Dann kannst du das alles hier haben. Wie sieht’s aus?«

      Der Alte schaute den Xin über den Becherrand mit seinem heilen Auge an.

      »Nein danke«, entgegnete Xar’non trocken.

      Er konnte und wollte hier nicht bleiben. Jeden Term weiterhin die Schlachtfeste zu erleben; das war keine Option für ihn.

      »Gib mir mein Geld und ich gehe meiner Wege. Die Zeit hier in Necon Rah ist für mich vorbei.«

      Der Alte seufzte. »Ich hab’s mir fast gedacht. Aber gut. Lass dir von Brast dein Geld auszahlen und geh.«

      Dann leerte er seinen Becher und schlenderte wortlos zum Fenster. Xar’non stand auf und ging. Als er schon fast durch die Tür war, sagte Jassum: »Warte!«

      Der Xin drehte sich um ›Jetzt bitte kein theatralisches Abschiedsgedöns‹ – und schaute seinen früheren Herrn an. »Hm?«

      »Versauf und verspiel nicht sofort dein ganzes Geld und lass die Finger von den Nutten, sonst bist du schneller wieder hier, als es dir recht ist.« Er zwinkerte ihm mit seinem gesunden Auge zu und drehte sich grinsend um.

      »Blöder Hurensohn«, flüsterte Xar’non.

      »Das habe ich gehört, du schwanzloses Etwas ...«, rief der Alte lachend hinterher.

      Auch der Xin lächelte. Jassum war ein Drecksack, aber noch einer von den Ehrlichen. Das musste man ihm lassen.

      »Na, haste’s geschafft?«, fragte Brast, der Schatzmeister mit seiner nervigen Fistelstimme und schaute ihn über seine Augengläser an.

      »Sieht so aus«, antwortete Xar’non kurz angebunden.

      Vom ersten Tag an hatte er den dicken Eunuchen nicht ausstehen können.

      »Dann unterschreib hier mal ... und hier ist dein Geld. Neunundneunzig Goldstücke.« Er schob dem Xin einen prall gefüllten