Anders Aaronson

Thuazar


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nicht. Mit deiner Verletzung, die du dir beim Kampf zugezogen hast, warst du bestimmt beim Heiler? Und das kostet immer noch pro Behandlung ein Goldstück. Also neunundneunzig. Kapiert?«

      Xar’non lief vor Wut knallrot an.

      »Pass auf!« Er griff Brast an den Kragen und drehte zu. »Entweder du gibst mir hundert oder ich stecke dir jede der neunundneunzig Münzen einzeln in dein Eunuchenarschloch und hole sie mir mit einer glühenden Zange wieder heraus! Hmmmm? Willst du das?«

      Brast schüttelte schwitzend den Kopf. Xar’non ließ ihn los und der Schatzmeister holte mit zitternden Händen aus einer Truhe eine Goldmünze und legte sie in den Beutel.

      »Geht doch, Arschloch!«, lächelte der Xin und ging zur Unterkunft. Er verabschiedete sich noch von ein paar anderen Kämpfern.

      Hrynso der Windreiter aus Reyen Lak, Zorian der Brak aus Ineisul, Fent aus Dervon Tai und Xar’nyn aus Xin Yarei. Alle langjährige Weggefährten, aber bald nur noch Erinnerungen an eine blutige Zeit.

      Er trat zum ersten Mal seit zehn Jahren als freier Mann auf die Straße. Tief holte er Luft, genoss die Sonne und den Wind im Gesicht und lief los Richtung Stadttor.

      »Was jetzt?«, fragte er sich.

      Zurück nach Xin Yaln? Niemals. Zu knöchern und altmodisch war es ihm dort gewesen, weswegen er ja auch vor einer gefühlten halben Ewigkeit gegangen war. Auch in die anderen Städte der Xin am Sandrossee wollte er nicht.

      Wohin dann? Nach Dervon Tai? Nein lieber auch nicht. Die standen kurz vor einem Krieg mit Rand I. von Hohen Horst, der ja auch schon Argan Tai eingenommen hatte. Tja, zu den Windreitern der Steppe zog ihn auch nichts. Er hatte schon genug Staub geschluckt. Er wollte jetzt mal in eine grüne Gegend. Nur wohin?

      »Scheiße, jetzt habe ich hundert Goldstücke und weiß nicht, wohin ich soll?! Das kann echt nicht sein ...«

      »Hallo, hallo«, hauchte von hinten eine Frauenstimme an sein Ohr. »Das ist ja der Held der Arena.« Ein penetranter Duft nach Rosen und Jasmin stieg ihm in die Nase. »Xar’non der Große. Na, mein Süßer? Hast du schon was vor? Wir könnten doch ein wenig deine Freiheit feiern.«

      Der Xin drehte sich um und vor ihm stand eine Hure. Der Duft war das absolute Gegenteil zu ihrem Aussehen. Egal. Ein Xin bekam selten Angebote von Menschenfrauen, noch nicht einmal von den übelsten Straßennutten. Also hatte er ja sogar Glück; sozusagen. Das war doch ein gutes Omen für den ersten Tag in Freiheit.

      »Kannst du es mir denn besorgen?«, fragte er.

      »Oh, da mach dir mal keine Sorgen.« Sie holte zwei fingerdicke blank polierte Holzstäbchen aus ihrer Rocktasche, hielt sie Xar’non vor die Augen. »Ich weiß, wie man mit deiner Art umgehen muss.« Sie lächelte ihn unschuldig an, wobei sie ein lückenhaftes gelbes Gebiss entblößte.

      »Na dann los«, sagte er und freute sich auf ein paar schöne Stunden.

      Xar’nons Kopf dröhnte und ihm war kotzübel. Langsam nahm er die Umgebung verschwommen wahr. Er lag in einer Gasse zwischen Müll und Fäkalien. Es stank erbärmlich und ihm wurde noch übler. Er drehte seinen Kopf nach rechts und kotzte einen Schwall billigen Weins aus.

      Unten herum klebte es. ›Oh näää‹, dachte er. ›Vollgeschissen hab ich mich auch noch ...‹

      Mit Schrecken fuhr seine Hand zum Gürtel. Er seufzte. ›... und mein Gold ist auch weg. Schöne Scheiße.‹ Direkt musste er an Jassums Worte denken. Hatte der alte Drecksack wieder recht behalten.

      Langsam kam er auf die Beine. Die Welt drehte sich und er kotzte noch mal einen riesigen Schwall Wein aus. Direkt auf seine Stiefel. Das fing ja gut an. Ein Tag in Freiheit und da stand er. Vollgeschissen und vollgekotzt. Beraubt und obdachlos und keinen blassen Schimmer, wohin er sollte. Perfekt für einen Start in ein neues und besseres Leben.

      Wieder zurück zu Jassum? Nein, diese Blöße wollte er sich nicht geben.

      Unschlüssig stand er da. Gestern noch der Held der Arena, heute ein versoffener Dreckskerl.

      »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, fluchte er laut. »Aber warte, die Nutte krieg ich.«

      Den Namen wusste er noch. Flatela. Und er würde sie finden.

      In dem Gebiet bei der Stadtmauer wimmelte es von Huren und deren Zuhältern. Er fragte sich durch, bis er die passenden Informationen hatte.

      Bald hatte er die Hütte von Flatela gefunden und legte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf die Lauer.

      Zur Dämmerung hin kam sie mit einem groben, gut abgefüllten Kerl an, der hinter ihr her torkelte.

      ›Gut, Schätzchen. Das wird dann erst mal dein letzter bezahlter Fick sein‹, dachte Xar’non hämisch. Schnell wurde es dunkel und der Xin schlich sich an die Hütte ran. Von innen drangen die typischen Geräusche nach draußen. Das Grunzen des Mannes und das aufgesetzte Gestöhne der Hure. Mit einem Ruck riss er die morsche Tür auf, und dabei fast aus den Angeln. Er trat dem Mann von hinten in die Eier, versetzte ihm links und rechts zwei kräftige Schläge in die Nieren und schlug dann mit der Handkante in den fleischigen Nacken.

      Er packte den Bewusstlosen an der Schulter, rollte ihn von der Hure runter und schaute auf ein schartiges Messer, das Flatela ihm entgegenstreckte.

      Mit einem Lächeln trat er der Frau die Waffe aus der Hand. Er schlug ihr mit der Faust ins Gesicht und riss sie an den Haaren auf ihr Lager aus fauligem Stroh und Lumpen zurück. Der Xin drückte mit seinen Knien ihre Arme herunter und legte die rechte Hand um ihre Kehle. Er beugte sich langsam vor und flüsterte: »Wo ist mein Gold?«

      Dabei ließ er seinen nach Kotze stinkenden Atem über ihr Gesicht streichen.

      Tränen schossen ihr in die Augen. »Ich habe es nicht mehr«, schluchzte sie.

      Xar’non schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht. Flatela setzte zu einem Schrei an.

      »Schnauze, oder ich verspreche dir, ich reiße dir den Kopf ab«, zischte er. »Noch mal. Wo ist mein Gold?«

      »Ich hab’s nicht mehr. Ehrlich. Ich hatte Schulden. Fast alles weg. Der Rest liegt unter der Feuerstelle vergraben.«

      »Danke Schätzchen«, grunzte Xar’non und schlug sie mit einem Rückhandschlag bewusstlos.

      Die Feuerstelle war kalt und nach kurzem Graben hatte er seinen Lederbeutel gefunden. Siebzehn Münzen waren noch drin.

      ›So viel Schulden hat 'ne Nutte? Meine Fresse. Na ja. Besser als nichts‹, dachte er. Verstohlen schlich er sich aus der Hütte und suchte nach der Stadtwache. Zwei standen vor einer Spelunke und tranken Bier.

      »Hey, ihr zwei. Da hinten in der Hütte von der Nutte Flatela gibt’s Ärger. Schaut mal nach.«

      Er ging weiter zu einem Badehaus und säuberte alles gründlich; sich und seine Sachen.

      In einem Wirtshaus aß er ein großes Stück Fleisch mit Wurzelgemüse und spülte alles mit frischem Wasser runter. Vom Wein hatte er erst mal genug. Er schaute aus dem Fenster und sah zufällig, wie die Hure abgeführt wurde. Der dicke Freier watschelte schimpfend hinterher. Er dachte, Flatelas Zuhälter hätte ihn niedergeschlagen und zusammen mit der Nutte beraubt; denn seine Geldbörse war weg.

      Xar’non grinste. Nein, er war wirklich kein Zuhälter, aber die Börse des Mannes hatte er trotzdem genommen. Er nächtigte in dem Wirtshaus und nach einem ausgiebigen Frühstück ging er Richtung Stadttor.

      Draußen vor der Stadt war die Hure an den Pranger gestellt worden. Man hatte sie ausgepeitscht und gebrandmarkt. Erschöpft und blutig hing sie an den Händen gefesselt am Pfahl.

      »Na?! Eine schöne Nacht gehabt?«, rief er rüber.

      Die Frau schaute auf und sah ihn zornig an. Sie spuckte blutigen Schleim aus und verfluchte ihn mit heiserer Stimme.

      »Jaja, fluch du ruhig. Es kommen ja noch ein paar