Daniela Hochstein

Gebrochene Flügel


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      Tief ins Erdreich war der Drache gesunken. So tief, dass er eines Tages in einem dunklen Gang erwachte. Ein Geräusch hatte ihn aus seinem trüben Schlaf gerissen und als er müde seine Augen öffnete, konnte er ein winziges Lichtlein erkennen, das sich ihm näherte. Begleitet wurde es von einem scharrenden Geräusch, das an Lautstärke zunahm, je näher das Licht ihm kam.

      Furcht war ein Gefühl, das dem Drachen mittlerweile fremd geworden war, getilgt von einer alles umfassenden Gleichgültigkeit. Bloß ein Funke Neugier hatte in den Tiefen des erloschenen Herzens noch überlebt, und jener Funke begann nun zu glühen.

      Der Drache hob schwerfällig seinen Kopf und harrte dem Licht, das da kam.

      Es entpuppte sich als eine klitzekleine Laterne, befestigt an einem Stirnband, das ein Wurm um seinen Kopf trug. Unmittelbar vor dem Drachen blieb der Wurm stehen und starrte ihn an. Bewunderung stand in seinen Augen.

      „Was bist du für ein wunderschönes Wesen?“, fragte er den Drachen. Doch dieser schnaubte bloß verächtlich.

      „Schön... pah! Entstellt bin ich, verkrüppelt. Ein Nichts!“

      Irritiert musterte der Wurm den Drachen nun von oben bis unten.

      „Aber warum? Ich sehe keinen Makel an dir. Du bist unfassbar schön. Deine Augen sind von leuchtendem Grün, gleich den teuersten Edelsteinen. Dein Schuppenkleid schimmert selbst in der Dunkelheit in feurigem Rot. Und du hast Beine! Starke Beine! Im Gegensatz zu uns Würmern, die wir immer kriechen müssen, kannst du schnell mit ihnen laufen. Oh, du hast so viel im Gegensatz zu uns...“

      Verbittert funkelte der Drachen den Wurm an.

      „Augen..., Schuppenkleid..., Beine... Alles nichts wert, wenn mir doch meine Flügel genommen worden sind.“

      Verwundert betrachtete der Wurm die zerrissenen Flügel des Drachen. Nun erst verstand er, wovon der Drache sprach. Und doch verstand er es nicht.

      „Aber wozu brauchst du Flügel? Hier unter der Erde kannst du sie doch gar nicht gebrauchen? Deine Beine hingegen... Um die beneide ich dich sehr!“

      Zum ersten Mal seit langen Tagen wurde da der Drache wach. Er betrachtete seine Beine und begriff, dass er damit laufen konnte.

      „Komm!“, sagte der Wurm schließlich. „Ich lade Dich ein, mit mir zu kommen und mein Reich kennenzulernen.“

      Und der Drache folgte ihm.

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