Gerd Kramer

Spielball ferner Welten


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Fischer Nadjas Frage.

      „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“

      „Wir haben keine andere Möglichkeit“, sagte Brink. „Ich muss wissen, was hier vorgeht.“

      Fischer stimmte zu. „Wer so eine Kreatur konstruiert, verfolgt einen Plan. Und es spricht einiges dafür, dass es kein harmloser Plan ist.“

      „Haben Sie einen Verdacht?“

      „Nein. Aber wir sollten versuchen, die Absicht der Konstrukteure herauszufinden.“

      „Du könntest den Drucker einfach abschalten, Axel. Zieh den Stecker. Dann ist der Spuk vorbei“, sagte Nadja.

      „Dann erfahren wir nie, was passiert ist und wer Stefan ermordet hat. Außerdem hatte unser Vorgängermodell C1 ähnliche Möglichkeiten. Und natürlich gibt es Konkurrenzprodukte, die zwar mit einem etwas anderen Verfahren arbeiten, aber im Prinzip das Gleiche leisten. Wer sagt uns, dass die Angreifer nicht bereits anderswo Spinnen oder andere Robotertiere erschaffen haben? Wobei mir völlig unklar ist, wer zu so etwas fähig sein könnte.“

      „Vielleicht ein ausländischer Geheimdienst“, sagte Fischer.

      „Ja. Vielleicht. Aber mit welcher Absicht?“

      Fischer zuckte mit den Schultern. „Die Spinne hat Sie berührt?“

      „Ja.“ Brink legte sein rechtes Bein über das linke und schob die Socke etwas nach unten. Hier ist noch der Biss zu sehen.

      Fischer beugte sich vor und betrachtete die Wunde. „Sieht aus wie eine Strommarke.“

      „Was?“

      „Bei einem elektrischen Schlag entstehen solche Stellen auf der Haut. Haben die Ärzte das nicht bemerkt?“

      Brink lachte und zog die Socke hoch. „Die haben nur Puls und Blutdruck geprüft und mich dann wieder entlassen. Aber bei Stefan hätten die Gerichtsmediziner so etwas entdecken müssen.“

      „Soweit ich weiß, treten die Brandmarken nicht immer auf, sondern sind vom Hautwiderstand abhängig.“

      „Sie glauben, dass die Kreatur durch Stromschläge tötet?“

      „Das wäre zumindest denkbar. Wahrscheinlich geht es aber nicht ums Töten. Vermutlich will sie nur den Angreifer außer Gefecht setzen.“

      „Will? Sie will?“ Nadja lachte. „Glauben Sie, dass das Ding intelligent ist?“

      „Das ist nicht auszuschließen. Aber vielleicht reagiert es lediglich auf gewisse Umweltsignale.“

      „Die Sache mit dem GPS-Tracker ist eine gute Idee. Ich werde euch benachrichtigen, wenn ich so weit bin“, sagte Brink.

      „Sei vorsichtig, Axel“, mahnte Nadja.

      „Sollen wir uns nicht duzen?“, fragte Nadja, als Fischer und sie vom Firmenparkplatz fuhren.

      „Gerne. Ich bin Markus. Zweiundfünfzig, frisch geschieden.“

      „Nadja, seit einigen Jahren vierzig und ebenfalls geschieden. Ich hab eine Tochter, Sabine. Sie studiert in Wisconsin, USA. Zwei Semester Volkswirtschaft im Rahmen eines Austauschprogramms. Wir sehen uns leider nur selten.“

      „Ich hab keine Kinder. Aber eine Katze. Sie heißt Ronja. Damit hätten wir unser Profil ausgetauscht.“ Fischer lachte.

      „Was machst du beruflich?“

      „Ich bin arbeitslos. Hab den Job vor einiger Zeit hingeworfen. Meine Ersparnisse und eine Erbschaft reichen bis zur Rente. Jetzt kann ich mich um meine Katze und um außergewöhnliche Phänomene kümmern.“

      „Was hältst du von der Sache? Glaubst du wirklich, dass wir es mit einer künstlichen Spinne zu tun haben?“

      „Alles spricht dafür. Irgendjemand treibt einen immensen Aufwand, und mir ist völlig unklar, was derjenige bezweckt. Jedenfalls wird er verhindern wollen, dass sein Vorhaben entdeckt oder gar behindert wird.“

      „Deswegen ist es gefährlich, was Axel vorhat. Könntest du ein wenig auf meinen kleinen Bruder aufpassen? Er kann manchmal spontan und unüberlegt handeln. Nach dem Tod seines Partners ist er sowieso ziemlich durch den Wind.“

      „Er wird sich von mir sicher nichts sagen lassen. Aber ich werde tun, was ich kann.“

      „Danke. Ich werde dafür sorgen, dass er nichts im Alleingang macht, sondern alles mit dir abspricht. Ich glaube, dass du ihn beeindruckt hast.“

      „Meinst du? Ich habe mich nur bemüht, die richtigen Fragen zu stellen. Das versuche ich manchmal sogar in Selbstgesprächen. Ich stelle eine Frage und gebe mir selbst die Antwort. Das klappt in der Regel ganz gut. In schwierigen Fällen erkläre ich meiner Katze das Problem.“

      Nadja sah zu ihm rüber und lächelte.

      Sie fuhr nicht in die Tiefgarage, sondern parkte vor dem Gebäude.

      „Rufst du mich an, wenn sich etwas Neues ergibt?“, fragte Fischer.

      „Ja. Und ich werde Axel ermahnen, das ebenfalls zu tun.“

      Er verabschiedete sich, indem er ihr die Hand gab, stieg aus und ging zu seinem Fahrzeug. Er drehte sich noch einmal um und erntete ein freundliches Lächeln zum Abschied.

      4. Kapitel

      Obwohl die Recyclinganlage zu den modernsten ihrer Art gehörte, mussten einige Elektrogeräte noch von Hand zerlegt werden, um unter anderem Glasbestandteile und quecksilberhaltige Schalter zu entfernen. Das war ein monotoner Job, aber er wurde gut bezahlt. Straußenbrunner wollte gerade den alten Fernseher bearbeiten, als eine riesige schwarze Spinne aus dem Gehäuse hervorkroch. Der Bär von einem Mann hatte keine Angst vor dem Krabbeltier. Mit ungläubigem Staunen beobachtete er, wie es sich an einer Platine zu schaffen machte. Es war nicht zu fassen: Das achtbeinige Monster zerlegte das Material mit seinen Beißwerkzeugen und machte sich jetzt an den integrierten Schaltkreisen zu schaffen.

      Straußenbrunner griff nach dem Vorschlaghammer und hob ihn an. Er konnte das Tier nicht verfehlen. Mit einem Schlag würde er es zu Brei zerquetschen. Plötzlich fühlte er einen stechenden Schmerz im Fuß. Mitten in der Bewegung versagten seine Muskeln. Der Hammer glitt ihm aus der Hand und krachte zu Boden. Sein Atem setzte aus. Der gewichtige Mann stürzte in den Schrotthaufen und blieb regungslos liegen.

      „Willi!“ Der Kollege sprang vom Sitz des Radladers, mit dem er gerade Material in den Trichter der Anlage gegeben hatte. Er lief auf Straußenbrunner zu, packte ihn am Arm und wollte seinen Oberkörper anheben. Aber der Mann war entschieden zu schwer für ihn. Er lief zurück zum Radlader, griff nach seinem Funkgerät und informierte die Arbeitssicherheit, die die Notrufzentrale verständigte. Ein weiterer Mitarbeiter hatte die Szene beobachtet. Zusammen schafften sie es, Straußenbrunner vom Schrottberg herunterzuheben.

      Endlich trafen die ausgebildeten Männer der Arbeitssicherheit ein. Gleichzeitig ertönte die Sirene des Rettungswagens in der Ferne.

      „Er ist einfach umgekippt“, stammelte Max Kirschhorst, der Radladerfahrer, und machte Platz für die Helfer. „Einfach so.“

      Sein Blick fiel auf eine Spinne, die in einem Berg aus Kupferkabeln verschwand. Ein weiteres ungewöhnlich großes Tier entfernte sich mit unnatürlicher Geschwindigkeit Richtung Presse. Er schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Hast du das Viech gesehen?“, fragte er den Kollegen, der ihm geholfen hatte.

      „Was?“

      „Ach nichts.“

      Der Rettungswagen fuhr mit Blaulicht heran. Es war keine Viertelstunde vergangen, aber die Sanitäter konnten nur noch den Tod des Verunglückten feststellen.

      *

      Es war sechs Uhr morgens, als das Telefon klingelte. Im Halbschlaf