Gerd Kramer

Spielball ferner Welten


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können.“

      „Klar.“

      „Der Puls hätte genügend Energie, um einen fremden Stern zu erreichen.“

      „Wow! Glaubst du wirklich …“

      „Nein. Nicht wirklich. Nur theoretisch denkbar wäre es.“

      „Jetzt spinne ich einmal weiter“, sagte Brink. „Die Kreaturen unterhalten sich auf diese Art oder über Radiowellen oder wie auch immer mit Bewohnern eines fremden Planeten.“

      „Eine Unterhaltung wird kaum aufkommen können. Der nächste Stern, außer der Sonne, versteht sich, liegt über vier Lichtjahre von uns entfernt. Unsere Spinnen müssten fast neun Jahre auf eine Antwort warten. Außerdem bezweifle ich, dass Proxima Centauri oder einer der anderen beiden Sterne des Alpha-Centauri-Systems einen bewohnbaren Planeten besitzt. Und mit einem kurzen Impuls ließen sich sowieso keine großen Datenmengen übertragen. Aber der Spinnenschwarm könnte ganz einfach ein Signal senden, das heißen soll: ‚Hier läuft alles nach Plan‘.“

      „Gut. Spielen wir das Spiel weiter. Könnten wir herausfinden, wo der Planet liegt?“

      „Eine schwierige Frage. Ich bin leider kein Astrophysiker oder Kosmologe. In jedem Fall dürfte der Planet nicht weiter als zwanzig Lichtjahre weg sein. Selbst der scharf gebündelte Laserstrahl weitet sich über die Entfernung aus. Irgendwann kommen einfach nicht mehr genug Photonen ans Ziel.“

      „Wenn wir aus der Form des Schwarms die Richtung ableiten könnten, hätten wir den Winkel. Dann dürfte es kein Problem sein, den Planeten zu finden.“

      „Zumindest den Zentralstern der Außerirdischen. Aber genug der Spekulation, bevor wir vollends in Science-Fiction abgleiten. Wir sollten uns an Fakten halten.“

      „Die Überlegungen haben aber Spaß gemacht.“ Brink lachte und stieg aus.

      Fischer ließ das Fenster hinuntergleiten. „Ich fahre jetzt nach Hause. In den nächsten Tagen werde ich noch einmal einen Versuch unternehmen, die Behörden auf die Gefahr hinzuweisen, allerdings ohne Aliens zu erwähnen. Ich rufe dich an.“

      „Und ich werde Nadja informieren.“

      „Äh. Lass mich das machen“, sagte Fischer.

      „Du?“

      „Ich hab es ihr versprochen.“

      „Na dann.“

      *

      Fischer rief Nadja Linddorf an und schilderte ihr die Ereignisse der Nacht. Sie hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen.

      „Wieso hat mein Bruder mich nicht angerufen?“

      Auf diese Frage war Fischer nicht gefasst.

      „Ja. Äh“, stotterte er. „Ich wollte dich informieren, weil – na, weil ich dich sowieso sprechen wollte.“

      „So?“

      „Ja. Als Biologin.“

      „Ich verstehe nicht.“

      „Ich meine, die Spinnen sind zwar keine Tiere, aber vielleicht ist ihr Verhalten den Lebewesen nachgebildet. Können sie zum Beispiel ein typisches Schwarmverhalten zeigen? So wie Fische oder Vögel?“ Die Frage war Fischer spontan eingefallen. Er stellte sie, obwohl er die Antwort kannte.

      „Nein. Allerdings sind größere Ansammlungen von Spinnen beobachtet worden. In einem indischen Dorf hat sich eine Invasion großer, giftiger Tiere ereignet. Dabei hat es sogar zwei Tote gegeben. Aber ein echtes Schwarmverhalten wurde auch dort nicht festgestellt.“

      „Hm.“

      „Worauf willst du hinaus?“

      „Wie unser Erlebnis zeigte, scheint sich unsere künstliche Spezies in gewisser Weise zu organisieren. Aber vermutlich haben die Spinnen nur die Form und die Fortbewegungsart der echten Artgenossen angenommen und nicht ihr Verhalten. Was hältst du davon, wenn wir das einmal in Ruhe besprechen? Bei einem Glas Wein, in einem Restaurant.“

      Nadja lachte, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sein Manöver durchschaut hatte. Umso mehr freute er sich, dass sie zustimmte. Sie verabredeten sich für den kommenden Samstagabend.

      6. Kapitel

      In den Folgetagen gab es vereinzelt Pressemeldungen über die Sichtung von Riesenspinnen. Fischer las alle Medienberichte und archivierte sie. Nicht in jedem Fall konnte er aus den Beiträgen ablesen, ob es sich tatsächlich um eines der Roboterexemplare handelte oder einfach nur um ein eingeschlepptes exotisches Tier. Berichte über Bananenspinnen in Supermärkten gab es schließlich zuhauf. Angriffe auf Menschen wurden nicht erwähnt. Allerdings konnte man sich nicht sicher sein, dass es nicht Fälle gab, bei denen man fälschlicherweise eine natürliche Todesursache angenommen hatte, wie es bei Stefan Herzog geschehen war.

      Nach und nach mehrten sich in der Region Vorfälle mit verendeten Haustieren, bei denen man Wunden festgestellt und in deren Nähe man ungewöhnlich große Spinnen beobachtet hatte. Fischer war sich sicher, dass hier die Roboterspinnen am Werk waren, hatte allerdings keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Wieso griffen sie plötzlich Tiere an? In einem Fall handelte es sich um ein Kaninchen, das sicher keine Gefahr für sie dargestellt hatte.

      Fischer wurde das Gefühl nicht los, dass es sich bei den Ereignissen nur um die Vorhut einer drohenden Katastrophe handelte. Er war zudem überzeugt, dass es so etwas wie einen gemeinsamen Plan gab, nach dem die künstlichen Kreaturen vorgingen. Er hatte aber keine Vorstellung davon, wie dieser aussah und von wem er stammte.

      Wie jeden ersten Freitag im Monat traf sich der Verein zu einem Erfahrungsaustausch im Veranstaltungsraum eines Restaurants. Achtzehn der dreiundzwanzig Mitglieder waren anwesend. Fischer berichtete als Erster über sein Projekt. Er hätte sich denken können, dass seine Geschichte Stirnrunzeln und Kopfschütteln hervorrief. Obwohl Akte Z die Anlaufstelle für außergewöhnliche Vorkommnisse war, hätten die meisten Teilnehmer niemandem eine derartig haarsträubende Story abgenommen. Als Neuling hatte er besonders schlechte Karten. So mancher mochte ihn für einen Wichtigtuer halten, mit dem die Fantasie durchging. Aber als er den Film präsentierte, der die Versammlung der Spinnen zeigte, ging ein Raunen durch den Saal.

      Fischer hatte sich bewusst mit Vermutungen über die Bedeutung der Beobachtungen zurückgehalten. Abgesehen davon, dass er mit der Erwähnung Außerirdischer seine Glaubwürdigkeit noch weiter in Frage gestellt hätte, wollte er die unbeeinflusste Meinung seiner Kollegen hören.

      Fred Hartdorf meldete sich zu Wort. Er war ein hagerer Typ um die fünfzig, mit Pockennarben im Gesicht und rötlichen Kräuselhaaren.

      „Nehmen wir an, dass es sich um eine Invasion von Spinnenmaschinen handelt und die Dinger sich selbst replizieren können. Dann ist hier eine Technik am Werk, die es nach meiner Kenntnis bisher nicht gegeben hat. Die Roboterforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Vielleicht könnte man eine Maschine bauen, die sich ähnlich wie eine Spinne bewegt. Das Vorbild in der Natur hat einige Vorzüge. Es kann Hindernisse überwinden und sogar eine senkrechte Wand erklimmen. Versuchsroboter mit ähnlichen Fähigkeiten wurden bereits entwickelt. Aber eine Autoreplikation, also die Fähigkeit, Kopien von sich selbst zu erzeugen, halte ich für völlig ausgeschlossen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du den Vorgang auch nicht selbst beobachtet.“

      „Das ist richtig. Wir wussten nur, dass der Drucker sechs Exemplare ausgespuckt hat. Theoretisch könnten die restlichen an einem anderen Ort auf gleiche Weise entstanden sein. Allerdings müssten dann unzählige Geräte ähnlichen Typs in unmittelbarer Nachbarschaft in Betrieb sein, denn der Druckvorgang dauert mehrere Stunden. Ich denke, dass wir das ausschließen können.“

      Dirk Förster, ein mittelgroßer Mann mit Stoppelfrisur und Hakennase, stand auf. „Es tut mir leid. Das Ganze ist meiner Meinung nach völlig absurd. Wenn jemand in der Lage ist, solche komplexen Maschinen zu entwerfen, dann wird er auch in der Lage sein, den passenden Drucker herzustellen.